Handlungsvollmacht, §§ 54 ff. HGB

Artikel über die Handlungsvollmacht gem. §§ 54 ff. HGB. In Ergämzung zum Artikel Prokura ein Artikel zur Handlungsvollmacht mit Abgrenzungskriterien.

Datum
Rechtsgebiet Handelsrecht
Ø Lesezeit 6 Minuten
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Handelsrechtliche Vollmachten kommen sehr häufig in zivilrechtlichen Klausuren vor. Die Handlungsvollmacht ist in der Klausur vor allem dann relevant, wenn einzelne Voraussetzungen der Prokura nicht vorliegen. Dann nämlich sollte immer eine Abgrenzung zur Handlungsvollmacht vorgenommen werden.

Rechtliche Einordnung

Die Handlungsvollmacht ist, genauso wie die Prokura auch, eine spezielle Art der Vollmacht im Handelsrecht. Sie wird mitunter als die „keine Schwester der Prokura“ bezeichnet. Die §§ 54 ff. HGB ergänzen auch hier das Stellvertretungsrecht des BGB nach den §§ 164 ff. BGB. Daher sind die Vorschriften des HGB vorrangig anzuwenden, sofern diese eine Sondervorschrift enthalten. Ist dies nicht der Fall, sind die allgemeinen Stellvertretungsregelungen des BGB einschlägig.

A. Erteilung der Handlungsvollmacht

Da die §§ 54 ff. HGB hier keine Sonderregelungen enthalten, gelten die allgemeinen Grundsätze der §§ 167 ff. BGB, für die Erteilung hier explizit die §§ 167 I, 171 I BGB. Wie bei der Prokura ist also eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung notwendig. Allerdings muss die Handlungsvollmacht nicht ausdrücklich erteilt werden. Eine Erteilung ist auch konkludent oder auf Grundlage der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht möglich. Des Weiteren muss, anders als bei der Prokura, nicht der Inhaber des Handelsgeschäftes selbst die Handlungsvollmacht nach § 54 I HGB erteilen. Eine Erteilung ist auch möglich durch einen entsprechend ermächtigten Handlungsbevollmächtigten oder durch den Prokuristen. Eine Eintragung ins Handelsregister ist, im Gegensatz zur Prokura, nicht notwendig. Der Handlungsbevollmächtigte muss nach § 75 HGB das Bestehen der Vollmacht lediglich durch seine Unterschrift verdeutlichen, beispielsweise durch den Zusatz i.V. Des Weiteren ist die Handlungsvollmacht, anders als die Prokura, übertragbar. Nach § 58 HGB ist dies allerdings nur mit der Zustimmung des Inhabers des Handelsgeschäftes möglich.

Beachte: Selbst wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Prokura nicht vorliegen, kann durch Umdeutung nach § 140 BGB immer noch eine  Handlungsvollmacht erteilt worden sein.

B. Umfang der Handlungsvollmacht

§ 54 I HGB unterscheidet drei Varianten der Handlungsvollmacht: Die Generalhandlungsvollmacht, die Arthandlungsvollmacht und die Spezialhandlungsvollmacht, wobei die Generalvollmacht die umfangreichste ist. Welchen Handlungsspielraum der Handlungsbevollmächtigte also hat, hängt letztendlich immer ganz vom Umfang der Handlungsvollmacht ab, die der Inhaber des Handelsgeschäftes oder sein Vertreter im Einzelfall erteilt. In allen drei Varianten ist der Handlungsbevollmächtigte, anders als der Prokurist, jedoch nur zu solchen Geschäften ermächtigt, die das konkret betriebene Handelsgewerbe des Inhabers des Handelsgeschäftes mit sich bringt. So kann der Prokurist eines Malerbetriebs auch branchenfremde Verträge abschließen, während der Handlungsbevollmächtige ausschließlich für einen Malerbetrieb typische Geschäfte abschließen kann. Dies zeigt auch bereits der Wortlaut. Während § 54 I HGB von einem „derartigen Handelsgewerbe“ spricht, spricht § 49 I HGB von dem „Betrieb eines Handelsgewerbes“.

I. Ausnahme nach § 54 II HGB

Eine Ausnahme ist in § 54 II HGB verankert. Danach ist der Handlungsbevollmächtigte grundsätzlich nicht zur Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, zur Aufnahme von Darlehen oder zur Prozessführung berechtigt, außer ihm wurde eine besondere Befugnis vom Inhaber des Handelsgeschäftes erteilt. Diese Befugnis muss jedoch nicht unbedingt ausdrücklich erfolgen. Die Erteilung ist sowohl formlos als auch konkludent möglich. Genau wie bei der Prokura ergibt sich an dieser Stelle der Streit, ob § 54 II HGB auch analog auf Verpflichtungsgeschäfte anwendbar ist, denn auch hier spricht der Wortlaut lediglich von einer „Veräußerung“. Dennoch sind auch bei § 54 II HGB nach dem Sinn und Zweck der Norm Verpflichtungsgeschäfte umfasst.

II. Missbrauch und Rechtsschein

Wird ein Handlungsbevollmächtigter außerhalb seiner Befugnis tätig, braucht ein Dritter gem. § 54 III HGB Beschränkungen der Handlungsvollmacht nur dann gegen sich gelten zu lassen, wenn er sie kannte oder kennen musste. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, den guten Glauben an den „gewöhnlichen“ Umfang einer Handlungsvollmacht zu schützen. Dies ist allein schon aus Gründen des Verkehrsschutzes besonders wichtig. Denn anders als bei der Prokura ist der Umfang der erteilten Handlungsvollmacht nicht aus dem Handelsregister ersichtlich. Voraussetzung für einen guten Glauben nach III ist allerdings, dass die Vollmacht auch tatsächlich wirksam erteilt wurde. Fehlt es bereits hieran, so greifen allenfalls die Grundsätze der Rechtsscheinvollmacht.

Nach wohl herrschender Meinung schadet bereits einfache Fahrlässigkeit (§ 122 Abs. 2 BGB). Eine Mindermeinung stellt demgegenüber auf den Maßstab der groben Fahrlässigkeit ab. Eigene Nachforschungen sind jedenfalls in der Regel nicht geboten, da solche den von der Vorschrift intendierten Verkehrsschutz konterkarieren würden.

Wenn der Bevollmächtigte sich nicht an die Beschränkung hält, kann es im Innenverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Handlungsbevollmächtigten wegen Verstoßes gegen den Arbeits– oder Dienstvertrag zu einer Schadensersatzpflicht des Bevollmächtigten gegenüber dem Geschäftsherrn kommen. Da der Handlungsbevollmächtigte hier als Vertreter ohne Vertretungsmacht handelt, sind die §§ 177 – 179 BGB anwendbar. Der Handlungsbevollmächtigte haftet nach § 179 I BGB gegenüber dem Dritten, wenn der Dritte die Überschreitung nach § 179 III BGB nicht kannte oder kennen musste.

C. Erlöschen der Handlungsvollmacht

Da in den speziellen Vorschriften der §§ 54 ff. HGB keine Sonderregelungen enthalten sind, richtet sich das Erlöschen der Handlungsvollmacht nach dem BGB. Nach § 168 S.1. BGB erlischt die Handlungsvollmacht also mit der Beendigung des Grundverhältnisses (Arbeitsvertrag) oder durch Widerruf nach § 168 S.2, S.3 BGB. Im Falle des Widerrufs ist § 167 I BGB entsprechend anwendbar. Damit erlischt die Handlungsvollmacht entweder durch Erklärung gegenüber dem Bevollmächtigten oder gegenüber dem Dritten, also dem Vertragspartner.

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Wann erlischt die Handlungsvollmacht wieder?

Die Handlungsvollmacht erlischt mit Erreichen des mit ihr verbundenen Zweckes oder bei befristeten Vollmachten durch Zeitablauf.

Außerdem erlischt die Handlungsvollmacht mit Widerruf, sofern keine Unwiderruflichkeit vereinbart wurde. Dann ist ein Widerruf nämlich nur aus wichtigem Grund möglich.

Wenn das zugrunde liegende Dienst- oder Auftragsverhältnis gekündigt wird, erlischt gem. § 168 S.1 BGB auch die Handlungsvollmacht.

Wenn über das Vermögen des Vollmachtgebers gem. §§ 115, 116 InsO das Insolvenzverfahren eröffnet wurde oder wenn durch den Inhaber des Handelsgewerbes das Geschäft aufgegeben wird, erlischt die Handlungsvollmacht ebenfalls.

Der Tod oder die Geschäftsunfähigkeit des Handlungsbevollmächtigten führt gem. den §§ 673 S.1, 675 BGB zum Erlöschen der Handlungsvollmacht. Bei Tod oder Geschäftsunfähigkeit des Geschäftsinhabers erlischt  die Handlungsvollmacht gem. den §§ 672 S.1, 675 BGB dagegen nicht.

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