Diebstahl § 242 StGB – Objektiver Tatbestand

Prüfungsschema zum objektiven Tatbestand des Diebstahls § 242 StGB in einer StGB-Klausur mit Beispielsfällen, Definitionen, Erläuterungen und Streitständen

Datum
Rechtsgebiet Strafrecht BT
Ø Lesezeit 20 Minuten
Foto: Lukasz Soltan/Shutterstock.com

Der Beitrag beschäftigt sich mit dem objektiven Tatbestand des Diebstahls. Der subjektive Tatbestand ist Gegenstand eines weiteren Beitrages. Weitere Aufsätze siehe unter den Kategorien StGB sowie Strafrecht.

Dieser Aufsatz soll sich einem der prüfungsrelevantesten Paragraphen des StGB widmen, dem Diebstahl § 242 StGB. Anhand des Prüfungsschemas sollen hier die einzelnen Tatbestandsmerkmale erläutert und anhand von Beispielen erklärt werden. In Bezug auf den Diebstahl sollten die Studenten in keinem Fall auf Lücke lernen.Nicht nur, weil diverse Paragraphen, die hohe Examensrelevanz haben auf dem Diebstahl aufbauen, so wie beispielsweise der Raub § 252 StGB, sondern auch weil der Diebstahl an sich schon beliebtes Prüfungsthema im Examen ist, insbesondere weil sich diverse Probleme um ihn ranken, die ein systematisches Grundverständnis dieser Norm vorrausetzen.

Prüfungsschema:

Natürlich folgt auch beim Diebstahl wieder dem dreigliedrigen Aufbau: Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld. Der Tatbestand teilt sich hierbei wie gewöhnlich in einen objektiven und einen subjektiven Teil. Für den § 242 sieht das Prüfungsschema sodann wie folgt aus:

I) Objektiver Tatbestand

1) Tatobjekt: Fremde bewegliche Sache

2) Tathandlung: Wegnahme

II) Subjektiver Tatbestand

1) Vorsatz in Bezug auf den objektiven Tatbestand

2) Absicht sich oder einem Dritten die Sache rechtswidrig zuzueignen

a) Gegenstand der Zueignung

b )Absicht auf vorübergehende Aneignung

c)Zumindest Dolus Eventualis in Bezug auf dauerhafte Enteignung

d)Rechtswidrigkeit der Zueignung

e)Vorsatz in Bezug auf die Rechtswidrigkeit der Zueignung

III) Rechtswidrigkeit

Wie üblich

III) Schuld

Wie üblich

IV) Strafzumessung

Eventuell ist ein Regelbeispiel einschlägig § 243 StGB.

Im Folgenden sollen nun die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 242 besprochen und erläutert werden. Es wird darauf hingewiesen, dass der subjektive Tatbestand des Diebstahls wesentlich mehr erfordert, als der objektive Tatbestand. Es handelt sich insofern um ein Delikt mit überschießender Innentendenz, da im subjektiven Tatbestand Merkmale zu prüfen sind, die im objektiven Tatbestand teilweise keine Entsprechung finden. Wie sich zeigen wird ist der Subjektive Tatbestand des Diebstahls zwar wesentlich umfangreicher als der objektive, dafür ist der objektive Tatbestand nicht viel unkomplizierter. Der Aufsatz soll wie immer dazu dienen, dass die Kandidaten ein Verständnis für die einzelnen Probleme entwickeln und nicht lediglich Fallgruppen auswendig lernen, denn die Wahrscheinlichkeit, dass man in einer Klausur einen Fall antrifft, den man so bereits kennt ist äußerst gering, wenn nicht gar völlig unwahrscheinlich.

Beginnen werden wir in der folgenden Darstellung  wie in einer Klausur natürlich auch mit dem objektiven Tatbestand. Der Subjektive Tatbestand des Diebstahls wir in einem weiteren Aufsatz behandelt.

I) Objektiver Tatbestand

Der objektive Tatbestand des Diebstahls setzt die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache voraus. Mehr nicht. Das klingt noch relativ einfach, aber auch schon an dieser Stelle müssen Studenten bestimmte Problemfälle kennen um in der Klausur zu einer richtigen Lösung zu gelangen. Der objektive Tatbestand des Diebstahls hat es ganz schön in sich und will beherrscht werden. Fehler in diesem Bereich wiegen extrem schwer und sorgen für eine schlechte Benotung.

Wir beginnen einmal mit dem Tatobjekt: Der fremden beweglichen Sache:

Tatobjekt des Diebstahls ist eine fremde bewegliche Sache. Und schon hier müssen diverse Definitionen beherrscht werden um nicht gleich mit einem falschen Ansatz in die Klausur zu starten. Es stellen sich Fragen wie: Was ist eine Sache, wann ist sie beweglich, wann ist sie fremd, wie beurteilt man das und welche Probleme tauchen hierbei auf? Diese Fragen sollen im Folgenden beantwortet werden.

1) Der Sachbegriff:

a) Definition: Sachen sind nur körperliche Gegenstände § 90 BGB

Was eine Sache ist findet ihr im BGB und zwar in § 90. Hiernach sind Sachen nur körperliche Gegenstände wie beispielsweise ein Koffer, Ec Karte, Fernseher, Schlüssel, ein Buch etc., eben alles, was man fassen und beherrschen kann.

b) Aggregatzustand- Relevanz für den Sachbegriff

Auf den Aggregatzustand kommt es hierbei nicht an, solange die Sache von der Außenwelt abgrenzbar ist. Das heißt, dass auch Flüssigkeiten in einem Behältnis oder Gas in einer Flasche eine Sache darstellen kann, nicht jedoch fließendes Wasser oder freie Luft, da diese nicht im Raum abgrenzbar sind. Zu beachten ist, dass elektrischer Strom keine Sache ist, weshalb § 248 c die Entziehung elektrischer Energie gesondert unter Strafe stellt.

c) Problemfälle in Bezug auf den Sachbegriff

die sich um den Sachbegriff ranken sind in einer Klausur häufig Tiere oder Leichen. Dass Tiere Sachen im Sinne des StGB sind ergibt sich schon aus § 324a I Nr. 1 StGB, der von „Tieren… und anderen Sachen“ spricht. Das StGB weist in dieser Hinsicht also anscheinend einen weiteren Sachbegriff auf als das BGB, denn nach dem BGB sind Tiere keine Sachen, werden aber weitestgehend wie diese behandelt.

Der Körper eines lebenden Menschen hat keinesfalls Sachqualität. Ebenso wenig sind mit ihm fest verbundene Teile Sachen. Der Herzschrittmacher eines Menschen, der mit dem Körper fest verbunden wurde ist daher keine Sache. Anders ist es aber wiederum bei Sachen, die nur eine vorübergehende Verbindung zum menschlichen Körper aufweisen wie etwa eine Brille oder ein Hut.

Einer menschlichen Leiche hingegen spricht die vorherrschende Meinung in der Literatur hingegen Sachqualität zu, allerdings ist das umstritten und an späterer Stelle wird sich zeigen, dass auch wenn man eine Sachqualität bejaht, die Eigentumsfähigkeit einer solchen sehr fraglich ist. Dazu kommen wir weiter unten.

2) Beweglichkeit einer Sache

Definition: Eine Sache ist dann beweglichwenn sie tatsächlich fortgeschafft werden kann.

Die Sache muss obendrein auch beweglich sein. Das ist sie, wenn sie tatsächlich von ihrem ursprünglichen Ort fortgeschafft werden kann. An dieser Stelle muss der Student praktisch denken. Erwähnenswert ist, dass auch Teile von unbeweglichen Sachen hierzu zählen, wenn sie ablösbar sind und abgelöst werden. So kann beispielsweise ein ausgegrabener Baum eine bewegliche Sache sein. Insofern reicht es also, wenn Sachen erst beweglich gemacht werden können.

3) Fremdheit einer Sache

Definition: Eine Sache ist fremd, wenn sie im Allein- Mit- oder Gesamthandeigentum von einem anderem als dem Täter steht.

a) Eigentumsverhältnisse sind nach dem BGB zu bestimmen

So weit so gut, aber wie bestimmt man nun die Eigentumsverhältnisse? Die Eigentumsverhältnisse an einer Sache richten sich nach zivilrechtlichen Vorschriften, insbesondere also den 929 ff. BGB.  Im Zweifel kann eine strafrechtliche Klausur eine Inzidentprüfung von Übereignungen beinhalten. Daher sollten auch die §§ 929 ff beherrscht werden. An dieser Stelle zeigt sich erneut wie elementar rechtsgebietübergreifendes Lernen ist. Wichtig ist, dass es falsch wäre zu behaupten, eine Sache sei fremd, wenn sie nicht dem Täter allein gehöre, denn eine Sache könnte ja auch herrenlos sein oder gar nicht eigentumsfähig. Sollte das der Fall sein ist diese nicht schon deshalb fremd, weil sie nicht dem Täter gehört. Benutzt ihr also eine andere Definition, in welcher ihr von dem Täter ausgehen wollt, so müsst ihr genau arbeiten und sagen, dass eine Sache dann fremd ist, wenn sie zwar eigentumsfähig ist, aber weder dem Täter allein gehört, noch herrenlos ist. Welche der Definitionen ihr hiervon in der Klausur benutzen wollt ist insofern euch überlassen. Elementar ist aber, dass ihr an dieser Stelle genau arbeitet. Es kann auch in einer strafrechtlichen Klausur geschehen, dass ihr inzident eine Übereignung prüfen müsst um festzustellen, wer Eigentum an einer Sache hat und wer nicht.

b) Eigentumsfähigkeit von Sachen

Damit eine Sache aber nun in dem Eigentum irgendeiner Person stehen kann, muss die Sache überhaupt eigentumsfähig sein. Aufpassen. Herrenlos bedeutet nicht gleich dass eine Sache nicht eigentumsfähig wäre. Das ergibt sich schon aus § 958 BGB, der ja gerade belegt, dass derartige herrenlose Sachen durchaus eigentumsfähig sind. Also haltet bitte aus Gründen der Klarheit diese Begriffe auseinander. Ein Beispiel für eine herrenlose Sache ist freilebendes Wild. Die Eigentumsfähigkeit wird nach überwiegender Ansicht für menschliche Leichen verneint. Wie oben gesehen wird ihnen zwar Sachqualität zugesprochen, allerdings dann überwiegend die Eigentumsfähigkeit verneint. Insofern bleibt dann wohl nur der Anwendungsbereich des § 168 StGB, nicht aber der von den §§ 303,242,246 StGB. Ganz ausnahmsweise wird auch die Eigentumsfähigkeit menschlicher Leichen bejaht und zwar dann, wenn die Leichen nicht zur Bestattung bestimmt sind, wie zum Beispiel. Eine Mumie, eine Moorleiche, eine Anatomieleiche. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Tod eines Menschen die Teile die mit dem menschlichen Körper fest verbunden waren mit einer Trennung von dem Leichnam auch wieder zu Sachen werden, die eigentumsfähig sind. Allerdings muss man an dieser Stelle ganz genau aufpassen, denn diese Sachen sind zunächst nur herrenlos während den Erben wohl das Aneignungsrecht zusteht. Solange aber keiner der Erben sich die Sache angeeignet hat, ist die Sache wohl nicht fremd. Ein Beispiel für derartige Teile wären beispielsweise Goldplomben oder alte Herzschrittmacher. Insoweit bleibt dann im Zweifel auch nur die Anwendung des § 168 StGB:

c) Rechte Dritter ändern die Eigentumsverhältnisse nicht

Haben Dritte in Bezug auf eine Sache Rechte, gehört die Sache aber dennoch dem Täter alleine, so ist die Sache nicht fremd. Die Belastung einer Sache mit Rechten Dritter ändert nichts an den Eigentumsverhältnissen. Hat also ein Dritter an der Uhr des Täters ein Pfandrecht, so bleibt höchstens Raum für § 289 StGB, nicht aber für einen Diebstahl, wenn der Täter die Uhr wegnimmt, da sie ihm ja alleine gehört. Hinzuweisen ist auch darauf, dass Vorbehaltseigentum ist für den Anwartschaftsberechtigten und Sicherungseigentum für den Sicherungsgeber fremd sind, da Eigentumsverschaffungsansprüche nach dem zivilrechtlichen Abstraktionsprinzip die Beurteilung der Fremdheit nicht beeinflussen.

d) Simultanitätsprinzip beachten

Bei der Beurteilung der jeweiligen Eigentumsverhältnisse ist darauf zu achten, dass es nur auf die Sach- und Rechtslage ankommt, die im Tatzeitpunkt gegeben ist. Daher spielen insbesondere zivilrechtliche Rückwirkungsfiktionen keine Rolle. Wenn also A dem B seine Uhr übereignet und im Anschluss daran die Uhr bei B aus der Wohnung entwendet und sodann die Übereignung der Uhr anficht, so war die Uhr zum Tatzeitpunkt fremd, obwohl die Anfechtung er Übereignung zu einer Unwirksamkeit der Übereignung ex tunc, also von Anfang an führt § 142 BGB.

Im weiteren beschäftigen wir uns mit der Tathandlung: Der Wegnahme

Die Tathandlung des Diebstahls ist die berüchtigte Wegnahme.

1) Wegnahme definiert man als den Bruch fremden Gewahrsams und der Begründung neuen, nicht notwendig tätereigenen Gewahrsams.

Diese Definition muss ein Student kennen. Da führt kein Weg dran vorbei. An dieser Stelle tauchen aber gleich wieder neue Fragen auf. Was ist Gewahrsam und was ist eigentlich Sachherrschaft und welche Probleme tauchen in diesem Zusammenhang auf und was versteht man eigentlich unter Bruch? Das soll im Folgenden erklärt werden.

1) Gewahrsam:

Was ist nun eigentlich Gewahrsam? Gewahrsam heißt nicht Besitz! Gewahrsam hat vielmehr derjenige über eine Sache, der nach der Verkehrsanschauung tatsächliche Herrschaft über eine Sache hat und auch den dazugehörigen Willen hat die Sache zu beherrschen-kurz: Gewahrsam ist die tatsächliche Sachherrschaft getragen von einem natürlichen Sachherrschaftswillen. Es geht hier nicht um irgendwelche Berechtigungen (Auch ein Dieb kann also Gewahrsam haben), sondern allein um die tatsächliche Situation. Es geht weder um Fremdheit, noch um Besitz. Zwar ähnelt der Gewahrsam dem unmittelbaren Besitz im Zivilrecht, aber es gibt auch Fälle in denen jemand Besitz hat, aber keinen Gewahrsam und anders herum

Bsp: Der Besitzdiener hat Gewahrsam aber keinen Besitz. Der Erbenbesitzer kann Besitz haben, aber hat meistens keinen Gewahrsam. Der Mittelbare Besitzer hat Beitz aber keinen Gewahrsam. Den Gewahrsam hat hier vielmehr der Besitzmittler.

Wir stellen also fest. Gewahrsam ist ein tatsächliches Verhältnis, dass objektiv daraus besteht, dass jemand Sachherrschaft hat und subjektiv daraus, dass jemand den Willen zur Sachherrschaft hat. So nun gleich das nächste Problem- was ist denn nun Sachherrschaft?

a) Sachherrschaft

Sachherrschaft hat jemand dann, wenn dem Willen zur physisch realen Einwirkung auf die Sache unter normalen Umständen keine wesentlichen Hindernisse entgegenstehen. Eine enge räumliche Beziehung der Person zur Sache ist hierfür immer ein Anhaltspunkt, muss aber nicht ausschlaggebend sein. So kann auch eine Person, die sich in räumlicher Distanz zu der Sache befindet Gewahrsam, also tatsächliche Sachherrschaft haben. Man spricht insofern von einer Gewahrsamslockerung.

b) Sachherrschaft bei Gewahrsamslockerung:

Nach der Verkehrsauffassung kann auch eine Person die tatsächliche Sachherrschaft haben, die sich räumlich nicht in unmittelbarer Nähe zur Sache befindet.

Bsp: Ein Beispiel hierfür ist das geparkte Fahrzeug, das herumlaufende Haustier oder Sachen, die einfach irgendwo vergessen wurden.

Anders ist dies aber bei verlorenen Sachen, denn hier steht der Möglichkeit zur physisch realen Einwirkung auf die Sache nicht nur die räumliche Distanz, sondern auch die Unkenntnis vom Aufenthaltsort entgegen. An verlorenen Sachen verliert man also Gewahrsam. Oft ist es aber so, dass Gegenstände die in einer fremden Gewahrsamssphäre verloren werden von dort an im Gewahrsam der Person stehen, welche diese Gewahrsamssphäre beherrscht.

Bsp: Die Geldbörse die in öffentlichen Verkehrsmitteln verloren wird, der Ring, der in einer Gaststätte verloren wird, das Handy, dass im Kino verloren wird.

Werden Sachen auf der Straße verloren, oder im Wald etc., dann sind sie allerdings gewahrsamslos.

c) Sachherrschaftswille:

Wie oben bereits erklärt ist weiterhin der natürliche Sachherrschaftswille erforderlich um Sachherrschaft bejahen zu können. Diesen können sowohl Kinder haben, als auch Geisteskranke, denn es handelt sich um einen rein natürlichen Willen, für den keine Geschäftsfähigkeit erforderlich ist.

d) Genereller und potentieller Sachherrschaftswille

Es ist kein dauerhaftes Sachherrschaftsbewusstsein erforderlich. Vielmehr reicht auch ein genereller oder potentieller Sachherrschaftswillen aus. Ein genereller Gewahrsamswille ist beispielsweise bei Wohnungsinhabern an allen Sachen in ihrer Wohnung gegeben. Der Inhaber eines engen räumlichen Bereichs hat regelmäßig den Willen die tatsächliche Gewalt, also die Sachherrschaft an allen darin befindlichen Sachen auszuüben. Man bezeichnet diese Räume als generell beherrschte Räume. Die Verkehrsauffassung geht sogar soweit, dass man davon ausgehen kann, dass die Person auch den Sachherrschaftswillen an Gegenständen hat, die Zukünftig noch hierein gelangen (Antizipierter Erlangungswille. Die Konsequenz ist, dass der Inhaber der Räumlichkeit auch Gewahrsamswillen an den Briefen erhält, die in seinen Briefkasten gelangen.

Weiterhin genügt auch ein potentieller Sachherrschaftswille. Einen solchen haben bewusstlose oder auch schlafende Personen. Diese bleiben während der gesamten Dauer also Gewahrsamsinhaber. Dies gilt für bewusstlose sogar dann, wenn sie später sterben. Bis zu diesem Zeitpunkt bleiben sie Gewahrsamsinhaber.

e) Kein Sachherrschaftswille bei Toten

Tote Menschen hingegen haben keinen Gewahrsam. Achtung der Gewahrsam ist ein tatsächliches Verhältnis und geht daher nicht auf etwaige Erben über. Vielmehr wird die Sache meist gewahrsamslos.

f) Sachherrschaftswille bei juristischen Personen

Da es sich um einen natürlichen Willen handelt können juristische Personen einen solchen Willen nicht haben. Vielmehr ist das jeweils zuständige Organ dann Träger der Sachhherrschaft.

Bsp: Behördenleiter einer Behörde

g) Sachherrschaft von mehreren Personen- Alleingewahrsam oder Mehrstufiger Gewahrsam

Nun gibt es auch komplizierte Fälle, in denen mehrere Personen die Sachherrschaft innehaben und damit Mitgewahrsam. Man muss zischen gleichrangigem und Mehrstufigem Gewahrsam unterscheiden. Beim mehrstufigen Gewahrsam herrscht ein über- Unterordnungsverhältnis, dass beim gleichrangigen nicht herrscht. Welche Form vorliegt ist nach der der vor- Nach oder Gleichrangigkeit der faktischen Verfügungsmöglichkeiten zu bestimmen. Der Bruch von gleichrangigem Mitgewahrsam reicht für einen Diebstahl aus. Allerdings kann in mehrstufigen Gewahrsamsverhältnissen nur der untergeordnete Gewahrsamsinhaber den übergeordneten Gewahrsam brechen, nicht anders herum. Vorsicht: Wenn jemand die Sache wegnimmt, der Erkennbar nichts mit dem Gewahrsamsverhältnis zu tun hat, so ist die Problematik der Gewahrsamsverhältnisse höchstens kurz zu erwähnen. Entscheidend ist die Problematik nur dann, wenn eine Person aus dem Gewahrsamsstufenverhältnis tätig wird.

Fraglich ist nun wie man bestimmt, ob ein Gewahrsamsverhältnis in Form eines Über/Unterordnungsverhältnisses besteht oder eher Alleingewahrsam. Kriterien hierfür sind die zum einen die Kontroll- und Einwirkungsmöglichkeiten der einen Person und zum anderen die Eigenverantwortlichkeit der anderen Person.

Normalerweise kann man davon ausgehen, dass Arbeitnehmer und Angestellte, die in einem Dienstverhältnis zu einer anderen Person stehen im Regelfall im Verhältnis zum Geschäftsherrn untergeordneten Mitgewahrsam haben.

Bsp: Die Verkäuferin im Laden, die Hausangestellte

Wenn Diese Person Sachen entwendet, so ein Gewahrsamsbruch und damit ein Diebstahl gegeben.

Ausnahmsweise können die Fälle aber auch anders gelagert sein, etwa so, dass ein Ladeninhaber auf Grund der Einzelfallumstände Alleingewahrsam hat, die Angestellten hingegen nur Gewahrsamshüter sind. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn es sich um sehr kleine Überschaubare Läden handelt, in denen der Ladeninhaber mitarbeitet und daher eine so große Kontroll- und Einwirkungsmöglichkeit hat, die Angestellten hingegen so geringe Eigenverantwortlichkeit, dass man vom Alleingewahrsam des Ladeninhabers ausgehen muss.

Verwaltet die Ladenangestellte aber beispielsweise eine Supermarktkasse völlig eigenverantwortlich wohingegen kaum Einwirkungsmöglichkeiten des Ladeninhabers bestehen, so kann man hier im umgekehrten Fall vom Alleingewahrsam der Angestellten am Kasseninhalt ausgehen.

In derartigen Fällen muss immer eine Einzelbetrachtung erfolgen. Eine Pauschalisierung ist nicht möglich. In der Klausur sollte man dann nach Hinweisen für eine Eigenverantwortlichkeit suchen oder für eventuell bestehende Einwirkungsmöglichkeiten des anderen und dann eine Abwägung vornehmen. Kurz gefragt: Wer hat mehr Einfluss auf die Sache? Eher nur eine Person, oder beider eher gleich viel? Diese Fragen sollte sich ein Student in der Klausur stellen und dann mit Hilfe einer Abwägung nach der Verkehrsanschauung zu einem Ergebnis gelangen. Dies sehen Korrektoren wesentlich lieber, als heruntergebetete auswendig gelernte Fallgruppen.

h) Gewahrsam an dem Inhalt geschlossener Behältnissen

Ein Problem, dass in der Klausur immer wieder im Zusammenhang mit dem Gewahrsam auftaucht ist die Frage wer Gewahrsam an dem Inhalt von Geschlossenen Behältnissen hat. Insofern gilt die obige Definition, wird diese sauber anwendet, gelangt schnell zum richtigen Ergebnis. Entscheidend ist, wie oben erklärt, wer die tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit auf den Inhalt des Behältnisses hat. Handelt es sich um einen fest mit dem Boden verankertes oder sehr schwer Bewegliches Behältnis, wie etwa einen Tresor oder ein großes Schließfach, dann ist der Gewahrsam am Inhalt wohl der Person zuzusprechen, die den Schlüssel zu diesem Behältnis hat. Handelt es sich allerdings um eine leicht bewegliche Schmuckschatulle oder eine kleine Geldkassette, so wird wohl derjenige Gewahrsam am Inhalt haben, der auch Gewahrsam an dem Behältnis selbst hat.

i) Vollendung der Wegnahme

Damit der Diebstahl vollendet ist muss natürlich auch die Wegnahme vollendet sein. Wichtig ist an dieser Stelle zunächst, dass eine Beobachtung einen Diebstahl nie verhindert, da der Diebstahl kein heimliches Delikt ist. Heimlichkeit ist nicht erforderlich. Wird der Täter also von Detektiven oder Kameras beobachtet, so hindert dies die Vollendung des § 242 StGB nicht.

Fraglich ist aber in welchem Zeitpunkt der Gewahrsamswechsel vollzogen ist und damit der Diebstahl vollendet. Achtung: Vollendung tritt schon dann ein, wenn der Tatbestand des Diebstahls erfüllt ist, also mit dem letztendlichen Abschluss des Gewahrsamswechsels. Beendigung bedeutet etwas ganz anderes. Beendigung tritt erst dann ein, wenn die Tat über die Tatbestandsverwirklichung hinaus ihren Abschluss gefunden hat. Beim Diebstahl ist dies wohl im Zeitpunkt der Beutesicherung der Fall (Bsp. Der Dieb kommt zu Hause an und knackt fröhlich seine gestohlene Geldbombe)

Wann ein Diebstahl vollendet ist wird oft heftig diskutiert und ist auch oft Gegenstand von Klausuren. Hier gibt es diverse theoretische Ansätze. Die Kontrektationstheorie geht davon aus, dass schon mit dem Berühren der Sachen der Diebstahl vollendet ist. Die Apprehensionstheorie hingegen verlangt ein zum Gewahrsamswechel führendes Ergreifen der Sache, während die Ablationstheorie das Beiseiteschaffen der Beute verlangt (Abtransport) und die Illationstheorie sogar die Beutesicherung.

Nach der hier vertretenen Ansicht sind alle diese Theorien kaum möglich alle Sachverhalte gut und genau genug zu bewerten. Es ist wohl besser den Sachverhalt einzeln auszuwerten und zu prüfen, ob der Gewahrsamswechsel im vorliegenden Fall bereits vollständig vollzogen wurde. Hierzu gilt es zu untersuchen ob der Täter eine Herrschaftsposition über die Sache schon so erlangt hat, dass der ursprüngliche Gewahrsamsinhaber ohne die Beseitigung dieser Position nicht mehr auf die Sache einwirken kann ohne mit erheblichem Widerstand rechnen zu müssen oder Hindernissen ausgesetzt zu sein. Bei kleineren Gegenständen wird man daher wohl annehmen können, dass der Gewahrsamswechsel schon vollzogen und der Diebstahl daher vollendet ist, wenn die Sache eingesteckt wird (Etwa in eine Handtasche oder den Mantel) Dies kann man deshalb bejahen, weil der menschliche Körper mit einem Tabu umgeben ist und der ursprüngliche Gewahrsamsinhaber wohl mit Widerstand rechnen muss, wenn er die Sache zurückerlangen möchte. Bei größeren Gegenständen wird man eine Vollendung hingegen wohl erst mit dem Herausschaffen der Ware aus dem Laden annehmen können.

Dieser Bereich sollte nicht unterschätzt werden, denn die Vollendung des Diebstahls entscheidet darüber, ob der Täter noch von der Tat zurücktreten kann. Befindet sich die Tat noch im Versuchsstadium, so ist ein Rücktritt möglich. Ist der Diebstahl aber bereits vollendet und der Gewahrsamswechsel vollzogen, dann scheidet ein Rücktritt aus. Die Thematik sollte daher beherrscht werden.

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j) Vollendung trotz elektromagnetischem Sicherungsetikett

Die Vollendung des Diebstahls scheitert auch nicht deshalb, weil eine Sache eventuell mit einem elektromagnetischem Sicherungsetikett versehen ist, das beim Verlassen des Ladens einen Alarm auslöst. Derartige Markierungen sollen nur für eine Rückführung der Ware an den Berechtigten sorgen und damit die Beendigung des Diebstahls verhindern. Die Vollendung des Diebstahls bleibt hiervon unberührt.

3) Bruch

Die Definition der Wegnahme beinhaltet das Wort „Bruch“. Der fremde Gewahrsam muss gebrochen werden. Hierunter versteht man, dass der Gewahrsam gegen oder ohne den Willen des Berechtigten gebrochen werden muss, damit § 242 einschlägig ist. Achtung: Der Wille des Gewahrsamsinhabers und nicht des Eigentümers ist an dieser Stelle entscheidend. Ist der Gewahrsamsinhaber mit einer Wegnahme einverstanden, so liegt ein tatbestandsausschließendes Einverständnis vor. Das heißt dann, dass im Gegensatz der zur rechtfertigenden Einwilligung schon der Tatbestand und nicht erst die Rechtswidrigkeit des Diebstahls verneint werden muss.

An dieser Stelle werden in Klausuren gerne die sogenannten Diebesfallen eingebaut, bei denen dem vermutlichen Täter eine Falle gestellt werden soll und eine Sache praktisch zum Diebstahl bereit gelegt wird (bsp. ein Markierter Geldschein). Der Täter soll dann entweder nach dem ergreifen der Sache oder erst später auf Grund einer Markierung der Sache anhand dieser überführt werden.

An dieser Stelle müssen die Bearbeiter einer Klausur genau hinsehen. Soll der Täter erst einige Zeit nach dem Diebstahl der Sache ergriffen werden, so liegt ein tatbestandsausschließendes Einverständnis des ursprünglichen Gewahrsamsinhabers vor, denn dieser war ja mit dem Gewahrsamswechsel gerade zur Überführung des Täters einverstanden. Soll der Täter gleich nach dem Ergreifen der Sache gestellt werden, so hat der Täter oft schon gar keine hinreichende Herrschaftsposition erlangt, die zu einer Vollendung des Diebstahls führen kann. Sollte dies doch der Fall sein, weil es sich etwa um kleine Gegenstände handelt, die der Täter schon eingesteckt hat (Gewahrsamsenklave), dann liegt wohl ebenfalls ein tatbestandsausschließendes Einverständnis vor. Der Diebstahl ist daher zu verneinen. Allerdings sollten Studenten dann nicht vergessen einen versuchten Diebstahl zu prüfen, wenn der Täter von dem Einverständnis keine Kenntnis hatte. Dieser ist dann oft zu bejahen.

Liegen alle oben dargestellten objektiven Tatbestandsvoraussetzungen vor, könnt ihr euch dem subjektiven Tatbestand widmen. Ihr seht nun, dass schon der objektive Tatbestand des Diebstahls erheblich Zündstoff für eine Klausur bieten kann. Daher sollte man die Problemfelder des objektiven Tatbestandes verstehen und richtig einzuordnen wissen.

Zum subjektiven Tatbestand siehe hier

Anmerkungen

Zur Ergänzung siehe auch die Aufsätze,Schemata sowie Klausuren unter den Kategorien StGB sowie Strafrecht, vor allem den Beitrag über die Regelbeispiele nach § 243 StGB.

siehe auch: mittlebare Täterschäft und Verbotsirrtum, Beihilfe, Diebstahl in mittelbarer Täterschaft, Error in persona und aberratio ictus, Aufbau ErlaubnistatbestandsirrtumPrüfschema Nötigung und Anstiftung

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