Die Beleidigung nach § 185 StGB

Die Beleidigung nach § 185 StGB: detailliertes Prüfungsschema mit Erläuterungen und Beispielen, spezielle Rechtfertigungsgründe, § 193 StGB.

Datum
Rechtsgebiet Strafrecht BT
Ø Lesezeit 10 Minuten
Foto: Atomazul/Shutterstock.com

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit dem Tatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB und soll dem Leser einen übersichtlichen Einblick verschaffen. Dementsprechend findet man an dieser Stelle ein übersichtliches Prüfungsschema, welches detailiert auf alle Prüfungspunkte  eingeht.

A. Allgemeines in Bezug auf den Tatbestand der Beleidigung gem. § 185 StGB

§ 185 StGB ist innerhalb der Beleidigungsdelikte als Grund- und Auffangtatbestand zu verstehen. § 185 StGB greift bei Tatsachenbehauptungen gegenüber dem Betroffenen ein sowie bei Werturteilen gegenüber dem Betroffenen oder gegenüber dem Dritten. Allgemein schützt § 185 StGB die Ehre eines Menschen. Der Ehrbegriff wird nach überwiegender Meinung durch einen dualistischen Ehrbegriff geprägt. Danach ist der innere Ruf (Die Selbstachtung eines Menschen, Würde) und äußere Ruf (Reputation innerhalb der Gesellschaft) eines Menschen geschützt. Wie dieser Schutz im Zusammenhang mit dieser Vorschrift gelingt, ist schließlich dem folgenden Beitrag zu entnehmen.

B. Prüfungsschema zur Beleidigung gem. § 185 StGB

A. Tatbestand der Beleidigung

I. Objektiver Tatbestand der Beleidigung

1. Mögliche Tatobjekte

a) Der Einzelne
b) Der Einzelne unter einer Kollektivbezeichnung
c) Beleidigung eines Kollektivs (Personengemeinschaft)

2. Tathandlung

Beleidigung: Kundgabe einer Missachtung, Geringschätzung oder einer Nichtachtung.

3. Kundgabeerfolg

4. Kausalität

II. Subjektiver Tatbestand der Beleidigung

Vorsatz bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmale. Dolus eventualis genügt. Ebenso Vorsatz bezüglich der Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung.

B. Rechtswidrigkeit der Beleidigung

I. Einwilligung

II. Spezielle Rechtfertigungsgründe

§ 193 StGB

III. Allgemeine Rechtfertigungsgründe (allgemeine Grundsätze)

C. Schuld

D. Qualifikation

E. Strafantrag

C. Die Prüfung im Detail

A. Tatbestand der Beleidigung

I. Objektiver Tatbestand der Beleidigung

1. Mögliche Tatobjekte

a) Der Einzelne

Hier kommt es zu einer direkten Beleidigung gegenüber dem Betroffenen.

b) Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung

Ebenfalls kann der Täter unter einer Kollektivbezeichnung beleidigt haben. Diesbezüglich gilt es folgende Voraussetzungen zu bejahen. Zunächst einmal muss sich der Kreis der Betroffenen hinreichend bestimmbar abheben. Zudem muss die in Frage stehende Ehrverletzung dem Einzelnen zweifelsfrei zuzuordnen sein. Demzufolge stellt die Individualisierbarkeit für diese Form der Beleidigung ein wesentliches Kriterium dar.

Beispiel: Der Täter T äußert, dass alle Lehrer des Wolfsgymnasiums korrupt sind. ⇒ Hier unterfällt jeder einzelne Lehrer einer Beleidigung.

Bei allgemeinen Werturteilen ist eine Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung nicht möglich.

Beispiel: Alle Protestanten sind hässlich. ⇒ Keine klare Abgrenzung möglich.

c) Beleidigung eines Kollektivs (Personengemeinschaft)

Diese Form der Beleidigung unterscheidet sich von der Beleidigung des Einzelnen unter einer Kollektivbezeichnung. Denn bei der Beleidigung eines Kollektivs geht es nicht um die Beleidigung eines Einzelnen aus dem Kollektiv, sondern um die Beleidigung des Kollektivs selbst. Eine solche Personengemeinschaft (Kollektiv) kann nach herrschender Meinung schließlich unter folgenden Voraussetzungen beleidigt werden:

Die Personengemeinschaft muss eine rechtlich anerkannte gesellschaftliche oder wirtschaftliche Funktion erfüllen und zudem in der Lage sein, einen einheitlichen Willen zu bilden.

Beispiele: Kapitalgesellschaften, Religionsgemeinschaften, Bundeswehr

Anmerkung: In diesem Zusammenhang vertreten auch eineige die Ansicht, dass eine Beleidigung eines Kollektivs nicht möglich wäre. Schließlich könnten nur Menschen eine Ehre besitzen und demzufolge würde sich der strafrechtliche Schutz nur auf den individuellen Ehrenschutz erstrecken. Hätte man einen erweiterten Schutz gewollt, so hätte es einer gesetzlichen Regelung wie in § 194 Abs. 3 StGB bedurft.

2. Tathandlung

a) Kundgabe

Weiterhin muss der Täter seine Missachtung, Geringschätzung oder Nichtachtung kundtun. Diese ehrverletzenden Handlungen kann er entweder durch  Tatsachenbehauptungen oder Werturteile vornehmen. Dementsprechend ist zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen zu unterscheiden. Tatsachen sind Vorgänge oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart, die stets dem Beweis zugänglich sind. Diesbezüglich muss die behauptete Tatsache objektiv unwahr sein. Dagegen sind Werturteile Äußerungen, die nur eine persönliche Überzeugung beziehungsweise Einstellung verkörpern. Demzufolge sind unter Werturteilen persönliche Meinungen/Ansichten zu verstehen, welche gerade nicht dem Beweis zugänglich sind.

Beispiel für Werturteil: Doktor X ist kein guter Arzt. ⇒ Stellt eher eine persönliche Überzeugung dar. Ist eher nicht beweisbar.

Die Art und Weise der Kundgabe ist vielfältig. Insofern kann die Beleidigung wörtlich, schriftlich, symbolisch oder auch bildlich erfolgen.

Beleidigungsvarianten: Kraftausdrücke, Beschimpfungen, Diffamierungen; symbolische Ehrverletzungen, z.B. Zeigen des Mittelfingers; der Vorwurf, man habe eine Straftat begangen.

Ebenso kann die Beleidigung durch schlüssiges Verhalten oder durch eine Tätlichkeit erfolgen. Eine durch Tätlichkeit erfolgte Beleidigung stellt dann allerdings eine Qualifikation dar (siehe Gesetz § 185 StGB ⇒ erhöhter Strafrahmen).

Auch kommt eine Beleidigung durch Unterlassen nach § 13 StGB in Betracht.

Beispiel: A nimmt auf seinem persönlichen Diktiergerät beleidigende Inhalte bezüglich seiner Tochter auf. Als er bemerkt, wie seine Tochter zum Diktiergerät schreitet, um dieses abzuspielen, hindert er sie jedoch nicht daran.

b) Beleidigung im Kreise der Familie?

Zudem stellt sich die Frage, inwiefern eine Beleidigung im Kreise der Familie vorliegen kann. Die herrschende Meinung verneint das Vorliegen einer Beleidigung, wenn es sich um Äußerungen über Dritte im Familienkreis handeln. Begründet wird dies damit, dass ein Recht auf Privatsphäre eingeräumt werden muss. Hierdurch soll eine unbefangene Aussprache möglichen sein.

Dieser Grundsatz soll jedoch nicht nur für den Fall einer Aussprache im Familienkreis gelten. Er soll vielmehr immer dann zum Tragen kommen, wenn man von einem besonderen Vertrauensverhältnis ausgehen kann. In solchen Konstellation ist eine Kundgabe mit ehrverletzendem Charakter zu verneinen.

Beispiel: Vertrauensverhältnis zwischen Mandanten und Rechtsanwalt.

Anmerkung: Eine Beleidigung kann schließlich noch in Form einer Formalbeleidigung gegeben sein. Dabei geht die Beleidigung entweder aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen des Geschehens hervor.

3. Kundgabeerfolg

Schließlich müsste es zu einem Kundgabeerfolg gekommen sein. Dieser liegt regelmäßig vor, wenn die ehrverletzende Handlung vom Beleidigten oder einem Dritten zur Kenntnis genommen worden ist.

Wann genau eine Kenntnisnahme vorliegt, ist umstritten.

  • Nach einer Ansicht reicht die bloße sinnliche Wahrnehmung der Äußerung.
  • Eine weitere Ansicht verlangt, dass der Betroffene zudem den ehrverletzenden Charakter der Äußerung geistig erfasst.

Kurze Stellungnahme: Die zweite Ansicht geht davon aus,  dass nur eine verstandene Äußerung dazu führen kann, den Geltungsanspruch des Opfers in der Gesellschaft zu beschädigen. Allerdings käme diese Ansicht zum Ergebnis, dass Kinder oder Geisteskranke regelmäßig keinen Schutz durch § 185 StGB erfahren würden. Demnach sollte man eher von einem generellen sozialen Achtungsanspruch ausgehen. Somit wären auch Kinder und Geisteskranke geschützt. Folglich erscheint die erste Ansicht vorzugswürdiger.

4. Kausalität

Die Handlung muss für den Erfolg kausal gewesen sein (Conditio–sine-qua non–Formel).

II. Subjektiver Tatbestand der Beleidigung

Schließlich muss der Täter Vorsatz bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmale gehabt haben. Dolus eventualis genügt. Ebenfalls muss der Täter auch Vorsatz bezüglich der Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung gehabt haben.

Demnach muss der Täter also auch einen Kundgabevorsatz gehabt haben. Dieser ist beispielsweise nicht gegeben, wenn der Täter zwar ein beleidigendes Schreiben aufsetzt, sich allerdings noch nicht dazu entschieden hat dieses abzuschicken und dann die Haushälterin dieses Schreiben findet und wegschickt. Ebenfalls liegt kein Kundgabewille vor, wenn jemand beleidigende Inhalte in ein privates Tagebuch schreibt.

Anmerkung: Ansichten, die die Unwahrheit der Tatsache nicht als Tatbestandsmerkmal anerkennen und dabei eher von einer objektiven Bedingung ausgehen, sollte man ablehnen. § 185 StGB erscheint als ein relativ unbestimmter Tatbestand, sodass die Annahme einer objektiven Bedingung ohne eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung eher zu verneinen ist.

B. Rechtswidrigkeit der Beleidigung

I. Einwilligung

Willigt das Opfer in eine Beleidigung ein, so muss seinem Recht auf Selbstbestimmung Rechnung getragen werden, sodass eine Strafbarkeit nach § 185 StGB entfällt.

II. Spezielle Rechtfertigungsgründe, § 193 StGB

1. Anwendungsbereich des § 193 StGB

a) Werturteile

Diese sind dann rechtfertigungsfähig, wenn sie entweder eine Tatsachenbehauptung mitenthalten oder zumindest einer Tatsachenbehauptung sehr nahe kommen.

b) Tatsachenbehauptungen, die gegenüber dem Betroffenen geäußert worden sind

Hier ist eine Wahrnehmung berechtigter Interessen möglich, wenn der Wahrheitsbeweis nicht erfolgt ist. Sollte es allerdings zum Wahrheitsbeweis gekommen sein, kommt man ohnehin nicht mehr zu § 193 StGB. So verhält es sich auch, wenn die Wahrheit der ehrverletzenden Behauptung nur zweifelhaft besteht und daher auf Grund des in dubio pro reo Prinzips für den Behauptenen als wahre Behauptung zu behandeln ist. Auch da kommt man nicht mehr zu einer Anwendung von § 193 StGB.

Anmerkung: Formalbeleidigungen fallen nicht unter § 193 StGB.

2. Wahrnehmung berechtigter Interessen

Ein Interesse darf nicht gegen die Rechtsordnung verstoßen. Zudem darf das wahrgenommene Interesse nicht gegen die guten Sitten verstoßen.

Weiterhin muss das wahrgenommene Interesse den Täter persönlich etwas angehen. Dabei muss es sich nicht unbedingt um ein unmittelbar eigenes Interesse handeln. Dementsprechend können auch Interessen der Allgemeinheit unter § 193 StGB subsumiert werden. Schließlich gehört der Täter auch zur Allgemeinheit, sodass es ihn auch persönlich betreffen kann.

Letztlich muss aus der Sicht des Täters die ehrverletzende Äußerung zur Wahrnehmung des Interesses erforderlich gewesen sein.

3. Prüfungsreihenfolge, § 193 StGB

a) Wahrnehmung berechtigter Interessen

Hierbei sind die oben gemachten Ausführungen maßgeblich. ⇒ ( 2. Wahrnehmung berechtigter Interessen )

b) Vornahme einer Interessenabwägung

Zunächst einmal muss die ehrverletzende Äußerung geeignet gewesen sein, um das berechtigte Interesse wahrzunehmen. Diesbezüglich liegt eine Geeignetheit vor, wenn die Äußerung dazu dient das wahrgenommene Interesse zu fördern. Dabei ist die ex-ante Sicht heranzuziehen.

Des Weiteren muss die Beleidigung erforderlich gewesen sein. Dazu müsste die Beleidigung das mildeste Mittel gewesen sein.

Anmerkung: Wer auf öffentliche Missstände aufmerksam machen möchte, muss nicht unbedingt das mildeste Mittel nutzen.

Die Äußerung muss letztlich ein angemessenes Mittel gewesen sein. An dieser Stelle kommt es zur intensiven Abwägung der Interessen. Abzuwägen sind die Interessen des Beleidigenden mit den Interessen des Beleidigten.

Anmerkung: Hierbei können auch Grundrechte eine Rolle spielen. Dabei sollte bekannt sein, dass der Rechtfertigungsgrund nach § 193 StGB im Wesentlichen aus Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungsfreiheit) hergeleitet wurde. Daher sollte bei Auslegung des § 193 StGB klar sein, dass haltlose Behauptungen oder sehr leichtfertig erhobene Vorwürfe sowie bloße Vermutungen nicht von § 193 StGB geschützt sein können. Schließlich soll Art. 5 Abs. 1 GG den kritischen Meinungskampf schützen, nicht jedoch Raum für persönliche Kränkungen schaffen.

c) Subjektives Rechtfertigungselement

Der Täter muss die beleidigende Äußerung zur Wahrnehmung seiner Interessen getätigt haben. Liegt ein solches subjektives Element nicht vor, so kann eine Rechtfertigung nicht angenommen werden.

III. Allgemeine Rechtfertigungsgründe (allgemeine Grundsätze)

Auch allgemeine Grundsätze könnten einschlägig sein.

C. Schuld

Hierbei sind die allgemeinen Grundsätze zu beachten.

D. Qualifikation

Die Qualifikation ergibt sich aus § 185 Alt. 2 StGB. Danach muss es zu einer Beleidigung mittels einer Tätlichkeit gekommen sein. Demnach muss der Täter unmittelbar auf den Körper des Opfers einwirken, sodass eine besondere Missachtung des Geltungswertes des Betroffenen zum Ausdruck kommt.

Beispiele: Anspucken, Abschneiden eines Bartes und Ohrfeigen.

Klausurtechnik Buchcover
Neu

Klausurtechnik

Eine Anleitung zur erfolgreichen Lösung juristischer Klausuren

In Jura ist die Frage, wo man etwas in der Klausur anbringt, mindestens so wichtig wie die abgefragten Rechtskenntnisse. Dieses Buch ist eine Anleitung, wie du juristische Klausuren erfolgreich löst.

Bei Amazon kaufen

E. Strafantrag, § 194 StGB

Grundsätzlich ist ein Strafantrag erforderlich. Jedoch kann ein Strafantragserfordernis entfallen (siehe dazu § 194 Abs. 1 S. 2 – 4 StGB).

F. Konkurrenzen

Grundsätzlich tritt § 185 StGB hinter den §§ 186, 187 StGB zurück. Jedoch kann ausnahmsweise Tateinheit vorliegen, wenn der Täter die ehrverletzende Tatsachenbehauptung gegenüber dem Opfer und gegenüber dem Dritten äußern möchte. Schließlich liegt Tateinheit zwischen § 185 StGB und § 223 StGB vor, wenn die Beleidigung durch eine Tätlichkeit erfolgte.

Seal

All unsere Beiträge werden von Hand geschrieben und von einer Richterin regelmäßig überprüft. Wir setzen keine künstliche Intelligenz bei der Erstellung unserer Inhalte ein, da wir nur so die gewohnt hohe Qualität gewährleisten können.

Benötigst du Hilfe? In unserem Einzelunterricht gehen wir auf all deine Fragen ein und bereiten dich effektiv auf anstehende Prüfungen vor. Schreib uns bei WhatsApp und erfahre mehr.