Das Referendariat in Rheinland-Pfalz
Erfahrungsbericht über das Referendariat in Rheinland-Pfalz und das 2. Staatsexamen.
Nach dem ersten Staatsexamen steht man vor der Frage, wie es nun weitergehen soll. Neben zusätzlichen Ausbildungen treten jedoch die meisten Juristen den Weg in das Referendariat an. Dieser Artikel soll hierbei eine Orientierungshilfe für die Standortwahl geben sowie ein paar Tipps für das Referendariat in Rheinland-Pfalz vermitteln. Die enthaltenen Informationen des Artikels geben jedoch lediglich die Erfahrungen und die subjektive Sicht des Verfassers aus seiner Referendarzeit am Landgericht Mainz wieder und stellt keine verbindliche Auskunft dar.
I. Allgemein
Das Referendariat in Rheinland-Pfalz kann jeweils zum 1. Mai oder 1. November eines Jahres angetreten werden, wobei die Stammdienststellen die Landgerichte der Bezirke des OLG Koblenz und des OLG Zweibrücken sind.
Wie auch in den meisten anderen Bundesländern wird der Referendar nicht mehr als Beamter auf Widerruf eingestellt, sondern befindet sich zum Land in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis. Hierbei wird eine Unterhaltsbeihilfe von 1.026,27 € brutto monatlich gewährt, wobei ein Anspruch auf Weihnachts- und Urlaubsgeld nicht besteht. Bezüglich der Höhe der Beihilfe liegt Rheinland-Pfalz im Vergleich zu anderen Bundesländern im oberen Drittel. Lediglich Thüringen stellt mit einem Gehalt von fast 1.200 € und einer Einstellung als Beamter auf Widerruf hierzu eine Ausnahme dar. Ferner sind Sie als Referendar verpflichtet, in die gesetzliche Krankversicherung einzutreten.
II. Die Bewerbung
Das Referendariat kann im Bezirk des Oberlandesgerichts Koblenz oder im Bezirk des pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken angetreten werden. Zu beachten gilt allerdings, dass die alleinige Zulassungsbehörde für beide Bezirke (noch) der Präsident des Oberlandesgerichts Koblenz ist. Weitere Informationen und die nötigen Formulare finden Sie unter:
http://www.mjv.rlp.de/Ministerium/Bewerber-Info/broker.jsp?uMen=392406df-59fb-3001-c5ec-3f1cfed9dc41
Ferner ist es in Rheinland-Pfalz möglich Ortswünsche zu äußern, wobei die Behörde nicht verpflichtet ist, diese zu erfüllen. Allerdings versuchen die zuständigen Beamten den Wünschen soweit es geht nachzukommen. Wer gerne in Mainz bleiben will, sollte daher beachten, dass viele Referendare sich am Landgericht Mainz mit ihrem Erstwunsch bewerben. Eine alternative hierzu wäre jedoch das Amtsgericht Mainz (befindet sich in demselben Gebäude) anzugeben, um somit die Chance einer Zuweisung nach Mainz zu erhöhen. Sollte man dennoch einem entlegeneren Orten zugewiesen werden, ist dies meist nicht nachteilig. Der Bewerber muss nämlich zwischen dem Ort der Arbeitsgemeinschaften (AG) und dem Ort der Ausbildungsstelle unterscheiden. Die Arbeitsgemeinschaften finden grundsätzlich nur einmal die Woche statt, sodass ein entlegenerer Ort nicht jeden Tag erreicht werden muss. Gleiches gilt für den Ort der Ausbildungsstelle. Meist erhält man vom zuständigen Ausbilder eine Akte zur Bearbeitung, wobei eine tägliche Anwesenheitspflicht am Ausbildungsstandtort eher unüblich ist.
Beispiel: Der Referendar befindet sich in der ersten Station „Zivilrechtspflege“ und ist wohnhaft in Mainz. Seine Arbeitsgemeinschaft findet am Landgericht Mainz statt, während sich seine Ausbildungsstelle am Amtsgericht Alzey befindet. Dies bedeutet für den Referendar üblicherweise nicht, dass er nun einen Tag in Mainz und vier Tage in Alzey verbringt. Vielmehr erhält dieser meist eine oder mehrere Akten am Amtsgericht Alzey, die er in einer gewissen Zeit (je nach Umfang ein bis zwei Wochen) bearbeiten muss. Nach meiner Erfahrung kommen die Ausbilder den Referendaren freundlicherweise entgegen, sofern ihnen bewusst ist, dass ein zeitlicher Mehraufwand mit der Reise verbunden ist. Dies kann z.B. dadurch geschehen, indem mündliche Verhandlungen, an denen teilgenommen werden soll, mit den Abgabeterminen der Arbeiten kombiniert werden. Eine tägliche Fahrt ist demnach üblicherweise entbehrlich und die Belastung im Endeffekt gering.
III. Die Ausbildung
Das Referendariat dauert insgesamt 24 Monate. In dieser Zeit durchläuft der Referendar fünf Stationen.
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Die Station Zivilrechtspflege mit einer Dauer von 5 Monaten.
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Die Station Verwaltung mit einer Dauer von 4 Monaten.
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Die Station Strafrechtspflege (intern auch gerne als Strafstation bezeichnet)mit einer Dauer von 3 Monaten.
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Die Station Rechtsberatung miteiner Dauer von 9 Monaten.
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Sie Wahlstation mit einer Dauer von 3 Monaten.
IV. Die Stationen im Einzelnen
1. Station Zivilrechtspflege
Diese kann bei einer Zivilkammer eines Landgerichts oder einer Zivilabteilung des Amtsgerichts abgeleistet werden. Persönlich hatte ich mich für das Amtsgericht entschieden, um durch die Bearbeitung vieler „kleinerer“ Akten schneller den examensrelevanten Stoff aufzunehmen. Allerdings bedeutet die Arbeit am Amtsgericht nicht, dass der Schwierigkeitsgrad der zu bearbeitenden Akten geringer ist, als in den spezialisierten Kammern der Landgerichte. Sollen z.B. Zinsen in Höhe von 4.800 € für einen Tag eingeklagt werden, so ist meist ein rechtlich komplizierter Sachverhalt Grundlage der eingereichten Klage. Auch bieten die Amtsgerichte den Vorteil, dass Sie sich mit verschiedenen Rechtsgebieten beschäftigen können, während Sie bei einer Kammer des Landgerichts relativ spezialisiert arbeiten. Neben der Ausbildung sind Sie verpflichtet, an den Arbeitsgemeinschaften teilzunehmen, die grundsätzlich einmal pro Woche neben den vier Klausurterminen stattfinden.
2. Station Verwaltung
Die Ausbildungsstelle muss grundsätzlich bei einer Landesbehörde oder einem Verwaltungsgericht absolviert werden.Das Land bietet hierbei die Möglichkeit die Ausbildungsstellen nach einer gewissen Zeit zu wechseln, um einen möglichst großen Einblick zu erhalten. Somit ist es u.a möglich, zwei Monate bei einem Verwaltungsgericht und weitere zwei Monate bei einer Behörde mitzuarbeiten. Persönlich absolvierte ich die Station beim Verwaltungsgericht und in der Kreisverwaltung. Diese Konstellation bietet den Vorteil, dass an examensrelevanten Themengebiete mitgearbeitet werden kann. Sollten Sie jedoch schon ein Rechtsgebiet im Auge haben, das sie später ausüben möchten, bietet sich vorliegend die erste Möglichkeit in einem speziellen öffentlich-rechtlichen Themengebiet praktische Erfahrung zu sammeln, sofern die gewünschte Ausbildungsstelle zulässig ist.
Ferner besteht auch die Möglichkeit für zwei Monate ins Ausland zu gehen oder vier Monate an einem Studium an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer teilzunehmen. Da die Einstellung in Rheinland-Pfalz jeweils zum 1. Mai und 1. November erfolgt, ist es den Referendaren jedes Einstellungstermins möglich, sich für die Hochschule Speyer zu bewerben. Der Semesterbeginn und der Beginn der Verwaltungsstation stimmen immer überein.
Des Weiteren finden die Arbeitsgemeinschaften und Aufsichtsarbeiten für den Oberlandesgerichtsbezirk Koblenz in der Kreisverwaltung Ingelheim statt. Dort werden Sie abwechselnd von einem Richter am Verwaltungsgericht sowie von mindestens zwei Juristen einer Verwaltungsbehörde unterrichtet.
3. Station Strafrechtspflege
Die Station Strafrechtspflege ist einer der schönsten und abwechslungsreichsten Stationen in der Referendarsausbildung. Neben der üblichen einmal wöchentlich stattfindenden Arbeitsgemeinschaft und den drei zu fertigenden Klausuren, findet darüber hinaus ein Besuch einer Vollzugsanstalt und eines Polizeipräsidiums/-inspektion statt. Natürlich wird auch regelmäßig ein „Trinktest“ durchgeführt, bei dem es den Referendaren frei steht, sich unter Aufsicht an einen straf- bzw. verkehrsrechtlich relevanten Schwellenwert „heranzutasten“.
Bezüglich der Ausbildungsstelle können Sie den Wunsch äußern, bei der Staatsanwaltschaft, in einer Strafkammer des Landgerichts, beim Schöffengericht (Amtsgericht) oder beim Strafgericht (Amtsgericht) ausgebildet zu werden. Regelmäßig scheint die Staatsanwaltschaft die beliebteste Ausbildungsstelle unter den Referendaren zu sein, sodass nicht alle Zuweisungswünsche erfüllt werden können. Wer jedoch unbedingt dort arbeiten möchte, erhöht seine Chancen dadurch, indem er einen etwas entlegeneren Standtort bei der Wahl der Ausbildungsstelle angibt.
4. Station Rechtsberatung
Die Station Rechtsberatung ist mit 9 Monaten die zeitintensivste Station. In den ersten vier Monaten erfolgt eine jeweils zweimonatige Arbeitsgemeinschaft im Bereich der anwaltlichen Tätigkeit und dem Zwangsvollstreckungsrecht. Zur Vorbereitung auf die schriftliche Prüfung werden in den ersten vier Monaten fünf AG-Klausuren sowie weitere sechs Vertiefungsklausuren geschrieben. Im fünften Monat findet regelmäßig keine Arbeitsgemeinschaft statt, da dem Referendar Zeit für die Vorbereitung auf den schriftlichen Teil des 2. Staatsexamen für den 6. Monat gegeben wird. Im 7. bis 9. Monat finden (nach der schriftlichen Prüfungsleistung) ebenfalls keine Arbeitsgemeinschaften mehr statt, sodass diese drei Monatemeist für Auslandsaufenthalte oder zeitintensive Ausbildungsstellen genutzt werden.
Die Ausbildungsstelle muss bei einer rechtsberatenden Stelle angetreten werden, wobei eine Zuweisung von unter 3 Monaten nicht möglich ist. Somit stehen dem Referendar grundsätzlich Stationen bei Rechtsanwälten, Notaren, Verbänden und Unternehmen zur Auswahl. Die Ausgestaltung der Station ist daher frei wählbar. Hierbei kann nach meiner Ansicht nicht generell behauptet werden, dass die von vielen Personen in Anspruch genommene „Tauchstation“ per se schädlich ist. Vielmehr kommt es individuell auf die Leistungsfähigkeit des Referendars und sein Vorwissen an. Wer noch erhebliche Lücken im Prüfungsstoff hat, sollte vielleicht nicht bis zum letzten Tag vor der Prüfung in einer Großkanzlei verbringen. Persönlich habe ich mich für den Mittelweg entschieden und die ersten sechs Monate in einer „kleineren“ Kanzlei in Mainz verbracht, während ich mich nach dem schriftlichen Teil für eine Großkanzlei in Frankfurt am Main entschieden habe. Diese Konstellation bietet den Vorteil, dass man individuell seine Lernzeit ausgestalten und dennoch erste Praxiserfahrung sammeln kann.
5. Die Wahlstation
Bei der Wahlstation in Rheinland-Pfalz hat der Referendar folgende Fächer zur Auswahl:
Der Prüfungsumfang erstreckt sich hauptsächlich auf das Familienrecht, das Erbrecht, das Vormundschafts- und Bereuungsrecht sowie die damit Zusammenhängenden Verfahrensrechte.
- Medienrecht
Prüfungsstoff: Presserecht, Rundfunkrecht, Telemedienrecht, Äußerungsrecht sowie das Urheber- und Verlagsrecht.
- Arbeitsrecht
Prüfungsstoff: Individuelles und kollektives Arbeitsrecht sowie das arbeitsgerichtliche Verfahren.
- Sozialrecht
Prüfungsstoff: Recht der sozialen Sicherung sowie die sozialgerichtlichen Verfahren.
Prüfungsstoff: Jugendstrafrecht und Strafverfahrensrecht.
Prüfungsstoff: öffentliches Dienstrecht, Umweltrecht, Straßen- und Straßenverkehrsrecht und das Gewerberecht.
- Steuerrecht
Prüfungsstoff: Einkommenssteuerrecht, Buchführung und Bilanzkunde, Umsatzsteuerrecht, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung.
- Kapitalmarkt- u. Kapitalgesellschaftsrecht
Prüfungsstoff: Aktienrecht, GmbH-Recht, Konzernrecht, Umwandlungsrecht, Kapitalmarkt- und Übernahmerecht.
- Europäisches und Deutsches Kartell- und Wettbewerbsrecht
Prüfungsstoff: Kartellverbot, kartellrechtliche Missbrauchs- und Zusammenschlusskontrolle nach europäischen und deutschen Recht, kartellrechtliches Diskriminierungsverbot nach deutschen Recht und das dazugehörige Verfahrensrecht, Recht des unlauteren Wettbewerbs einschließlich des dazugehörigen Verfahrensrechts sowie der Bezüge zum europäischen Wettbewerbsrecht.
Grundsätzlich findet einmal wöchentlich die Arbeitsgemeinschaft statt, sofern keine Blockveranstaltungen angeboten werden. Ferner sollte der Referendar eine Ausbildungsstelle wählen, die ihn in dem einschlägigen Schwerpunktgebiet ausbilden kann.
V. Das Examen
Das Examen besteht wie in den meisten Bundesländern aus 8 fünfstündigen Klausuren sowie einer mündlichen Prüfung. Der schriftliche Teil wird innerhalb von zwei Wochen geschrieben (vier Klausuren pro Woche) und besteht aus zwei Zivilrechts-, zwei Strafrechts- und zwei öffentlich-rechtlichen Klausuren. Im mündlichen Teil des 2. Examens werden ein Aktenvortrag (mit 90 Minuten Vorbereitungszeit) sowie ein Prüfungsgespräch über den Prüfungsstoff des Pflichtteils geführt. Der Prüfungsstoff des Aktenvortrags umfasst den des gewählten Wahlfachs.
Ein wesentlicher Unterschied zu anderen Bundesländern besteht darin, dass der schriftliche Teil des Examens schon sehr früh im 18. Ausbildungsmonat geschrieben wird. Vorteilhaft ist jedoch, dass nach dem schriftlichen Teil noch 6 Monate bis zur mündlichen Prüfung zur Verfügung stehen und somit der 19. – 21. Ausbildungsmonat sehr gut für einen Auslandsaufenthalt genutzt werden kann.
VI. Fazit
Zusammenfassend kann ich das Referendariat in Rheinland-Pfalz durchaus empfehlen. Besonders vorteilhaft sind die vielen Klausuren, die in den Arbeitsgemeinschaften geschrieben werden und eine gewisse „Klausuren-Routine“ sicherstellen. Ferner versuchen die Ausbilder Sie neben ihrem Beruf bestmöglich zu unterstützen, was ich in diesem Umfang nicht erwartet hätte. Auch auf der behördlichen Ebene versuchen die Beamten des OLG Koblenz sowie der Kreisverwaltung Ingelheim, Ihnen tatkräftig zur Seite zu stehen. Besonders hervorzuheben ist dabei die Unterstützung der Referendare durch die Beamten des Landgerichts/Amtsgerichts Mainz. Sollten Sie Fragen, Probleme oder einfach nur Hilfe benötigen, wird man hier versuchen, für Sie das bestmögliche Ergebnis zu erreichen.
VII. Links für Rechtsreferendare in RLP und jene, die es werden wollen
Allgemeine Informationen zum Vorbereitungsdienst
Links zum Thema Trennungsgeld
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