Caroline von Monaco II
Caroline von Monaco II, Prüfung Eingriff in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrecht; Berichtigungsanspruch; Gegendarstellungsanspruch;
Dieser Artikel ist als Teil 3 im Rahmen einer Artikelreihe erschienen, die sich mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht befasst. Wem steht das, vom BVerfG entwickelte Recht, das sich aus Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG ergibt zu und unter welchen Voraussetzungen und in welchen Grenzen. Um den folgenden Ausführungen Folge leisten zu können, empfiehlt es sich mit der Herrenreiterentscheidung zu beginnen, dann den Caroline I –Fall zu wiederholen (dieser wurde extra kurz gehalten) und sich anschließend diesen Artikel anzusehen.
A. Sachverhalt und Ausgangslage
Erneut geht C. gegen ein deutsches Boulevardblatt vor. Dieses hatte verschiedene Bilder aufgenommen, die sie in ihrem Alltagsleben ablichten. Auf den Fotos war sie mit ihren Kindern oder alleine beim Einkaufen auf einem Markt und auf dem Fahrrad auf einem Feldweg zu sehen. Der Streit geht über alle Instanzen und landet erneut vor dem BVerfG und endet mit einem Urteil am 15. Dezember 1999.
Eine untere Instanz, die zugunsten der Beklagten entschied, führt dazu aus: „Gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG seien Abbildungen aus dem Bereich der Zeitgeschichte erlaubt, sofern sie der Illustration des mit dem Bericht verfolgten zeitgeschichtlichen Zwecks dienten. Die Beschwerdeführerin sei als älteste Tochter des Fürsten von Monaco absolute Person der Zeitgeschichte. Werde über ihr Leben berichtet, so gelte eine solche Berichterstattung einem Ausschnitt des Bereichs der Zeitgeschichte.“
Begründet wird diese Sichtweise unter anderem mit dem Verweis auf ein bestehendes Interesse der Öffentlichkeit an dem öffentlichen Leben der Person (der Zeitgeschichte). Deshalb, so das Gericht weiter, sei
„im Rahmen des § 23 Abs. 2 KUG das Interesse der Beschwerdeführerin daran, nicht in der geschehenen Weise abgebildet zu werden, gegenüber dem berechtigten Informationsinteresse der Öffentlichkeit abzuwägen. Dieses ende an der Grenze der Privatsphäre, nämlich „an der Haustür“.
Das Gericht kommt also zu einen zu dem Ergebnis, dass der Einwilligungsvorbehalt des § 22 KUG im Falle Carolines gar nicht erst zur Anwendung gelange.
Gegen diese Auffassung richtet sich Caroline von Monaco und führt den Streit fort, bis zum BGH.
Der BGH stellt in seinem Urteil fest, dass „Bildnisse einer Person nach § 22 KUG grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden dürften“. Der entscheidende Grund dafür sei, „dass das Recht am eigenen Bild eine besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei. Daraus ergebe sich, dass grundsätzlich allein dem Abgebildeten die Befugnis zustehe, darüber zu befinden, ob und in welcher Weise er der Öffentlichkeit im Bild vorgestellt werde. Eine Einwilligung in die Veröffentlichung der Bilder habe die Beschwerdeführerin unstreitig nicht erteilt.“
→ Jedoch gelte dieser Einwilligungsvorbehalt nicht absolut. Das KUG macht dann eine Ausnahme, wenn es sich bei dem Abgebildeten beispielsweise um eine sog. Person der Zeitgeschichte handelt, vgl. § 23 I Nr. 1 KUG.
Deshalb führt der BGH weiter aus: „Nach § 23 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 KUG dürften freilich ohne Einwilligung des Betroffenen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte verbreitet oder zur Schau gestellt werden, es sei denn, daß dadurch ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt werde.“
Exkurs: Die Person der Zeitgeschichte damals und heute:
Was aber versteht man unter einer Person der Zeitgeschichte?
Unter einer Person der Zeitgeschichte versteht man grundsätzlich eine Person, die durch ihr gesamtes Wirken dauerhaft im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht, so dass sie selbst Gegenstand der Zeitgeschichte wird. (absolute Person der Zeitgeschichte). Dazu gehören bsw. Angehörige der Königshäuser. Zu den relativen Personen der Zeitgeschichte zählen dagegen Schauspieler, Sportler, sog. Stars, aber auch Prozessbeteiligte. Aufgrund des Wertes, der dem allgemeinen Persönlichkeitsschutz beigemessen wird, sollte die Wiedergabe und Abbildung der relativen Personen der Zeitgeschichte ausschließlich zu, im öffentlichen Interesse stehenden Zwecken erfolgen.
In Vorwegnahme der späteren Entscheidung sei schon an dieser Stelle erwähnt, dass die Rechtsprechung zur absoluten Person der Zeitgeschichte zwischenzeitlich durch den BGH geändert wurde. Damit reagiert er auf das EGMR Urteil vom 24.06.2004. Nunmehr sei eine Interessenabwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit einerseits und dem Interesse des Abgebildeten an dem Schutz seiner Privatsphäre andererseits vorzunehmen. Dafür sei auf eine strikte Einzelfallbetrachtung verwiesen. Je größer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto mehr muss das Schutzinteresse desjenigen, über den informiert wird, hinter den Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten. Das heißt im Umkehrschluss dann, dass der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen desto schwerer wiegt, je geringer der Informationswert für die Allgemeinheit sich darstellt, vgl. BVerfGE 101, 361, 391.
In concreto heißt das, dass die von der Rechtsprechung zur „absoluten“ Personen der Zeitgeschichte aufgestellten Kriterien hinfällig sind. Nunmehr ist insoweit auf den jeweiligen Einzelfall abzustellen. Dies geschieht mittels Interessenabwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit einerseits und dem Interesse des Abgebildeten an dem Schutz seiner Privatsphäre andererseits.
Exkurs Ende.
Der BGH nahm diesen Fall zum Anlass, erneut klarzustellen, dass „bei der Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen dem Schutz der Privatsphäre eben ein besonderer Stellenwert zukomme. Das Recht auf Achtung der Privatsphäre sei Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das jedermann einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung zugestehe, in der er seine Individualität unter Ausschluß anderer entwickeln und wahrnehmen könne. Dazu gehöre das Recht, für sich zu sein und „sich selber zu gehören“.“
Um diesem Bedürfnis entsprechend beizukommen, stellt er deshalb unmissverständlich klar, dass die Privatsphäre sich gerade nicht nur auf die „eigenen vier Wände“ beziehe, sondern es sie vielmehr auch „außerhalb des häuslichen Bereichs“ gebe. Dies sei dann der Fall, „wenn sich jemand in eine örtliche Abgeschiedenheit zurückgezogen“ habe, in der er „objektiv erkennbar allein sein wolle und in der er sich im Vertrauen auf die Abgeschiedenheit so verhalte, wie er es in der breiten Öffentlichkeit nicht tun würde“. In diesen Schutzbereich greife „in unzulässiger Weise ein, wer Bilder veröffentliche, die von dem Betroffenen in dieser Situation heimlich oder unter Ausnutzung einer Überrumpelung aufgenommen worden seien.“
Er führt fort: „In diesen schutzwürdigen Bereich der Privatsphäre greife in unzulässiger Weise durch die Anfertigung von Bildaufnahmen ein, wer die Arglosigkeit des Betreffenden, der sich unbeobachtet wähne, für seine Zwecke ausnutze. Das sei dann der Fall, wenn er den Betreffenden gleichsam durch das Schlüsselloch beobachte und ihn auf diese Weise heimlich mit der Anfertigung von Bildern überrasche.“
Dieser Fall wurde von der BF C zum BVerfG getragen (BVerfGE 101, 361).
Sie wendet sich mit der Rüge einer Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, insbesondere des Rechts am eigenen Bild und des Rechts auf Achtung der Privatsphäre, gegen sämtliche zivilgerichtlichen Entscheidungen, soweit die zukünftige Verbreitung der Fotos nicht untersagt worden ist. Die angegriffenen Entscheidungen hätten bei der Anwendung einfachen Rechts die Bedeutung und Tragweite der Grundrechte verkannt.
Das BVerfG erkennt an, dass alle in Streit stehenden Fotos aus Situationen stammen, die der Privatsphäre der BF zugerechnet werden können.
Vielmehr hätten auch absolute Personen der Zeitgeschichte nach dieser Rechtsprechung die Möglichkeit, sich an anderen, erkennbar abgeschiedenen Orten unbehelligt von Bildberichterstattung zu bewegen (vgl. BGHZ 131, 332 ff., bestätigt von BVerfG, BVerfGE 101, 361 ff., BGH, Urteil vom 6. 3. 2007 – VI ZR 13/ 06;).
B. Prüfung:
BVerfG: Für die Abwägung ist es damit maßgeblich, mit welcher Intensität in das aPR eingegriffen wurde. (Menschenwürde als absolut geschütztes Recht → absolut geschützter Bereich privater Lebensführung gilt als absolut unantastbar)
I. Liegt ein Eingriff vor?
Es könnte ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vorliegen. Das BVerfG hat dafür einige Fallgruppen entwickelt:
So beinhaltet es bsw. bezüglich der Darstellung in der Öffentlichkeit das Recht am eigenen Bild, das Recht am eigenen Wort und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Daneben beinhaltet es aber auch den Schutz vor der Darstellung von Äußerungen, die der Betroffene nie oder nie so getätigt hat (vgl. dafür schon BVerfG in Eppler: BVerfGE 54, 148ff.). Ein weiteres, das aPR konstituierendes, Recht ist das Recht auf Privatsphäre. Der Schutz der Privatsphäre ist wiederum insbesondere Schutz eines räumlich-privaten Bereichs vor Eingriffen oder Belästigung.
Fraglich, ob eine der genannten Fallgruppen einschlägig ist. Aus den eben genannten Rechten ergibt sich nach der st. Rspr. des BVerfG jedenfalls nicht schon ein Recht auf angemessene Darstellung in der Öffentlichkeit (a) Kein Recht auf angemessene Darstellung in der Öffentlichkeit. Denn, so führt das BVerfG aus: „Ein derart weiter Schutz würde nicht nur das Schutzziel, Gefährdungen der Persönlichkeitsentfaltung zu vermeiden, übersteigen, sondern auf weit in die Freiheitssphäre Dritter hineinreichen.“ (BVerfGE 101, 361, 380).
a) Recht am eigenen Bild:
Die BF möchte die Veröffentlichung der Bilder untersagen. In Betracht kommt daher vor allem ein Eingriff in das Recht am eigenen Bild:
Unter den verschiedenen Schutzaspekten des Rechts am eigenen Bild erlangt hier (…) derjenige Bedeutung, der die Herstellung bestimmter Fotos und ihre Überführung in eine größere Öffentlichkeit betrifft.
b) Recht auf Schutz der Privatsphäre
Darüber hinaus könnte das Verhalten des Verlags auch einer weiteren Fallgruppe unterfallen. In Betracht kommt nämlich ebenfalls ein Eingriff in das Recht auf Privatsphäre. Wie schon erwähnt erstreckt sich der Schutz auf einen räumlichen Bereich, in dem der Betroffene grundsätzlich die Möglichkeit hat, sich von Bildberichterstattung unbehelligt zu bewegen. Dieser Bereich sei eben nicht begrenzt auf den häuslichen Bereich. Denn „die freie Entfaltung der Persönlichkeit wäre erheblich behindert, wenn der Einzelne nur im eigenen Haus der öffentlichen Neugierde entgehen könnte. Die notwendige Erholung von einer durch Funktionszwänge und Medienpräsenz geprägten Öffentlichkeit ist vielfach nur in der
Abgeschiedenheit einer natürlichen Umgebung, etwa an einem Ferienort, zu gewinnen.“
Zwischenergebnis: Beide Fallgruppen sind einschlägig. Es müsste weiterhin ein Eingriff durch den Verlag stattgefunden haben. C. wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen alle zivilrechtlichen Urteile, die eine Veröffentlichung der in Rede stehenden Fotos weiterhin „erlauben“. Mithin gegen das letztinstanzliche Urteil des BGH, mit dem die Unterlassungsklage der BF zurückgewiesen wurde. Ein Eingriff in Art. 2 I i.V.m. 1 I GG liegt somit vor.
→ Das BVerfG prüft hier ausschließlich, ob die Zivilgerichte die Grundrechte ausreichend beachtet haben, sog. Prüfung spezifischen Verfassungsrechts.
II. Wie schwerwiegend ist der Eingriff?
Hier muss nun weiterhin diskutiert werden, wie schwerwiegend der Eingriff ist. Wie oben bereits angeklungen, findet hier die eigentliche Argumentation statt. Denn hier erfolgt nun die Abwägung der widerstreitenden Interessen. Das BVerfG hat zugunsten Carolines angenommen, dass der BGH in seiner Entscheidung nicht ausreichend gewürdigt hat, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht gegebenenfalls eine Verstärkung durch das elterliche Sorgerecht aus Art. 6 I GG erhalte. Es sei anerkannt, dass Kinder eines besondere Schutzes bedürfen, weil sie sich zu eigenverantwortlichen Personen erst entwickeln müssen (vgl. BVerfGE 24, 119, 144; 57, 361, 383).
Ergebnis:
BVerfG*: das BVerfG teilt i.E. die Auffassung des BGH dahingehend, dass es auch dem Prominenten einen Schutz eines thematischen und räumlichen Bereichs zuspricht, der ungestört von heimlichen Aufnahmen bleiben muss. Der BGH sieht in öffentlichen Orten keinen solchen Raum des unbedingten Schutzes der Privatsphäre. Etwas anderes ergebe sich für die Fotos, auf denen die Kinder der C. zu sehen seien: Diese sind keine Personen der absoluten Zeitgeschichte und bedürfen daher eines höheren Schutzniveaus.
Das BVerfG erachtet – anders als der BGH – nicht zwangsläufig jeden öffentlichen Raum als „schutzfreie Zone“. M.a.W. ist nach dieser Auffassung der Schutzbereich nicht ausschließlich auf den häuslichen Bereich beschränkt. Auch Prominente müssen die Möglichkeit haben, sich an anderen, erkennbar abgeschiedenen Orten von einer Bildberichterstattung unbehelligt zu bewegen. Zudem erfahre der Schutzgehalt der Eltern für Fotos, auf denen ihre Kinder abgebildet sind, durch Art. 6 GG eine Verstärkung, soweit es um die elterliche Hinwendung zum Kinde geht.
C. Caroline von Monaco vor dem EGMR (2004):
I. Sachverhalt und Ausgangslage
Die Klägerin C. wendet sich gegen das (Anm. der Verf.: zuletzt dargestellte) Urteil des BVerfG. Aus den Entscheidungsgründen des BVerfG ergab sich, dass C. grundsätzlich Fotos hinnehmen müsse, die sie in der Öffentlichkeit zeigten. Dies sogar dann, wenn diese Fotos die Klägerin eher in ihrem Alltagsleben zeigten, allerdings nur mit der Caroline-II-Einschränkung (→ unter besonderer Berücksichtigung eines verstärkenden Einflusses von Art. 6 GG auf das aPR, wenn die Kinder der BF Teil der Darstellung seien).
II. Entscheidung des EGMR
Der EGMR verweist in seiner Entscheidung zunächst auf das Spannungsverhältnis zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 8 EMRK) und der Meinungs-(Äußerungs-) freiheit. Diese gelte grundsätzlich auch für Bildberichterststattungen, doch in diesem Bereich kommt dem Schutz anderer Rechte besondere Bedeutung zu, weil es hier nicht um die Verbreitung von „Ideen“ gehe, sondern um Bilder, die sehr persönliche und intime Informationen über eine Person beinhalteten.
Auch der EGMR sieht das entscheidende Kriterium darin, welches Interesse bei einer umfassenden Abwägung der widerstreitenden Interessen der Vorzug einzuräumen sei. Dabei gehe es auch um die Frage, inwieweit die Fotos einen Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse leisteten. In der Regel wird das bei privaten Bildern aus dem Alltag einer Person nicht der Fall sein, weshalb dann in der Konsequenz dem aPR der Vorzug gebühre. Denn dieses Recht solle die Selbstentfaltung des Menschen gewährleisten.
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siehe auch: Caroline von Monaco I und Herrenreiter-Fall
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