Beendigung des Arbeitsverhältnisses

verhaltensbedingte Kündigung, personenbedingte Kündigung, betriebsbedingte Kündigung, Änderungskündigung, Arbeitsverhältnis, Aufhebungsvertrag

Datum
Rechtsgebiet Arbeitsrecht
Ø Lesezeit 19 Minuten
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A. Einleitung

Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Hierzu sind verschiedenen Konstellationen denkbar: Anfechtung, Kündigung, Aufhebungsvertrag, Ablauf einer Befristung, Erklärung des Arbeitnehmers nach § 12 KSchG, Eintritt einer Bedingung sowie Tod des Arbeitnehmers/Arbeitgebers. Im Folgenden soll insbesondere auf die ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen ihrer häufigen Examensrelevanz eingegangen werden.

Jura Individuell-Tipp: Alle Entscheidungen des BAG sind unter www.bundesarbeitsgericht.de frei und kostenlos abrufbar.

B. Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung

Die klassische Möglichkeit ein Arbeitsverhältnis zu beenden ist die Kündigung (das Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis wird durch Kündigung beendet, siehe § 313 III S. 2 BGB). Das Kündigungsrecht steht beiden Parteien zu.

1. Allgemeines

Allgemein gesetzlich geregelt ist die Kündigung in §§ 620 ff BGB. Im BGB wird grob zwischen der ordentlichen und außerordentlichen („fristlose Kündigung aus wichtigen Grund“, vgl. § 626 BGB) Kündigung unterschieden. Näheres über die Wirksamkeit oder Zulässigkeit eines Kündigungsgrundes ist dort nicht zu finden; hier ist das KSchG mit heranzuziehen. Zu beachten ist, dass das Kündigungsschutzgesetz nicht generell auf alle Arbeitsverhältnisse anwendbar ist, vgl. § 1 I, 23 I S. 2, 3 KSchG. Findet das KSchG keine Anwendung, ist eine Kündigung nur wirksam, wenn sie sozial gerechtfertigt (§§ 138, 242 BGB) ist. Dementsprechend sind bei einer Kündigung allgemeine Unwirksamkeitsgründe zu beachten. Diese können sein: Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot gem. § 134 BGB, ein solches kann beispielsweise nach dem Mutterschutzgesetz bestehen (vgl. insbesondere Kündigungsverbot nach § 17 MuSchG); Verstöße gegen Grundrechte (vgl. insbesondere Art. 3, 6 GG) oder Treu und Glauben (vgl. § 242 BGB) sowie Sittenwidrigkeit (vgl. § 138 BGB). Weiterhin können Kündigungsbeschränkungen nach dem Arbeitsvertrag oder durch Tarifvertrag bestehen.

2.Die ordentliche Kündigung

a. Kündigungserklärung: Schriftform und Zugang

Eine Kündigung als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung muss grundsätzlich schriftlich ausgesprochen werden (vgl. § 623, 126 I BGB), zudem muss der Kündigende die erforderliche Vertretungsmacht – Kündigungsberechtigung – besitzen (vgl. §§ 180, 174). Wird die Vollmachtsurkunde bei der Kündigung nicht vorgelegt und die Kündigung zurückgewiesen, ist sie nach § 174 S. 1 BGB unwirksam. Die Kündigungserklärung muss eindeutig bestimmt sein. In ihr muss der Wille zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit sofortiger Wirkung oder nach Ablauf einer Frist klar zum Ausdruck kommen. Allerdings ist nicht erforderlich, dass die Kündigungsgründe im Schreiben enthalten sind. Auf Verlangen sind sie jedoch unverzüglich gem. § 626 II S. 3 BGB mitzuteilen (nach h.M. gilt § 626 II S. 3 BGB auch bei der ordentlichen Kündigung). Erforderlich ist der Zugang der Kündigungserklärung, § 130 BGB. Ein solcher ist regelmäßig spätestens dann zu bejahen, wenn die Erklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass unter gewöhnlichen Umständen mit einer Kenntnisnahme gerechnet werden kann (Machtbereichstheorie). Insbesondere sind Fälle der Zugangsvereitelung denkbar, hier gelten die allgemeinen Regelungen. Eine erklärte Kündigung kann aufgrund ihrer rechtsgestaltenden Wirkung nicht mehr zurückgenommen werden. In der Alltagspraxis kommt es dennoch häufig vor, dass eine ausgesprochene Kündigung „zurückgenommen“ wird. Rechtlich deutet man dies in ein Angebot zur Vertragsfortsetzung um.

b. Anhörung des Betriebsrates, § 102 BetrVG

Bei dem Betriebsrat handelt es sich um eine Arbeitnehmervertretung mit dem Zweck, den Arbeitnehmern in einem Betrieb nach den Regelungen des BetrVG ein Mitbestimmungsrecht zu gewähren (kollektive Arbeitnehmerinteressenvertretung). Es besteht jedoch keine Pflicht einen Betriebsrat zu gründen. Besteht ein solcher, müssen jedoch die Regelungen des BetrVG beachtet werden. Gemäß § 102 I BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören und daher als Prüfungspunkt in die Klausur einzubauen. Angaben hierzu findet man im Sachverhalt. Eine ohne Anhörung des Betriebsrates ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Wichtig ist, dass die Anhörung in jedem Fall vor der Kündigung erfolgen muss. Widerspricht der Betriebsrat der ordentlichen Kündigung form- und fristgerecht in den Fällen des § 102 III BetrVG bedeutet dies jedoch nicht, dass die Kündigung unwirksam ist, sondern der gekündigte Arbeitnehmer nach § 102 V BetrVG einen Weiterbeschäftigungsanspruch bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung durch das Arbeitsgericht hat.

c. Besonderer Kündigungsschutz

Für bestimmte Personengruppen besteht ein besonderer Kündigungsschutz. Hierzu zählen u.a. Schwangere und junge Mütter und Väter in Elternzeit (§ 17 MuSchG, § 18 BEEG), Schwerbehinderte oder gleichgestellt behinderte Menschen (§§ 168, 174 SGB IX) oder Betriebsräte (§ 103 BetrVG).

d. Kündigungsfrist nach dem BGB

Egal, ob das KSchG zur Anwendung kommt oder nicht, muss bei einer ordentlichen Kündigung die Frist entsprechend § 622 BGB eingehalten werden (gestaffelt nach Dauer des Arbeitsverhältnisses).

e. Schutz nach dem KSchG (soziale Rechtfertigung)

aa. Anwendbarkeit

Bei den meisten Arbeitsverhältnissen gilt das KSchG, wonach zu prüfen ist, ob eine Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Als erstes sollte demnach geprüft werden, ob der Anwendungsbereich des KSchG eröffnet ist.

1) Sachlich

Das KSchG gilt nicht bei Betrieben, bei denen in der Regel fünf bzw. zehn (nach 31.12.2003) oder weniger Arbeiter beschäftigt sind, § 23 I S. 2, 3 KSchG (Kleinbetriebsklausel). Auszubildende werden dabei nicht, Teilzeitbeschäftigte prozentual mitgezählt, § 23 I S. 2, 3, 4 KSchG.

2) Persönlich

Der persönliche Anwendungsbereich ist nach § 1 I KSchG eröffnet, wenn das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als 6 Monate bestanden hat. Bezüglich des persönlichen Anwendungsbereiches trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast, vgl. BAG, 20.06.2013 – 2 AZR 790/11*. Greift das KSchG nicht, gelten allein die oben dargestellten allgemeinen Kündigungsschutzgründe.

bb. Grundlagen nach dem KSchG

Folgende Punkte sollten bei der Bearbeitung eines Sachverhaltes aus dem Arbeitsrecht als Grundlagen stets im Hinterkopf sein und bei einer Argumentation mit herangezogen werden:

  • Ultima-Ratio-Prinzip: Eine Kündigung ist stets das letzte Mittel; Abmahnung oder Versetzung haben Vorrang. (Verhältnismäßigkeitsprüfung).
  • Jede Kündigung ist eine Einzelfallentscheidung mit entsprechender Interessenabwägung. (Kündigungsinteresses gegen Bestandsinteresse). Gesetzlich normierte Fallgruppen bestehen nicht.
  • Beurteilungszeitpunkt: Maßgeblich für die Beurteilung der Sozialwidrigkeit sind grundsätzlich die objektiven Umstände im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung.
  • Angegeben werden muss der Grund: personenbedingt, verhaltensbedingt, betriebsbedingt.
  • Die Beweislast trägt grundsätzlich der Arbeitgeber, § 1 II S. 4 KSchG.
cc. 3-Wochen-Frist, § 4 S. 1 KSchG

Zu beachten ist, dass der Arbeitnehmer, der gegen eine Kündigung vorgehen möchte innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage beim Arbeitsgericht (Feststellungsklage, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist) erheben. Andernfalls ist er präkludiert. Fristauslösendes Ereignis ist der Zugang des Kündigungsschreibens. Die Fristberechnung ergibt sich aus den allgemeinen Regelungen des BGB, vgl. §§ 187 ff. BGB.

Gem. § 5 KSchG kann eine Klage jedoch auf Antrag auch noch verspätet zugelassen werden, wenn der Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage rechtzeitig zu erheben. Grundsätzlich ist bei der Zulassung einer verspäteten Klage ein strenger Maßstab anzulegen, bei dem auf die individuelle, subjektive Sorgfalt des gekündigten Arbeitnehmers abgestellt wird. Nach dem BAG gehört es zu der Sorgfaltspflicht eines Arbeitnehmers, sich nach Erhalt einer Kündigung unverzüglich darum zu kümmern, ob und wie er sich dagegen rechtlich wehren kann, vgl. BAG, 22.3.2012, 2 AZR 224/11*.

Der Arbeitgeber ist aber nicht verpflichtet in der Kündigung ausdrücklich auf die 3-Wochen-Frist des § 4 KSchG hinzuweisen, vgl. BAG, 26.8.1993, 2 AZR 276/93*.

Jura Individuell-Tipp: Beachte im Prüfschema: Die Klagefrist in der Kündigungsschutzklage ist keine Zulässigkeits-, sondern eine Begründetheitsvoraussetzung.

dd. Kündigungsgründe

Eine Kündigung ist sozial gerechtfertigt und damit wirksam, wenn einer der in § 1 II S. 1 KSchG normierten Rechtfertigungsgründe vorliegt. Insoweit unterscheidet man zunächst zwischen personenbedingten, verhaltensbedingten und betriebsbedingten Kündigungsgründen. Kommt man zu dem Ergebnis, dass ein solcher Grund vorliegt, ist in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob die Kündigung trotz Vorliegens eines der o.g. Kündigungsgründe sozial gerechtfertigt ist. Ist dies der Fall, ist die Kündigung wirksam.

Jura Individuell-Tipp: Es empfiehlt sich in der Klausur sauber und strukturiert herauszuarbeiten unter welche der drei genannten Alternativen der im Sachverhalt genannte Kündigungsgrund fällt und die verschiedenen Kündigungsgründe voneinander abzugrenzen.

1) Verhaltensbedingte Kündigung

Ein Verhaltensbedingter Kündigungsgrund liegt bei einem steuerbaren Verhalten, d.h. vom Willen des Arbeitnehmers beeinflussbarem Verhalten, vor. Nach dem BAG erfolgt die Prüfung einer verhaltensbedingten Kündigung in zwei Stufen:

a) 1. Stufe: Eignung als Kündigungsgrund und Verhältnismäßigkeit

In der ersten Stufe wird geprüft, ob das Verhalten des Arbeitgebers an sich geeignet ist eine Kündigung zu veranlassen. Grundsätzlich kann ein Verhalten des Arbeitnehmers das gegen eine arbeitsvertragliche Pflicht verstößt (es kommen sowohl Pflichtverletzungen von Haupt- als auch Nebenleistungspflichten in Betracht) Grund für eine Kündigung sein, dabei ist auf eine objektive Sicht und nicht die subjektive Einschätzung des Arbeitgebers abzustellen. Typische Beispiele sind: Unberechtigtes und unentschuldigtes Fehlen am Arbeitsplatz (BAG 26.08. 1993, 2 AZR 154/93) eigenmächtiger Urlaubsantritt (BAG, 20.01.1994, NZA 1994, 548), Beleidigungen von Kollegen (BAG, 21.01.1999, 2 AZR 665/98), private, ausschweifende Nutzung des Internets während der Arbeitszeit (BAG, 07.07.2005, 2 AZR 581/04), wiederholtes Zuspätkommen (BAG, 13.03.1987, 7 AZR 601/85*). Weiterhin muss geprüft werden, ob eine Kündigung als ultima-ratio-Mittel verhältnismäßig ist oder ein milderes Mittel, wie z.B. Abmahnung, Versetzung oder Änderungskündigung (Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen) in Betracht kommt. Voraussetzung ist eine Negativprognose, bei welcher mit einer Störung des Arbeitsverhältnisses in der Zukunft zu rechnen ist. Dies ist oftmals dann der Fall, wenn sich nach vorheriger Abmahnung das Fehlverhalten des Arbeitnehmers weiter fortsetzt.

b) 2. Stufe: Interessensabwägung

In der zweiten Stufe wird eine umfassende Prüfung am Einzelfall in Form einer Interessensabwägung vorgenommen. Es wird das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers mit dem Beendigungsinteresse des Arbeitgebers abgewogen. Erst in dieser Stufe werden auf Arbeitgeberseite der Betriebsablauf und der Betriebsfrieden mit als Abwägungsgründe herangezogen. Kriterien auf Arbeitnehmerseite sind unter anderem die Dauer der Betriebszugehörigkeit, Alter, bestehende Unterhaltsverpflichtungen, Wiederholungsgefahr, Häufigkeit der Vorkommnisse und der – beim BAG oft wichtigstes Abgrenzungskriterium – Grad des Verschuldens. Eine Kündigung ist nach Ansicht des BAG grundsätzlich dann gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer schuldhaft seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt hat. Unter bestimmten Umständen kann jedoch auch ein schuldloses Verhalten des Arbeitnehmers den Arbeitgeber zu einer verhaltensbedingten Kündigung berechtigen, wenn es dem Arbeitgeber unzumutbar ist, das Vertragsverhältnis z.B. aus Gründen des Betriebsfriedens aufrecht zu erhalten (BAG , 03.08.1961, 2 AZR 117/60*).

2) Personenbedingte Kündigung

Personenbedingte Gründe sind – im Gegensatz zu den verhaltensbedingten Gründen – meist für den Arbeitnehmer nicht steuerbar. Eine Abgrenzung zur verhaltensbedingten Kündigung kann gerade bei der Frage zur Notwendigkeit einer Abmahnung wichtig sein, denn eine personenbezogene Kündigung erfordert grundsätzlich keine vorherige Abmahnung. Diese würde bei einem nicht steuerbaren Verhalten ja gerade keinen Sinn machen. Ebenso wie bei der verhaltensbezogenen Kündigung wird bei der personenbezogenen Kündigung in Stufen und diese in Kündigungsgrund, Verhältnismäßigkeit und Interessensabwägung unterteilt (3-Stufen-Prüfung). Ein typisches Beispiel für die personenbedingte Kündigung ist Krankheit des Arbeitnehmers. Hierbei ist zwischen häufigen Kurzerkrankungen, krankheitsbedingter Leistungsminderung, Langzeiterkrankungen und Dauererkrankungen zu differenzieren. Bezüglich der krankheitsbedingten Kündigung sind dabei strenge Maßstäbe anzulegen. Insbesondere ist wiederum darauf zu achten, ob die Kündigung gerade das mildeste Mittel darstellt. Nach dem BAG wird die krankheitsbedingte Kündigung in drei Stufen geprüft (BAG, 08.11.2001, 2 AZR 292/06*):

1.) 1. Stufe: Negative Gesundheitsprognose

In der ersten Stufe ist eine sog. negative Gesundheitsprognose vorzunehmen. Dies bedeutet, es müssen objektive Anzeichen gegeben sein, die vermuten lassen, dass es in Zukunft zu weiteren, gleichartigen Erkrankungen kommen kann. Indizien hierfür können häufige Kurzerkrankungen und damit verbundene Fehlzeiten sein. Im Falle einer Alkoholkrankheit können folgende Kriterien für eine negative Gesundheitsprognose herangezogen werden: Ablehnung, Abbruch einer Therapie oder Rückfälligwerden. Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung ist dabei stets der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. Das heißt, dass bei einem nachfolgenden Kündigungschutzverfahren nur Krankheiten bis Zugang der Kündigung berücksichtigt werden. Zum Zugangszeitpunkt muss ein „Schnitt“ gemacht werden, ganz egal, wie sich die Krankheit in der Folgezeit entwickelt hat.

2.) 2. Stufe: Erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen

In der zweiten Stufe prüft man, ob zum Zeitpunkt der Kündigung weitere betriebliche Beeinträchtigungen in erheblichem Umfang zu besorgen sind. Diese können sich in Betriebsablaufstörungen (beispielsweise Stillstand von Maschinen, Rückgang der Produktion, Überbelastung der anderen Mitarbeiter) oder wirtschaftlichen Belastungen (beispielsweise Schaden durch Fehlzeiten, Aufwendungen für Ersatzarbeiter, außergewöhnlich hohe Lohnfortzahlungskosten) niederschlagen. Bei einer langdauernden Erkrankung des Arbeitsnehmers ist es diesbezüglich ausreichend, wenn festgestellt wird, dass der Arbeitnehmer auf Dauer arbeitsunfähig bleibt, bzw. seine Genesung völlig ungewiss ist.

3.) 3. Stufe: Einzelfallbezogene Interessenabwägung

In der dritten Stufe wird darauf abgestellt, ob es dem Arbeitgeber zugemutet werden kann, das Arbeitsverhältnis im Einzelfall fortzuführen. Herangezogen werden können folgende Kriterien: Wie lange bestand das Arbeitsverhältnis ohne Beeinträchtigungen; Alter, Familienstand und bestehende Unterhaltsverpflichtungen des Arbeitnehmers; aber auch, ob die Erkrankung betrieblich bedingt. Auch hier darf die Kündigung nur „ultima-ratio“ sein.

Ein weiteres Beispiel für eine personenbedingte Kündigung stellt die mangelnde Eignung des Arbeitnehmers für die vertraglich vereinbarte Tätigkeit sein (Verlust der Fahrerlaubnis beim Berufsfahrer; Verlust der Arbeitserlaubnis, BAG, 07.02.1990, 2 AZR 359/89; Exmatrikulation bei studentischer Hilfskraft, BAG 18.09.2008, 2 AZR 976/06; Inhaftierung infolge einer privat begangenen Straftat, BAG 22.09.1994, 2 AZR 719/93*).

3) Betriebsbedingt

Im Gegensatz zu den verhaltens- oder personenbedingten Kündigungsgründen stammen betriebsbedingte Gründe aus der Sphäre des Arbeitgebers. Beispiele hierfür sind Rationalisierungsmaßnahmen, Auftragsmangel, Umsatzverluste, Einstellung der Produktion etc. Nach den BAG wird eine betriebsbedingte Kündigung in zwei Stufen geprüft:

1. 1. Stufe: Dringende und unvermeidbare Kündigung im Interesse des Betriebs

In der ersten Stufe wird geprüft, ob betriebsbedingte Gründe zu einer Entscheidung des Betriebs geführt haben, aufgrund derer der betroffene Arbeitsplatz wegfällt und deshalb eine Kündigung unvermeidbar war. Abgestellt werden muss diesbezüglich auf Kriterien wie die mögliche Versetzung auf einen freien, gleichwertige Arbeitsplatz oder eine Änderungskündigung.

„Dringend“ und „unvermeidbar“ bedeutet, dass ein notwendiges, betriebliches Erfordernis besteht, welches die Kündigung im Interesse des Betriebes unumgänglich macht. Dabei muss jedoch beachtete werden: Die unternehmerische Entscheidung für den Abbau von Arbeitsplätzen kann an sich nicht auf Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit überprüft werden. Dies würde einen Eingriff in die unternehmenspolitische Freiheit des Arbeitgebers darstellen. Lediglich der Anlass (beispielsweise „Out-Sourcing“, Auftragsmangel)  ist vom Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, in seiner Unternehmensentscheidung ist er aber frei. Die Grenzen stellen jedoch Unsachlichkeit oder Willkür dar. Die Unternehmensentscheidung muss im Einzelfall daher abgewogen, zudem muss sichergestellt werden, dass das KSchG nicht ausgehöhlt wird.

2. 2. Stufe: Sozialauswahl bzgl. betroffenem Arbeitnehmer

Kommt man zu dem Ergebnis, dass eine betriebsbedingte Kündigung unvermeidbar gewesen ist, muss in einer dritten Stufe im Rahmen der Sozialauswahl geprüft werden, ob gerade die Kündigung des betroffenen Arbeitnehmers zulässig war. Dabei muss darauf geachtet werden, dass derjenige Arbeitnehmer gekündigt wird, der nach sozialen Gesichtspunkten am wenigsten unter dem Verlust des Arbeitsplatzes zu leiden hat. Kriterien hierfür sind Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltsverpflichtungen, Arbeitsmarktchancen etc.

4) Druckkündigung

Einen Sonderfall stellt die sog. „Druckkündigung“ dar, bei der von anderen Arbeitnehmern Druck auf den Arbeitgeber ausgeübt wird, einen bestimmten Arbeitnehmer zu kündigen. Auch hier gilt das „ultima-ratio-Prinzip“ und es sind besonders strenge Maßstäbe anzuwenden. Bei einer Interessensabwägung muss die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers für den einzelnen Arbeinehmer besonders beachtet werden. Jura Individuell-Hinweis: Prüfschema ordentliche Kündigung

3. Die außerordentliche Kündigung

Gem. § 626 I BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Voraussetzung ist, dass Tatsachen vorliegen auf Grund derer ein Abwarten des Ablaufs der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

a. Kündigungserklärung

Die Kündigungserklärung muss schriftlich erfolgen. Weiterhin ist der Zugang (§ 130 BGB) erforderlich, siehe hierzu Ausführungen 2.a.

b. Anhörung des Betriebsrates, § 102 BetrVG

Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören, siehe hierzu Ausführungen 2.b.

Eine Besonderheit ergibt sich für den Fall einer Verdachtskündigung: Eine solche liegt dann vor, wenn der Arbeitgeber den Verdacht hat, dass der Arbeitnehmer eine strafbare Handlung oder schwerwiegende Pflichtverletzung begangen haben könnte und deshalb kündigt. Bei einer solchen Kündigung gehört es zu der für den Arbeitgeber zumutbaren Aufklärungspflicht, dem verdächtigen Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, vgl. BAG, 27.03.1991 , 2 AZR 418/90*.

c. Der besondere Kündigungsschutz

Auch bei der außerordentlichen Kündigung haben bestimmte Personengruppen einen besonderen Kündigungsschutz. Hierzu zählen u.a. Schwangere und junge Mütter und Väter in Elternzeit (§ 17 MuSchG, § 18 BEEG), Schwerbehinderte oder gleichgestellt behinderte Menschen (§§ 168, 174 SGB IX) oder Betriebsräte (§ 103 BetrVG).

d. Der wichtige Grund, § 626 I BGB

Die außerordentliche Kündigung bedarf eines wichtigen Grundes. Der wichtige Grund ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Nach dem Gesetz ist ein wichtiger Grund gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragspartner die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der (ordentlichen) Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Wie bei allen unbestimmten Rechtsbegriffen ist demnach eine Auslegung und Abwägung im Einzelfall erforderlich, denn „absolute Kündigungsgründe“ gibt es nicht.

Jura Individuell-Tipp: Bei einer außerordentlichen Kündigung wird gerade nicht wie bei der ordentlichen Kündigung die soziale Rechtfertigung einer Kündigung geprüft (häufiger Klausurfehler), sondern der „wichtige Grund“.

Nach dem BAG wird der „wichtige Grund“ in zwei Stufen geprüft, BAG, 27.04.2006, 2 AZR 415/05).

1.) 1. Stufe: Verhalten als „Kündigungsgrund an sich“

In der ersten Stufe wird geprüft, ob der vorliegende Sachverhalt generell geeignet ist einen Kündigungsgrund darzustellen. Dies ist in der Regel bei rechtswidrigem und schuldhaften Fehlverhalten des Arbeitnehmers anzunehmen, bei besonders groben Pflichtverletzungen ist auch schuldloses Verhalten ausreichend, vgl. BAG, 08.06.2000, 2 AZR 638/99*. Es ist also bei beispielsweise einem Diebstahl durch den Arbeitnehmer in dieser Stufe nicht darauf abzustellen, welchen Wert der gestohlene Gegenstand hat (das in Stufe 2 Interessensabwägung), sondern darauf, dass ein Diebstahl an sich geeignet ist, einen Kündigungsgrund darzustellen.

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2.) 2. Stufe: Interessensabwägung, Unzumutbarkeit

In der zweiten Stufe wird dann eine umfassende, einzelfallbezogene Interessensabwägung vorgenommen, bei welcher das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers mit dem Beendigungsinteresse des Arbeitgebers abgewogen wird. Wieder muss die Kündigung „ultima-ratio“ sein (Vorrang von Abmahnung und Änderungskündigung). Sie muss das letzte Mittel darstellen, ein milderes darf nicht in Betracht kommen. Beim obigen Beispiel ist zu beachten, dass bei einer Interessensabwägung im Einzelfall auch ein Diebstahl einer geringwertigen Sache einen erheblichen Vertrauensbruch darstellen und eine Kündigung aus wichtigem Grund bei einer besonders groben Pflichtverletzung rechtfertigen kann. Meist liegen bei der außerordentlichen Kündigung Gründe vor, die sich auf das Verhalten einer Person beziehen (typische Beispiele für verhaltensbezogene Gründe sind neben Diebstahl die Begehung von Straftaten an sich, Vortäuschen von Krankheit, gefälschte Zeugnisse etc.). Es kommen aber auch personenbezogene Gründe in Betracht (z.B. Entzug der Fahrerlaubnis nach Alkoholfahrt bei Berufsfahrer).

e. Kündigungserklärungsfrist, § 626 II BGB

Gem. § 626 II BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen (Ablauffrist). Fristbeginn ist diesbezüglich der Zeitpunkt, an dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Nach Ablauf dieser Frist ist eine außerordentliche Kündigung automatisch unwirksam.

f. Klagefrist, § 13 KschG

Will der Gekündigte gegen die außerordentliche Kündigung vorgehen, so ist wiederum die Klagefrist der §§ 13, 4, 7 KSchG einzuhalten.

g. Umdeutung in eine ordentliche Kündigung, § 140 BGB

Gem. § 140 BGB kann eine unwirksame außerordentliche Kündigung in eine wirksame ordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt umgedeutet werden. Erforderlich ist, dass alle Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung vorliegen und dass die Umdeutung dem hypothetischen Beendigungswillen des Arbeitgebers entspricht. Dies muss für den Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung erkennbar sein.

Jura Individuell-Tipp: In der Assessorklausur sollte im Anwaltsschriftsatz neben einer außerordentlichen Kündigung hilfsweise immer noch eine ordentliche Kündigung beantragt werden.

f. Kein Ausschluss der außerordentlichen Kündigung

Im Gegensatz zur ordentlichen Kündigung ist ein Ausschluss der außerordentlichen Kündigung nicht möglich.

Jura Individuell-Hinweis: Prüfschema außerordentliche Kündigung

C. Änderungskündigung

Anstatt das Arbeitsverhältnis ganz zu beenden, besteht die Möglichkeit eine sog. Änderungskündigung auszusprechen, vgl. § 2 KSchG, die bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet ist, jedoch zeitgleich ein Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Konditionen besteht. Die Änderungskündigung ist eine echte Kündigung, bei welcher die Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG erforderlich ist. Nimmt der Arbeitnehmer das Angebot an, so wird das Arbeitsverhältnis mit den geänderten Bedingungen fortgesetzt, ansonsten endet das Arbeitsverhältnis. Das Angebot kann unter dem Vorbehalt angenommen werden, dass die Änderung nicht sozial ungerechtfertigt ist, § 2 S. 1 KSchG. Dies bedeutet, dass die Vertragsänderung endgültig zustande kommt, sobald durch eine deshalb erhobene Kündigungsschutzklage festgestellt wird, dass die Änderung sozial gerechtfertigt ist. Kommt das Gericht zu einer anderen Entscheidung, so ist die Änderungskündigung unwirksam: Der Arbeitgeber behält folglich entweder seinen Arbeitsvertrag zu den neuen oder zu den alten Konditionen. Nach dem BAG gelten die gleichen Grundsätze zur Prüfung der Sozialwidrigkeit wie bereits oben bei der Beendigungs-kündigung ausgeführt. Nimmt der Arbeitnehmer die Änderung nicht an, so wandelt sich die Änderungskündigung automatisch in eine normale Kündigung um. Will sich der Gekündigte dagegen wehren, muss er gem. § 4 S. 1 KSchG dagegen klagen.

D. Aufhebungsvertrag

Bei einem Aufhebungsvertrag handelt es sich um einen einverständlichen Vertrag, der darauf abzielt, das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Es gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Der Aufhebungsvertrag bedarf gem. § 623 BGB der Schriftform.

 E. Befristung und Bedingung von Arbeitsverträgen

§ 620 BGB ermöglicht die Befristung von Arbeitsverhältnissen. Das bedeutet, dass das Vertragsverhältnis mit Zeitablauf beendet ist, ohne dass eine Kündigung ausgesprochen werden muss. Näheres regelt hierzu das TzBfG. Bei einer auflösenden Bedingung eines Arbeitsverhältnisses i.S.d. § 158 II BGB wird der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses an den Eintritt eines zukünftigen, ungewissen Ereignisses geknüpft. Das BAG fordert dabei, dass die Vereinbarung über die Bedingung ausdrücklich und unmissverständlich sein muss, vgl. BAG, 08.08.2007, 7 AZR 605/06*.

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