Der Arbeitsvertrag
Der Arbeitsvertrag, Entstehung Arbeitsverhältnis, arbeitsrechtliche Besonderheiten, Vertragsabschluss, AGB-Kontrolle, Rechtsfolgen.
Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Entstehung eines Arbeitsverhältnisses. Dabei wird insbesondere auf das Wesen eines solchen Vertrags und arbeitsrechtliche Besonderheiten beim Vertragsschluss eingegangen. Besonders examens- oder klausurrelevant sind natürlich auch im Arbeitsrecht Konstellationen, in denen nicht alles „glatt läuft“. Aus diesem Grund widmet sich der Artikel abschließend dem sog. „fehlerhaften Arbeitsvertrag“ und dessen Rechtsfolgen.
A. Begründung eines Arbeitsverhältnisses
Ein Arbeitsverhältnis entsteht grundsätzlich mit Abschluss eines Arbeitsvertrages. Der tatsächliche Arbeitsbeginn des Arbeitsnehmers ist für das Zustandekommen des Vertragsverhältnisses hingegen nicht ausschlaggebend. Hintergrund hierfür ist, dass mit Vertragsschluss gleichzeitig der Anspruch des Arbeitsnehmers auf Entgeltzahlung entsteht. Würde dieses erst mit Arbeitsantritt geschehen, bestünde die Gefahr, dass der Arbeitgeber den Anspruch durch Verzögerung des tatsächlichen Arbeitsbeginns vereitelt.
1. Rechtliche Einordnung des Arbeitsvertrags
Die Rechtsnatur eines Arbeitsvertrages ist ein gegenseitiger schuldrechtlicher Vertrag, der das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien (Arbeitnehmer und Arbeitgeber) begründet. Dabei stellt das Arbeitsverhältnis ein Dauerschuldverhältnis dar, welches im Wesentlichen die weisungsgebundene Tätigkeit gegen Entgelt beinhaltet, vgl. § 611a BGB.
Es gilt grundsätzlich der Grundsatz der Vertragsautonomie, d.h. jede Vertragspartei darf frei darüber entscheiden, ob, mit wem und zu welchen Bedingungen sie das Arbeitsverhältnis eingehen möchte, vgl. Art. 12 I, 2 I GG. Der Grundsatz der Vertragsautonomie gilt jedoch nicht uneingeschränkt: Es bestehen diesbezüglich diverse arbeitsrechtliche Abschlussgebote und Abschlussverbote. Beispiele für ein Abschlussgebot stellen unter anderem § 154 I S. 1 SGB IX (die Verpflichtung zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen unter bestimmten Voraussetzungen) oder § 7 I AGG (die Unzulässigkeit der geschlechtsspezifischen Benachteiligung) dar. Abschlussverbote findet man vor allem im Bereich des Jugendschutzes, vgl. § 22 ff. JArbSchG (z.B. Beschäftigungsbeschränkungen oder Beschäftigungsverbote für jugendliche Arbeitnehmer).
2. Vertragsschluss
Da ein Arbeitsvertrag ein ganz normaler Vertrag ist, sind die Regeln des allgemeinen Teils des BGB anwendbar: Ein Arbeitsvertrag kommt ganz gewöhnlich durch Angebot und Annahme zustande, vgl. §§ 145 ff. BGB:
Für den wirksamen Vertragsschluss ist also das Einigsein über das Zustandekommen des Vertrags zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erforderlich. Für das Arbeitsrecht heißt das konkret, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer darüber konform sein müssen, dass der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber entgeltlich tätig wird.
Hingegen besteht hinsichtlich des tatsächlichen Einsatzortes, der Arbeitszeit und der konkreten Ausgestaltung der Arbeitstätigkeit ein sog. Direktionsrecht des Arbeitsgebers: Der Arbeitgeber kann bezüglich dieser Aspekte nach billigem Ermessen frei entscheiden (vgl. § 611a BGB). Dabei hat der Arbeitgeber jedoch gesetzliche oder kollektivrechtliche Vorschriften (z.B. Regelungen eines Tarifvertrages) zu beachten.
3. Besonderheiten
Besonderes Augenmerk sollte in diesem Zusammenhang außerdem auf die §§ 104 ff. BGB sowie § 113 BGB geworfen werden. Gemäß § 113 BGB gilt nämlich ein Minderjähriger, der von seinem gesetzlichen Vertreter ermächtigt worden ist ein Arbeitsverhältnis einzugehen, im Bezug auf dieses Arbeitsverhältnis als voll geschäftsfähig. Das heißt er kann sämtliche Rechtsgeschäfte, die in Zusammenhang mit seiner Arbeit stehen selbständig tätigen, ohne hierfür die Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters zu benötigen. In der Praxis bedeutet dies, dass der Minderjährige zum Beispiel die Konditionen seines Arbeitsvertrages selbst aushandeln oder benötigte Arbeitsmittel eigenmächtig erwerben darf. Eine Ausnahme hierzu stellen jedoch Berufsausbildungsverträge dar: Diese fallen nicht unter § 113 BGB, da bei ihnen der Ausbildungszweck überwiegt, vgl. Ellenberger in Palandt § 113 Rn. 2.
4. Form
Bezüglich des Abschlusses von Arbeitsverträgen sieht das Gesetz generell keine bestimmte Form vor und so kann ein Arbeitsvertrag problemlos auch mündlich geschlossen werden, vgl. § 105 GewO. In Tarifverträgen ist jedoch häufig die Schriftform vorgeschrieben, vgl. §§ 127, 126 BGB.
Jura Individuell-Tipp: Die das Arbeitsverhältnis betreffenden Regelungen des Tarifvertrages sind nach § 1 TVG Rechtsnormen und damit Gesetz i.S.d. BGB, InsO, ZPO usw., vgl. § 613a I 2 BGB. Daher ist bei der Schriftform eines Arbeitsvertrages, welcher einem Tarifvertrag unterliegt, § 126 BGB anwendbar.
5. AGB-Kontrolle
Gemäß § 311 I BGB und § 611 II BGB können die Parteien den Inhalt des Arbeitsvertrages selbst bestimmen. Allerdings werden diesbezüglich zum einen durch kollektivrechtliche und zum anderen durch einfachgesetzliche Regelungen Grenzen gesetzt. Dies erfolgt insbesondere durch die §§ 305 ff. BGB im Rahmen einer AGB-Kontrolle, welche seit der Schuldrechtsmodernisierung auch auf Arbeitsverträge anwendbar ist, vgl. § 310 IV 2 BGB. Darüber hinaus hat das BAG Arbeitsverträge als Verbraucherverträge konkretisiert und die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB somit eindeutig klargestellt (vgl. BAG, Urteil 25.05.2005, 5 AZR 572/04*).
Die §§ 305 ff. BGB sind – bis auf § 305 II, III BGB – folglich auf Arbeitsverträge anwendbar, wobei stets die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen sind, vgl. § 310 IV S. 2 BGB.
Eine besonders wichtige Norm ist in diesem Zusammenhang § 310 III Nr. 2 BGB, wonach eine solche Kontrolle auch bereits dann möglich ist, wenn die vorformulierte Vertragsbedingung nur zur einmaligen Verwendung bestimmt war. Für „normale“ AGBs besteht hingegen die Voraussetzung, dass die vorformulierten Bedingungen für eine Vielzahl von Verträgen anwendbar sein sollen.
Jura Individuell-Hinweis: Gemäß Art. 229, § 5 S. 2 EGBGB ist eine AGB-Prüfung auch für Arbeitsverhältnisse anwendbar, die vor der Schuldrechtsmodernisierung zum 01. Januar 2002 eingegangen worden sind!
Eine Ausnahme stellen jedoch Tarifverträge sowie Betriebs- und Dienstvereinbarungen dar: Gemäß § 310 IV S. 1 BGB unterliegen diese keiner AGB-Kontrolle. Dies gilt auch für Klauseln in Arbeitsverträgen, die sich auf Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen beziehen, vgl. § 310 IV S. 3 i.V.m. § 307 III S. 1 BGB. Man geht davon aus, dass diese Regelungen bereits einem angemessenen Interessensausgleich beider Vertragsteile Rechnung tragen, da sie im Rahmen der Tarifgespräche zwischen Arbeitsgebern und Arbeitnehmern ausgehandelt wurden. Eine AGB-Kontrolle ist folglich diesbezüglich nicht mehr von Nöten.
Jura Individuell-Tipp: Die AGB-Prüfung spielt gerade auch in arbeitsrechtlichen Examensklausuren oft eine tragende Rolle und sollte daher nicht vernachlässigt werden. Es empfiehlt sich daher, die Grundstruktur einer AGB-Prüfung noch einmal zu wiederholen, sollten hier noch Probleme bestehen. Ein Prüfschema, welches sich mit der Inhaltskontrolle eines Arbeitsvertrags befasst, findet sich hier: Prüfschema AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht.
B. Der fehlerhafte Arbeitsvertrag
Da wie oben bereits angesprochen auf den Arbeitsvertrag die allgemeinen Vorschriften des BGB anwendbar sind, kann ein Arbeitsvertrag demnach auch anfechtbar oder nichtig sein. Was die entsprechende Rechtsfolge angeht, so ergeben sich für das Arbeitsrecht jedoch einige Besonderheiten.
a. Mängel
Es gelten im Arbeitsrecht die allgemeinen Anfechtungsgründe der §§ 119, 120, 123 BGB. Darüber hinaus kann ein Arbeitsvertrag nach § 138 I BGB sittenwidrig sein oder nach § 134 BGB gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen.
b. Rechtsfolge
Wird ein Vertrag angefochten oder ergeben sich Nichtigkeitsgründe, so wird er grundsätzlich als von Anfang an (ex tunc) nichtig betrachtet, vgl. §§ 134, 138, 142 I BGB, und die bereits erbrachten Leistungen werden über das Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) ausgeglichen.
Bei einem Dauerschuldverhältnis wie dem Arbeitsverhältnis, das bereits in Vollzug gesetzt wurde, würden sich bei dieser Rechtsfolge allerdings jede Menge Rückabwicklungsprobleme ergeben. Zum Beispiel kann das Arbeitsverhältnis bereits über einen sehr langen Zeitraum bestehen, sodass eine bereicherungsrechtliche Abwicklung nur sehr schwer durchgeführt werden kann.
Nach der Rechtsprechung werden die Regelungen des BGB deshalb entsprechend modifiziert, um so den Besonderheiten des Arbeitsrechts gerecht zu werden. Das BAG stellte deshalb schon vor langer Zeit klar, dass grundsätzlich alle Vorschriften des allgemeinen Teils des BGBs auch für das Arbeitsverhältnis gelten, soweit sie mit dem Wesen und dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses unvereinbar sind, sind sie jedoch unanwendbar, vgl. BAG, 5.12.1957 l AZR 594/56*.
Bezüglich der Rechtsfolge ergibt sich deshalb für das Arbeitsrecht, dass danach unterschieden werden muss, ob der Arbeitsverhältnis bereits in Vollzug (d.h. die Arbeit wurde tatsächlich ausgeübt) gesetzt worden ist oder nicht:
Klausurtechnik
Eine Anleitung zur erfolgreichen Lösung juristischer Klausuren
In Jura ist die Frage, wo man etwas in der Klausur anbringt, mindestens so wichtig wie die abgefragten Rechtskenntnisse. Dieses Buch ist eine Anleitung, wie du juristische Klausuren erfolgreich löst.
Bei Amazon kaufenaa. Vollzug
Wurde das Arbeitsverhältnis noch nicht in Vollzug gesetzt, so gilt der Vertrag als von Anfang an nichtig, da mangels Leistungsaustausch von Arbeitsleitung und Vergütung noch keine Rückabwicklung erforderlich ist.
bb. Kein Vollzug
Wurde es hingegen bereits in Vollzug gesetzt, so entsteht ein fehlerhaftes/faktisches Arbeitsverhältnis. Dieses wird für die Vergangenheit wie ein wirksames Arbeitsverhältnis behandelt. Die Anfechtung entfaltet in diesen Fällen folglich nur eine ex-nunc-Wirkung.
Das fehlerhafte Arbeitsverhältnis verleiht nach der h.M. folglich quasi vertragliche Ansprüche, d.h. der eigentlich nichtige Vertrag wird so behandelt, als wäre er fehlerfrei zustande gekommen. Bereicherungsrechtliche Ansprüche zur Rückabwicklung sind allein deshalb nicht gegeben, da das fehlerhafte Arbeitsverhältnis als Rechtsgrund im Sinne von § 812 I BGB gilt.
Eine Ausnahme besteht allerdings bei Vorliegen eines besonders schweren Mangels. In diesen Fällen wird ganz normal über das Bereicherungsrecht abgewickelt. Beispiele hierfür sind, wenn ein Kapitalverbrechen als Arbeitsleistung vereinbart wird oder der Arzt ohne Approbation (vgl. hierzu BAG, 03.11.04, 5 AZR 592/03*) tätig wird.
c. Nichtigkeit einzelner Vertragsbedingungen
Ist nicht der komplette Arbeitsvertrag nichtig, sondern nur eine einzelne Vertragsbedingung, so bleibt der Rest wirksam. § 139 BGB kommt im Arbeitsrecht nur eine eingeschränkte Geltung zu.
*Jura Individuell-Tipp: Alle zitierten Urteile des BAG sind unter www.bundesarbeitsgericht.de frei abrufbar!
All unsere Beiträge werden von Hand geschrieben und von einer Richterin regelmäßig überprüft. Wir setzen keine künstliche Intelligenz bei der Erstellung unserer Inhalte ein, da wir nur so die gewohnt hohe Qualität gewährleisten können.
Benötigst du Hilfe? In unserem Einzelunterricht gehen wir auf all deine Fragen ein und bereiten dich effektiv auf anstehende Prüfungen vor. Schreib uns bei WhatsApp und erfahre mehr.