Der Kaufmann im Handelsrecht, §§ 1 ff. HGB

Wer ist Kaufmann im Sinne des Handelsgesetzbuchs? Vorstellung der unterschiedlichen Kaufmannsbegriffe vom Istkaufmann über den Kannkaufmann zum Formkaufmann

Datum
Rechtsgebiet Handelsrecht
Ø Lesezeit 7 Minuten
Foto: Taylor Grote/Unsplash.com

Die Kaufmannseigenschaft spielt immer dann eine Rolle, wenn es um handelsrechtliche Regelungen geht. Denn nur wenige Vorschriften des HGB finden für Nichtkaufleute Anwendung. Aus diesem Grund ist die Frage, ob jemand Kaufmann ist, gewissermaßen das Einfallstor in das Handelsrecht. An dieser Stelle existiert allerdings kein einheitlicher Begriff des Kaufmanns. Man unterscheidet sechs verschiedene Kaufmannsarten, welche im Folgenden dargestellt werden sollen.

I. Istkaufmann nach § 1 HGB

Der Istkaufmann ist in § 1 I HGB geregelt. Danach ist Kaufmann, wer ein Handelsgewerbe betreibt. Der Begriff des Handelsgewerbes ist in § 1 II HGB definiert. Hiernach ist ein Handelsgewerbe erst einmal jeder Gewerbebetrieb. Ein Gewerbe liegt dann vor, wenn folgende Merkmale zutreffen.

Anforderungen an ein Gewerbe

1. Auf Dauer angelegt

Die Tätigkeit muss auf Dauer angelegt sein. Sie muss regelmäßig mit einer entsprechenden Absicht wiederholt ausgeführt werden und muss eine gewisse Planmäßigkeit besitzen. Dies ist beispielsweise auch bei saisonabhängigen Tätigkeiten der Fall. Ausgeschlossen sind dagegen gelegentliche oder gar einmalige Tätigkeiten.

2. Erlaubt

War vormals die Wirksamkeit abgeschlossener Geschäfte noch Voraussetzung für ein Gewerbe, so stehen zwischenzeitlich nach h.M. einzelne gesetzeswidrige Geschäfte der Annahme eines Gewerbes nicht mehr entgegen. Begründet wird dies u.a. mit § 7 HGB. Ferner bedürfe es gerade in solchen Fällen einer Überwachung der Unternehmen, wofür eine Unterwerfung eben jener unter die kaufmännischen Grundpflichten von Vorteil sei. Voraussetzung ist jedoch, dass die Ausrichtung des Gewerbes insgesamt gesetzeskonform ist. Hieran fehlt es beispielsweise bei einem Drogenhandel, der nicht in das Handelsregister einzutragen, sondern vielmehr zu untersagen wäre.

3. Gewinnerzielungsabsicht

Die ausgeübte Tätigkeit muss auf die Erzielung eines Gewinns ausgelegt sein. Das bedeutet, dass die Absicht bestehen muss, durch die Geschäfte regelmäßig einen Überschuss zu erwirtschaften und nicht lediglich die Kosten zu decken. In diesem Zusammenhang kommt es auf das subjektive Gewinnstreben an und nicht auf die tatsächliche Erwirtschaftung eines Gewinns. Ziel ist es an dieser Stelle ebenfalls Bagatellsachen auszuschließen.

4. Außenwirkung durch anbietende Tätigkeit am Markt

Die Tätigkeit und die Absicht, ein Gewerbe zu betreiben, müssen nach außen gerichtet sein, sodass Dritte sie ohne Weiteres erkennen können. Es müssen somit also Waren oder Dienstleistungen am Markt angeboten werden.

5. Selbständigkeit

Die Tätigkeit muss im Rahmen einer Selbständigkeit ausgeführt werden. Dies ist dann der Fall, wenn sowohl Tätigkeit als auch Arbeitszeit frei gestaltet werden können. Des Weiteren muss der Selbständige Rechnungen auf eigenen Namen ausstellen und das unternehmerische Risiko selbst tragen. Zudem ist er in Abgrenzung zum Arbeitnehmer gerade nicht weisungsgebunden.

6. Freie Berufe

Nicht von der gewerblichen Tätigkeit umfasst sind die freien Berufe, auch wenn sie im Rahmen einer Selbständigkeit ausgeübt werden. Freie Berufe werden in § 18 I Nr. 1 S. 2 EStG beispielhaft und damit nicht abschließend aufgezählt. Zu den freien Berufen gehören unter anderem Ärzte, Rechtsanwälte, Ingenieure, Architekten, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder Journalisten.

Die gesetzliche Vermutung des § 1 II HGB

Die gesetzliche Vermutung, dass jeder Gewerbebetrieb zugleich auch ein Handelsgewerbe darstellt, ist allerdings widerlegbar, vgl. § 1 II HGB. So liegt ein Handelsgewerbe dann nicht vor, wenn der Betrieb nach Art und Umfang einen kaufmännischen Geschäftsbetrieb nicht erfordert. Dies lässt sich anhand typischer Merkmale bestimmen. Kriterien sind hier beispielsweise, ob eine kaufmännische Buchführung erfolgt, eine Bilanz erstellt wird, Belege und Korrespondenzen regelmäßig aufbewahrt werden oder Inventuren stattfinden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass immer das Gesamtbild entscheidet und nicht das Fehlen einzelner Merkmale.

 

II. Kannkaufmann nach § 2 HGB

Ist ein Gewerbebetrieb kein Handelsgewerbe nach § 1 II HGB, so besteht die Möglichkeit, die Firma in das Handelsregister eintragen zu lassen. Wenn von dieser Wahlmöglichkeit Gebrauch gemacht wird, findet das HGB uneingeschränkt Anwendung. Durch diese Regelung können also auch Kleingewerbetreibende die Kaufmannseigenschaft durch Eintragung herbeiführen. Die Eintragung hat damit also eine konstitutive (rechtsbegründende) Wirkung. Nach h.M. ist Voraussetzung eine freiwillige Eintragung mit materiell rechtsgestaltender Willenserklärung.

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III. Kannkaufmann nach § 3 HGB

Nach § 3 I HGB sind Betriebe der Land- und Forstwirtschaft keine Kaufleute, denn § 1 HGB ist auf diese nicht anwendbar. Allerdings besteht gem. § 3 II HGB auch hier die Möglichkeit, dass sich diese Unternehmen freiwillig in das Handelsregister eintragen lassen. Voraussetzung ist, dass es sich um einen in kaufmännischer Art und Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb handelt. Auch in diesem Fall hat die Eintragung konstitutive Wirkung, da durch diese die Kaufmannseigenschaft herbeigeführt wird.

IV. Fiktivkaufmann bzw. Kaufmann kraft Eintragung nach § 5 HGB

Der Gewerbetreibende, dessen Firma im Handelsregister eingetragen ist, wird als Kaufmann behandelt. Dies gilt unabhängig davon, ob er tatsächlich zur Eintragung verpflichtet oder berechtigt war. Durch die Eintragung entsteht eine gewisse Fiktion, aufgrund derer sich der Gewerbetreibende als Kaufmann behandeln lassen muss. § 5 HGB ist kein Rechtsscheintatbestand, denn sein Zweck ist nicht der Schutz gutgläubiger Dritter, sondern Rechtssicherheit und Vertrauensschutz. Aus diesem Grund gelten eingetragene Gewerbetreibende unwiderlegbar als Kaufleute, auch wenn sie der Definition nach eigentlich gar keine sind und teilweise auch nicht dazu berechtigt sind, sich in das Handelsregister einzutragen. Damit hat auch hier die Eintragung konstitutive Wirkung.

Fraglich ist an dieser Stelle natürlich, ob § 5 HGB im Hinblick auf § 2 HGB überhaupt einen eigenen Anwendungsbereich besitzt. Nach einer Ansicht fallen unter § 5 HGB hauptsächlich die Fälle, in denen der Geschäftsbetrieb des Istkaufmanns nach § 1 HGB zum Kleingewerbe herabsinkt und dieser die Eintragung nicht löschen lässt. Dies wird damit begründet, dass § 2 HGB eine freiwillige Eintragung mit materiell rechtsgestaltender Willenserklärung voraussetzt, an welcher es im genannten Fall gerade fehlt. Eine andere Meinung setzt für § 2 HGB keine Willenserklärung voraus. Hiergegen spricht allerdings, dass § 5 HGB in diesem Falle nahezu keinen eigenen Anwendungsbereich hätte, was vom Gesetzgeber so kaum gewollt sein dürfte.

V. Kaufmann kraft Rechtsschein – Scheinkaufmann

Wenn jemand lediglich durch sein Verhalten den Anschein erweckt, ein Kaufmann zu sein, muss er sich auch als solcher behandeln lassen, selbst wenn er im Grunde gar kein Kaufmann ist und auch nicht im Handelsregister eingetragen ist. Das bedeutet, dass er auch gegenüber einem Dritten wie ein Kaufmann haften muss. Der Scheinkaufmann ist gesetzlich nicht geregelt. Er ergibt sich aus der Lehre vom Rechtsschein, die wiederum auf den Grundsätzen von Treu und Glauben nach § 242 BGB beruht. Durch eine analoge Anwendung von § 5 HGB i.V.m. § 242 BGB wird der Scheinkaufmann als Kaufmann angesehen. Damit sind die Vorschriften des HGB anwendbar.

VI. Kaufmann kraft Rechtsform bzw. Formkaufmann nach § 6 HGB

Nach § 6 I HGB sind die für Kaufleute geltenden Vorschriften auch für Handelsgesellschaften anwendbar. Sie sind damit Kaufleute nur kraft ihrer Rechtsform unabhängig von Art und Umfang der Tätigkeit. Des Weiteren ist in § 6 II HGB geregelt, dass ein Verein per se Kaufmann kraft Gesetzes (Formkaufmann) ist, auch wenn er die Voraussetzungen des § 1 II HGB nicht aufweist. Während die offene Handelsgesellschaft (OHG) und die Kommanditgesellschaft (KG) grundsätzlich zu den Handelsgesellschaften zählen, sind bestimmte juristische Personen laut Gesetz Handelsgesellschaften. Besonders relevant sind hier die Aktiengesellschaft nach § 3 I AktG und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach § 13 III GmbHG. Generell ist auch bei Handelsgesellschaften immer zu prüfen, ob entweder ein Handelsgewerbe nach § 1 HGB oder eine Eintragung im Handelsregister nach § 2 HGB vorliegt. Sowohl bei Personengesellschaften (Ausnahme: GbR) als auch bei juristischen Personen ist die Eintragung jedoch ohnehin notwendig, da die Gesellschaft sonst nicht zustande kommt. Die Eintragung ist somit konstitutiv für die Entstehung der Gesellschaft.

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