Die Stellvertretung gem. §§ 164 ff. BGB
Klausurprobleme rund um das Thema Stellvertretung gem. § 164 ff. BGB. Darstellung und Vertiefung der einzelnen Prüfungspunkte mit Beispielen.
Die Grundlagen der Stellvertretung gem. § 164 ff. BGB sollten vom Studenten schon für den kleinen BGB-Schein, spätestens jedoch für den großen BGB-Schein beherrscht werden. Auch findet die Stellvertretung regelmäßig Einzug in Klausuren des ersten und zweiten Staatsexamens. In der Klausur kann meistens wie folgt in die Stellvertretung eingeleitet werden:
Eine Willenserklärung des A (=Vertretener) liegt nicht vor. Jedoch könnte die Willenserklärung des V (=möglicher Vertreter) gem. § 164 I S.1 BGB unmittelbar für und gegen den A wirken. Hierzu müsste V eine eigene Willenserklärung im fremden Namen abgegeben haben, die innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht liegt.
Nun beginnt die Prüfung der Stellvertretung.
I. Aufbau
- Zulässigkeit der Stellvertretung
- eigene Willenserklärung des Vertreters
- im fremden Namen (Offenkundigkeitsprinzip!)
- innerhalb der Vertretungsmacht
- a. Vollmacht erteilt
- aa. gesetzliche Vollmacht
- bb. rechtsgeschäftliche Vollmacht
- b. Vollmacht nicht nichtig
- c. Vollmacht nicht erloschen
- d. Umfang der Vollmacht
- Rechtsscheinvollmachten überprüfen, sofern eine klassische Vollmacht nicht vorliegt
- Einschränkung der Vertretungsmacht
Sollte ein Streit in der Prüfung auftreten und mangelt es an Argumenten, so ist immer an den Grundsatz des Schutzes des Vertretenen zu denken.
II. Vertiefung der Prüfungspunkte aus I.
1. Zulässigkeit
Die Stellvertretung ist nicht zulässig bei höchstpersönlichen Rechtsgeschäften. Hierunter fällt in Deutschland z.B. die Eheschließung gem. § 1311 BGB (sog. Handschuhehe, sofern Stellvertretung vorliegt) und die Testamentserrichtung gem. § 2064 BGB. Ferner ist die Stellvertretung auch nicht bei Realakten anwendbar, da nur die Vertretung durch eine Willenserklärung möglich ist und niemals die Vertretung der Übergabe. Für Realakte gelten die sachenrechtlichen Institute (z.B. Besitzdienerschaft gem. § 855 BGB, Besitzmittler gem. § 868 BGB und die sog. „Geheißperson“).
Zu beachten ist auch die speziellere Vorschrift des § 1357 BGB (sog. Schlüsselgewalt unter Ehegatten). Hierbei handelt es sich nach h.M. um eine Rechtsmacht sui generis und nicht um eine Vertretungsnorm. Somit ist diese Vorschrift bei Geschäften des täglichen Lebens unter Ehegatten vorrangig zu prüfen.
2. eigene Willenserklärung des Vertreters
Hier muss die Stellvertretung von der Botenschaft abgegrenzt werden, da bei der Botenschaft lediglich eine fremde Willenserklärung übermittelt wird. Vertreter ist, wer einen eigenen Willen bilden kann und einen Entscheidungsspielraum besitzt. Bote ist, wer lediglich den Willen des Geschäftsherrn übermittelt und keinen Entscheidungsspielraum hat. Sofern ein Vermittlungsgeschäft vorliegen sollte, ist zu beachten, dass der Vermittler zwar am Zustandekommen des Geschäfts beteiligt ist, aber keine Willenserklärung abgibt.
3. im fremden Namen
In der Klausur stets anzusprechen ist das Offenkundigkeitsprinzip. Dieses Prinzip schützt den Erklärungsempfänger (=Dritten), da der Vertreter offen legen muss, für wen er seine Willenserklärung abgibt. Dadurch hat der Dritte die Entscheidungsmöglichkeit, ob er mit dem Vertretenen ein Geschäft abschließen möchte oder nicht. Dies ist wichtig, da z.B. eine Insolvenz des Vertretenen drohen könnte und durch die Offenlegung die Gefahr eines Vertragsabschlusses durch den Dritten eingeschätzt werden kann. Der Vertretene muss nicht ausdrücklich genannt werden. Ausreichend ist gem. § 164 I S. 2 BGB auch, dass sich dieser aus den Umständen ergibt. Sollte der Vertreter im Namen eines anderen handeln und dieses nicht zum Ausdruck bringen, so liegt grds. ein Eigengeschäft des Vertreters vor.
§ 164 II BGB
Auch zu beachten ist die etwas schwer verständliche Vorschrift des § 164 II BGB. Diese besagt, dass sich der Vertreter nicht auf einen Irrtum in seiner (Stellvertretungs-)Willenserklärung berufen kann. Hat der Vertreter fälschlicherweise erklärt, dass er im eigenen Namen handelt, obwohl er erklären wollte, dass er im fremden Namen agiert (= Erklärungsirrtum gem. § 119 I 2. Alt BGB), so kann sich der Vertreter nicht auf § 119 I 2. Alt BGB berufen.
Jedoch gibt es auch Ausnahmen vom Offenkundigkeitsprinzip. Liegen diese vor, so ist der Prüfungspunkt „im fremden Namen“ erfüllt.
Geschäft, für den, den es angeht
Hier ist zum einen das „Geschäft für den, den es angeht“ zu nennen. Hierunter fallen alle Bargeschäfte des täglichen Lebens, die sofort bewirkt werden können. Zu rechtfertigen ist diese Ausnahme mit der geringen Schutzbedürftigkeit des Dritten in diesem Fall, da es für den Dritten meist um ein Bagatellgeschäft geht und dieses Geschäft schon durch Barzahlung erfüllt wurde. Somit besteht kein Interesse daran, mit wem der Vertrag geschlossen wird.
Offenes Geschäft, für den, den es angeht
Zum anderen ist das „offene Geschäft für den, den es angeht“ zu nennen. Hierbei erklärt der Vertreter, dass er für einen anderen eine Willenserklärung abgibt, jedoch den Vertretenen geheim hält. In diesem Fall kann der Dritte selbst entscheiden, ob er das Risiko eingeht, mit einem Unbekannten zu kontrahieren. Er beschränkt somit seine Schutzbedürftigkeit aus eigenen Stücken.
Handeln unter fremdem bzw. falschem Namen
Kein Handeln im fremden Namen liegt beim Handeln „unter fremdem Namen“ vor (Identitätstäuschung) sowie beim Handeln „unter falschem Namen“ (Namenstäuschung).
Beim Handeln „unter fremdem Namen“ ersetzt der Handelnde seinen Namen durch einen fremden, um sich wahrheitswidrig für diese Person auszugeben. Dies tut er, um nicht die Pflichten des Rechtsgeschäfts tragen zu müssen.
Beispiel:
Der zahlungsunwürdige A geht in das Hotel X und gibt sich als berühmter Schauspieler B aus, um ein Zimmer zu buchen. Hierbei verfolgt er die Absicht, dass B seine spätere Rechnung bezahlen muss.
In dieser Konstellation ist zu beachten, dass zum einen der Dritte geschützt werden muss. Zum anderen darf aber auch den mutmaßlich Vertretenen keine Pflicht treffen. Dies wird durch die Anwendung des § 179 BGB analog (nach h.M. analog, da der Identitätstäuschende gar kein Vertreter ist) gegenüber dem Täuschenden sichergestellt.
Beim Handeln „unter falschem Namen“ ersetzt der Handelnde seinen Namen zwar auch durch einen anderen, hat aber in Abgrenzung zum Handeln „unter fremdem Namen“ den Willen, die Pflicht des Rechtsgeschäfts selbst zu tragen.
Beispiel:
Der berühmte Schauspieler B will nicht erkannt werden. Daher bucht er im Hotel X ein Zimmer unter dem Allerweltsnamen John Doe, um seinen Aufenthalt genießen zu können. Beim Auschecken begleicht er seine Rechnung über den Namen John Doe.
In diesem Fall liegt keine Stellvertretung des B vor, sondern nur ein Eigengeschäft.
4. Innerhalb der Vertretungsmacht
Die Vertretungsmacht kann sich zum einen unmittelbar aus dem Gesetz ergeben (siehe sogleich unter a. aa.), zum anderen aus einem Rechtsgeschäft (sogleich unter a. bb.).
a. aa. Die gesetzliche Vollmacht
Für Klausuren wichtige gesetzliche Vertretungsnormen sind folgende §§:
- 26 BGB – Vertretungsrecht des Vorstands für den Verein
- 1626, 1629 BGB – Vertretungsrecht der Eltern für ihre Kinder
- 1793 BGB – Vertretungsrecht des Vormundes für das Kind
- 1902 BGB – Vertretungsrecht des Betreuers für Geschäftsunfähige
- 714 BGB – Vertretungsrecht der Gesellschafter für die GbR
- 35 GmbHG – Vertretungsrecht des Geschäftsführers für die GmbH
- 78 AktG – Vertretungsrecht des Vorstandes für die AG
- 125(, 161 II) HGB – Vertretungsrecht des Geschäftsführers für die OHG (KG)
a. bb. Die rechtsgeschäftliche Vollmacht
Bei einer Vertretungsmacht durch Rechtsgeschäft spricht das Gesetz von einer Vollmacht gem. § 166 II BGB. Diese Vollmacht wird durch empfangsbedürftige, grds. formfreie Willenserklärung gem. § 167 BGB erteilt. Sie ist ein einseitiges Rechtsgeschäft. Die Vollmacht kann sowohl ausdrücklich als auch konkludent erklärt werden. Eine stillschweigende Bevollmächtigung bzw. eine konkludente Vollmacht liegt meist dann vor, wenn Aufgaben übertragen wurden und die Vollmacht zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben notwendig ist. Die Vollmacht kann erteilt werden durch:
- Innenvollmacht gem. § 167 I 1. Alt BGB. Hier erfolgt die Erklärung über die Vollmacht gegenüber dem Vertreter.
- Außenvollmacht gem. § 167 I 2. Alt BGB. Hier erfolgt die Erklärung über die Vollmacht gegenüber dem Dritten.
- öffentliche Bekanntmachung. Hier erfolgt die Erklärung über die Vollmacht gem. §§ 171, 172 BGB gegenüber einem unbestimmten Personenkreis.
Die Erteilung der Vollmacht ist grds. formfrei gem. § 167 II BGB. Jedoch kann es gesetzlich angeordnet sein, dass die Erteilung der Vollmacht an eine Form gebunden ist. Hier ist zum einen die Prokura gem. § 48 HGB zu nennen, die eine ausdrückliche Erklärung vorsieht. Auch kann sich aus dem Schutzzweck der Formvorschrift ergeben, dass auch die Vollmachtserteilung derselben Form bedarf, da ansonsten der Schutz entfallen könnte. Die drei relevantesten Fälle für die Klausur sind folgende:
- § 311 b I BGB: Diese Formvorschrift beinhaltet eine Warnfunktion, die auch gewahrt werden muss, sofern der Grundstückseigentümer seinem Vertreter eine unwiderrufliche Vollmacht zum Verkauf des Grundstücks erteilt (BGH NJW 1979, S. 2306).
- § 766 BGB: Auch hier würde die Warn- und Hinweisfunktion des § 766 BGB im Rahmen der Bürgschaft entfallen, sofern eine Stellvertretung formfrei erteilt werden könnte (BGH WM 1996, S. 764).
- § 492 I, II BGB: Der Schutz des Verbrauchers soll nicht umgangen werden können.
b. Vollmacht nicht nichtig
Die Vollmacht darf auch nicht nichtig sein. Hierzu könnte es z.B. durch eine Anfechtung der Vollmachtserklärung gem. § 142 BGB gekommen sein. Zu beachten ist hierbei, dass die Anfechtung einer Außenvollmacht nach herrschender Meinung stets möglich ist, da der Dritte über § 122 BGB geschützt ist. Problematisch ist allerdings die Anfechtung einer Innenvollmacht, sofern der Vertreter davon Gebrauch gemacht hat. In diesem Fall trägt der Vertreter nun das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Vertretenen bzw. des Geschäftsherrn (Siehe 5. auf der Skizze).
Die Last des Vertreters wird als unbillig angesehen, sodass eine Korrektur in diesen Fällen erfolgt (rot eingezeichnet). Die angefochtene Innenvollmacht wird zur angefochtenen Außenvollmacht, sodass der Dritte einen direkten Anspruch gegenüber dem Geschäftsherrn aus § 122 BGB hat. Ferner soll der Anspruch gem. § 179 BGB gegenüber dem Vertreter entfallen, um diesen hinreichend zu schützen.
c. Vollmacht nicht erloschen
Regelmäßig erlischt die Vollmacht mit Beendigung des Grundverhältnisses zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter.
Beispiel:
Der Geschäftsherr hat V beauftragt ein Buch zu ersteigern. Nachdem V das Buch in der Auktion ersteigert hat, erlischt seine Vollmacht automatisch.
Jedoch kann das Grundverhältnis auch schon vorher gem. § 168 S. 2 BGB durch Widerruf der Vollmacht erlöschen. Handelt der ehemalige Vertreter trotz erloschener Vollmacht, so haftet er gem. § 179 BGB als Vertreter ohne Vertretungsmacht und das Rechtsgeschäft wirkt grds. nicht für und gegen den Vertretenen. Von diesem Grundsatz macht das Gesetz in den §§ 170 – 173 BGB eine Ausnahme. § 173 BGB schützt den Dritten in seinem guten Glauben an das Fortbestehen einer einmal wirksam erteilten Vollmacht. Hierbei werden folgende Fälle geregelt:
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Es wurde eine Außenvollmacht erteilt, die nur im Innenverhältnis (also zwischen Vertreter und Vertretenem) widerrufen wurde. In dieser Konstellation ist der Dritte gem. §§ 170, 173 BGB gutgläubig, da er nichts von dem Widerruf im Innenverhältnis wissen konnte. Somit würde die Willenserklärung des vermeintlichen Vertreters dem Vertretenen zugerechnet. Dies kann der Vertretene nur verhindern, indem er dem Dritten das Erlöschen der Vollmacht anzeigt oder gleich die Vollmacht des Vertreters beim Dritten widerruft.
Bevollmächtigung durch öffentliche Bekanntmachung
Es wurde eine Vollmacht durch öffentliche Bekanntmachung erteilt, die wiederum nur im Innenverhältnis widerrufen wurde. Auch hier ist der Dritte gem. §§ 171 I, 173 BGB gutgläubig und muss in seinem Vertrauen auf das Bestehen der Vollmacht geschützt werden. Die Gutgläubigkeit wird erst zerstört, sofern der Vertretene durch eine öffentliche Kundgebung die Vertretungsmacht gem. § 171 II BGB widerruft oder dem Dritten den sofortigen Entzug der Vollmacht mitteilt.
Vollmachtsurkunde
Wurde die Vollmacht auf einer Urkunde manifestiert, so ist der Dritte grds. gem. §§ 172 I, 173 BGB solange gutgläubig bzgl. der Vollmacht wie die Vollmachtsurkunde im Geschäftsverkehr eingesetzt wird. Nur durch die Rückgabe der Urkunde gem. § 172 II BGB oder durch Kraftloserklärung gem. §§ 172 II, 176 BGB kann der Vertretene die Vollmacht aufheben. Die Anspruchsgrundlage für die Rückgabe der Urkunde ist in § 175 BGB normiert.
d. Umfang der Vollmacht
Der Umfang der Vertretungsmacht ist gem. §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln. Es ist festzustellen, ob es sich um eine Spezial-, Gattungs-, General-, Einzel- oder um eine Gesamtvollmacht handelt. Ferner kann die Vollmacht auch eine Befugnis enthalten, die es dem Hauptbevollmächtigten erlaubt einen Unterbevollmächtigten zu bestellen.
Zu beachten gilt es allerdings, dass das Gesetz vereinzelt den Umfang der Vollmacht regelt. So erstreckt sich die Prokura auf alle Geschäfte bzgl. des Betriebes gem. § 49 I HGB. Lediglich eine Beschränkung für die Belastung von Grundstücken besteht gem. § 49 II HGB, da der Kernbestand des Unternehmens geschützt werden soll.
5. Die Rechtsscheinvollmachten
Sollte man in der Prüfung eine Vollmacht nicht bejahen können, so ist noch zu überprüfen, ob dem Vertretenen die Willenserklärung durch eine Rechtsscheinvollmacht zugerechnet werden kann. Als Rechtsscheinvollmachten gelten u.a. die Duldungsvollmacht und die Anscheinsvollmacht.
Bei der Duldungsvollmacht ist zu prüfen:
1. Vollmachtloser Vertreter tritt mehrfach als Vertreter auf.
2. Der Vertretene hat positive Kenntnis über die Handlung des vollmachtlosen Vertreters.
3. Geschäftsherr duldet das Tun des vollmachtlosen Vertreters.
4. Dritter ist gutgläubig; § 179 BGB analog.
Bei der Anscheinsvollmacht ist zu prüfen:
1. Vollmachtloser Vertreter tritt mehrfach als Vertreter auf.
2. Der Vertretene hat zumindest fahrlässige Unkenntnis.
3. Der Vertretene hat die Möglichkeit die Stellvertretung zu unterbinden.
4. Dritter ist gutgläubig; § 179 BGB analog.
Umstritten ist allerdings, ob die Anscheinsvollmacht überhaupt eine Rechtsscheinvollmacht ist.
TvA.:
Hier wird argumentiert, dass der Vertretene nicht den zurechenbaren Schein einer Willenserklärung setze. Ihn treffe nur ein Verschulden, da er die Handlung des vollmachtlosen Vertreters nicht unterbinde. Ein Verschulden könne aber niemals zu einer Willenserklärung fingiert werden, sondern lasse lediglich einen Schadensersatzanspruch entstehen. Die Rechtsfolge dieser Ansicht wäre, dass der Vertreter gem. § 179 BGB haftet und der Vertretene gem. §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB.
h.M.:
Gem. § 242 BGB wird ein Rechtsscheintatbestand erschaffen, der eine Zurechnung im Sinne einer Vollmachtserteilung rechtfertigt. Nach außen ruft das Verschulden des Vertretenen aus Sicht des Erklärungsempfängers (=Dritter) den Rechtsschein einer Vollmacht hervor. Ferner wird auch bei der Lehre vom potenziellen Erklärungsbewusstsein durch ein Verschulden eine Willenserklärung fingiert.
6. Einschränkung der Vertretungsmacht
§ 181 BGB
Eine Einschränkung der Vertretungsmacht kann gem. § 181 BGB vorliegen. Diese Vorschrift ist immer dann zu prüfen, sofern entweder der Vertreter mit sich im eigenen Namen einen Vertrag schließt oder als Vertreter eines Dritten. Die Vorschrift soll eine Interessenkollision vermeiden und führt zur schwebenden Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts (trotz des Wortlauts „kann nicht“). §§ 177 ff. BGB sind anwendbar.
Kollusion
Ferner ist das Rechtsgeschäft gem. § 138 BGB nichtig, sofern der Vertreter und der Dritte bewusst zusammenwirken, um den Vertretenen zu schädigen (sog. Kollusion).
Auch wird der Vertretene nicht verpflichtet, sofern der Dritte positive Kenntnis von den Beschränkungen im Innenverhältnis hat und weiß, dass der Vertreter diese Beschränkungen überschreitet (sog. Rechtsmissbrauch).
Zum gleichen Ergebnis gelangt man, sofern der Dritte zwar keine positive Kenntnis über die Beschränkung im Innenverhältnis hat, dies aber ohne eigene Nachforschungen hätte haben können (sog. Evidenz).
Ab dem Zeitpunkt, zu dem der Dritte Nachforschungen anstellen müsste, um von der Beschränkung im Innenverhältnis zu erfahren, wird die Willenserklärung des Vertreters dem Vertretenen zugerechnet. Eine Beschränkung erfolgt nicht.
III. Abgrenzung der §§ 164 ff. BGB zu § 185 BGB
Zur Verdeutlichung der Abgrenzung werden zwei Fälle genannt.
– Der Fall des § 185 BGB –
Bsp.: N veräußert den Mp3-Player seines Kollegen F im eigenen Namen an K. F findet das in Ordnung.
Damit das Eigentum des F auf den K übergeht, müssten die Voraussetzungen des § 929 I S. 1 BGB erfüllt sein.
A. Eigentumsverlust gem. § 929 I S. 1 BGB durch Übergabe der Sache von F an K?
I. Einigung
Die dingliche Einigung beinhaltet zwei übereinstimmende Willenserklärungen auf Übertragung des Eigentums. An dieser Stelle ist ein Stellvertretung nicht möglich, da N im eigenen und nicht im fremden Namen handelt. Sofern die Stellvertretung wie vorliegend nicht anwendbar ist, gibt es die Möglichkeit, dass der an sich über seine Sache verfügungsberechtigte Eigentümer (=F) einem Dritten (=N) Verfügungsmacht durch Rechtsgeschäft einräumt (=Ermächtigung). Dies hat zur Folge, dass der Dritte die für ihn fremde Sache im eigenen Namen veräußert und der Erwerber (=K) das Eigentum vom Berechtigten erwirbt, als hätte er mit dem Eigentümer selbst kontrahiert. Diese Ermächtigung findet ihre Grundlage in § 185 BGB. Sie kann entweder vorweg durch Einwilligung erteilt werden gem. § 185 I BGB oder nachträglich durch Genehmigung gem. § 185 II BGB.
[Der § 185 I BGB ersetzt vorliegend §§ 164 ff. BGB. § 185 BGB gilt in dieser Konstruktion nur für die dingliche Einigung und ist sowohl bei der Einigung als auch der Berechtigung anzusprechen (s.u.). Teile der Literatur wollen diese Konstruktion auf das Verpflichtungsgeschäft ausweiten (s.u.).]
[Wer diese Konstruktion wegen der Ähnlichkeit zur Verpflichtungsermächtigung für zu gewagt hält, kann die Einigung zwischen F und K ablehnen. Hier wäre dann zu argumentieren, dass zwischen F und K keine dingliche Einigung vorlag und bei Annahme einer Ermächtigung für das dingliche Rechtsgeschäft gem. § 185 I BGB das Offenkundigkeitsprinzip der Stellvertretung (die auch in der dinglichen Einigung Anwendung findet, sofern im fremden Namen gehandelt wird) umgangen wird (Gegenargument s.u.). In diesem Fall muss der Eigentumsverlust gem. § 929 I S. 1 BGB zwischen N und K direkt geprüft werden (s.u. unter B.). Hierbei ist § 185 I BGB nur noch in der Berechtigung anzusprechen.]
II. Übergabe
Vorliegend könnte N gem. § 855 BGB der Besitzdiener des F sein. Zumindest ist N aber Geheißperson und kann somit den Besitz der Sache an K übergeben.
III. Einigsein bei Übergabe
IV. Berechtigung
Sofern ein Fall des § 185 BGB vorliegt, ist der Veräußerer (N) immer Nichtberechtigter. Dies bleibt er auch. § 185 BGB bewirkt nur, dass die Verfügung des Nichtberechtigten (N) wirksam wird.
Beachte: Liegt § 185 BGB nicht vor, so ist noch der gutgläubige Erwerb zu prüfen.
Wer bei „I. Einigung“ nicht der oben genannten Meinung folgt, muss wie folgt weiterprüfen:
B. Eigentumsverlust gem. § 929 I S. 1 BGB durch Übergabe der Sache von N an K.
I. Einigung
Zwischen N und K lagen zwei Willenserklärung vor, die darauf gerichtet waren, das Eigentum an der Sache zu übertragen.
II. Übergabe
Die Übergabe erfolgt von N an K. Dabei ist N weder Besitzdiener noch Geheißperson, da er im eigenen Namen handeln und auch übergeben will.
III. Einigsein bei Übergabe
IV. Berechtigung
Sofern ein Fall des § 185 BGB vorliegt, ist der Veräußerer (N) immer Nichtberechtigter. Dies bleibt er auch. § 185 BGB bewirkt nur, dass die Verfügung des Nichtberechtigten (N) wirksam wird. Beachte: Liegt § 185 BGB nicht vor, so ist noch der gutgläubige Erwerb zu prüfen.
– Der Fall der § 164 ff. BGB –
Bsp.: N veräußert im Auftrag des Kollegen F dessen Mp3-Player an den K.
Damit das Eigentum des F auf den K übergeht, müssten die Voraussetzungen des § 929 I S. 1 BGB erfüllt sein.
A. Eigentumsverlust gem. § 929 I S. 1 BGB durch Übergabe der Sache von F an K?
I. Einigung
Die dingliche Einigung beinhaltet zwei übereinstimmende Willenserklärungen auf Übertragung des Eigentums. An dieser Stelle ist eine Stellvertretung möglich, da N im eigenen Namen handelt, eine Willenserklärung abgibt und im Rahmen seiner Vertretungsmacht agiert. Auch ist die Stellvertretung für die dingliche Einigung heranzuziehen, da es sich bei der Willenserklärung auf Eigentumsübergang eben auch um eine Willenserklärung handelt. § 185 BGB ist nicht anzusprechen.
II. Übergabe
Bei der Übergabe ist keine Stellvertretung möglich, da diese einen Realakt darstellt und keine Willenserklärung. Vorliegend könnte N gem. § 855 BGB der Besitzdiener des F sein. Zumindest ist N aber Geheißperson und kann somit den Besitz der Sache an K übergeben.
III. Einigsein bei Übergabe
IV. Berechtigung
Da N im Namen des F handelt, ist er berechtigt für den F zu verfügen. Da N Berechtigter ist und § 185 BGB nur für den Nichtberechtigten gilt, ist § 185 BGB nicht anzusprechen.
Fazit
Zusammenfassend findet § 185 BGB immer nur dann Anwendung, sofern der Dritte nicht berechtigt ist über den Gegenstand zu verfügen. Der Nichtberechtigte handelt dabei immer im eigenen Namen, der Vertreter immer im fremden Namen. Dies ist das wichtigste Unterscheidungskriterium. Ob er im eigenen oder fremden Namen handelt, ist gem §§ 133, 157 BGB zu bestimmen.
Wird der Veräußerer gem. § 185 BGB als ermächtigt angesehen über den Gegenstand des Eigentümers zu verfügen, so wirkt diese Verfügung natürlich direkt für und gegen den Eigentümer, der die Ermächtigung erteilt hat. (Anders jedoch, sofern man § 185 BGB für die dingliche Einigung ablehnt s.o.).
Dies hat einige Teile der Literatur dazu veranlasst, die Ermächtigung über Verfügungen gem. § 185 BGB analog auf Verpflichtungen auszuweiten. Diese Verpflichtungsermächtigung würde bedeuten, dass der ermächtigte Dritte durch Rechtsgeschäft im eigenen Namen den Ermächtigten verpflichten könnte. Dies verstößt jedoch massiv gegen den Grundsatz der Offenkundigkeit, der im Rahmen der Verpflichtungsgeschäfte einzuhalten ist, sodass diese Meinung (absolut herrschend) abgelehnt wird. Bei der dinglichen Einigung muss das Offenkundigkeitsprinzip nach § 185 BGB nicht gewahrt werden. Dies liegt an der geringen Schutzbedürftigkeit des Empfängers, da dieser sofort einen Gegenwert erhält.
IV. Anmerkung
Zu dem Thema dieses Artikels kann ein vertiefender Crashkurs gebucht werden.
Zur Übersicht aller aktuellen Aufsätze und Klausurfälle siehe unter „Artikel“.
siehe auch: „Klausur Forderungsabtretung„.
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