Pflichten Arbeitnehmer und Arbeitgeber
Zusammenstellung der sich aufgrund des Arbeitsvertrages ergebenden Haupt- und Nebenpflichten sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber.
A. Pflichten des Arbeitnehmers
I. Arbeitspflicht
1. Hauptleistungspflicht und Direktionsrecht
Die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers ist es Arbeit zu leisten. Dies ergibt sich aus § 611a BGB. Die Pflicht steht im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Vergütungspflicht des Arbeitgebers. Die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers wird durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers bestimmt. Das Direktionsrecht ist das Recht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer anzuweisen: Im Arbeitsvertrag sind die Leistungspflichten des Arbeitnehmers meist nur rahmenmäßig umschrieben. Der Arbeitgeber hat das Recht Zeit, Art und Ort der Arbeitsleistung zu bestimmen, soweit die Arbeitsbedingungen nicht festgelegt sind (siehe § 611a I 2 BGB und § 106 S. 1 GewO).
Grundsätzlich ist demnach die Reichweite des Direktionsrechts durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) des Arbeitsvertrages zu ermitteln. Eine Einschränkung kann sich aus dem Einzelarbeitsvertrag selbst, aber auch durch Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung ergeben. Das Direktionsrecht ist dabei subsidiär.
Ort: Durch Auslegung des Arbeitsvertrags aus den Umständen und seiner Natur (§ 269 BGB) zu ermitteln – Klausurproblem: Versetzung innerhalb eines Betriebes oder auch Betriebsverlegung.
Art: Durch Auslegung des Arbeitsvertrags zu ermitteln, ob die zugewiesene Tätigkeit vom Direktionsrecht mit umfasst ist. Es kann dabei eine bestimmte Tätigkeit vereinbart worden sein oder die Tätigkeit ist fachlich umschrieben. Dann muss ermittelt werden, ob dies vom Berufsbild umfasst ist. Bei einer unterwertigen Beschäftigung ist diese nicht mehr vom Direktionsrecht gedeckt, wenn das Arbeitsverhältnis im Kern betroffen ist.
Zeit: Hierunter fallen die wöchentliche oder monatliche Arbeitszeit, Beginn und Ende der Arbeitszeit und die Pausen. Zu beachten ist das ArbZG. Das Direktionsrecht darf nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden (§ 106 S. 1 GewO). Dies unterliegt der gerichtlichen Kontrolle. Eine Weisung ohne Zustimmung des Betriebsrates ist unzulässig (siehe §§ 87, 99 BetrVG).
Jura Individuell-Hinweis: Soll in der Klausur geprüft werden, ob ein Arbeitgeber einen Anspruch auf eine Arbeitsleistung hat, ist § 611a I HS. 1 BGB i.V. mit dem konkreten Arbeitsvertrag die richtige Anspruchsgrundlage. Das Direktionsrecht an sich ist keine Anspruchsgrundlage. Möchte der Arbeitnehmer gerichtlich gegen die Weisung vorgehen, wird deren Rechtmäßigkeit im Rahmen einer Feststellungsklage geprüft.
2. Persönliche Verpflichtung
Der Arbeitnehmer hat die Arbeitsleistung gem. § 613 BGB im Zweifel persönlich zu erbringen. Zwar kann vereinbart werden, dass auch ein Dritter herangezogen werden darf, aber „im Zweifel“ muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung höchstpersönlich erbringen.
Grundsätzlich darf er demnach nicht einfach einen Ersatzmann suchen, der für ihn die Arbeitsleistung erbringt. Im Umkehrschluss ist aber auch der Arbeitnehmer beispielsweise im Krankheitsfall nicht verpflichtet einen Ersatz für sich selbst zu besorgen.
II. Nebenpflichten
Zu den Nebenpflichten zählen grundsätzlich alle über die Hauptleistungspflicht (Pflicht zur Arbeit) hinausgehenden Pflichten. Der Arbeitnehmer hat über die Hauptleistungspflicht hinaus auf die Interessen des Arbeitgebers nach Treu und Glauben Rücksicht zu nehmen (§§ 241 II, 242 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag). Die einzelnen Nebenpflichten hängen vom jeweiligen Arbeitsvertrag und insbesondere von der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb ab.
Jura Individuell-Tipp: Die Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenleistungspflichten wird in der Klausur zum Beispiel bei einer Kündigung relevant. Ein Verstoß gegen die Hauptleistungspflicht wiegt in der Regel schwerer. Dies kann dann bei der Frage, ob eine grundsätzlich erforderliche vorherige Abmahnung im konkreten Fall entbehrlich sein kann, von Bedeutung sein.
Zu den Nebenpflichten können z. B. folgende Pflichten gehören: Pflicht zur Rücksichtnahme im Betrieb, zur Beachtung eines Wettbewerbsverbots, Pflichten im Zusammenhang mit Nebentätigkeiten (siehe hierzu z.B. § 2 I 1 HS 2 ArbZG und § 8 BUrlG), das Verbot, Schmiergelder anzunehmen (siehe hierzu § 299 StGB; der Arbeitnehmer muss Schmiergeld nach §§ 687 II, 681, 667 BGB herausgeben), die Pflicht, eine etwaige Arbeitsunfähigkeit anzeigen und nachzuweisen (siehe hierzu §§ 5 I 1 und 5 I 2 – 4 II EFZG), ruf- oder kreditschädigenden Mitteilungen zu unterlassen, Gefahren oder Schäden im Betrieb zu melden oder bestimmte Handlungen zu ergreifen (z.B. bei Schäden an Maschinen). Rechtfolgen bei Nebenpflichtverletzungen können sein: Bei Wiederholungsgefahr Klage durch den Arbeitgeber auf Unterlassung (§ 1004 I S. 2 BGB analog); dem Arbeitgeber kann ein Anspruch auf Schadensersatz erwachsen; bei schwerer Verletzung kann ein „wichtiger Grund“ für eine außerordentliche Kündigung i.S.des § 626 BGB bestehen; bei leichterer Verletzung kann eine Abmahnung erfolgen, die unmittelbare Kündigung ist hier nach § 1 II S. 1 KschG sozial ungerechtfertigt.
B. Pflichten des Arbeitgebers
I. Entgeltzahlungspflicht
Die Hauptpflicht des Arbeitgebers ist es nach § 611 I BGB die vereinbarte Vergütung zu entrichten.
Jura Individuell-Tipp: § 611a II BGB wird als verfehlt angesehen, da § 611a BGB lediglich der gesetzlichen Normierung der von der Rspr. entwickelten Grundsätze zur Arbeitnehmereigenschaft dient und der Arbeitsvertrag an sich vom BGB als Unterfall des Dienstvertrages eingestuft wird [vgl. Edenfeld, Erman BGB, § 611a Rn. 3].
1. Höhe und Zahlung des Arbeitsentgelts
§ 612 II BGB geht von dem Fall aus, dass keine Höhe der Vergütung vereinbart worden ist. Meist ergibt sich die Höhe der Vergütung aus dem Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag. Die Vergütung wird grundsätzlich in Geld geschuldet. Nach § 614 BGB ist die Vergütung erst nach der Leistung der Dienste zu verrichten; der Arbeitnehmer ist demnach vorleistungspflichtig.
Jura Individuell- Hinweis: Ein beliebtes Klausurproblem stellt die Vergütung von Überstunden dar. Auf Vergütung von Überstunden besteht für den Arbeitgeber nur eine Zahlungspflicht, wenn sich diese aus dem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder dem Arbeitsvertrag ergibt. Der Anspruch kann sich häufig auch aus einer betrieblichen Übung (somit aus dem Arbeitsvertrag) ergeben, vgl. § 612 I, II BGB. Der Ansprch besteht dabei aber nur, wenn die Überstunden angeordnet, geduldet wurden oder zur Erfüllung der geschuldeten Arbeitsleistung notwendig waren. „Aufgedrängte“ Überstunden unterfallen keiner Zahlungspflicht. Die Beweislast trägt im Prozess stets der Arbeitnehmer.
2. Pfändungsschutz
Da für den Arbeitnehmer meist das Arbeitseinkommen die Lebensgrundlage darstellt, muss ihm bei Pfändungen ein Existenzminimum gewährleistet sein. Dies ist in den §§ 850 ff. ZPO geregelt. Es bestehen u.a. Aufrechnungsverbote des Arbeitgebers.
III. Nebenpflichten
1. Schutz und Fürsorgepflichten
Der Arbeitgeber hat über die Hauptleistungspflicht hinaus auf die Interessen des Arbeitnehmers nach Treu und Glauben Rücksicht zu nehmen. Ihn trifft eine Fürsorgepflicht (§§ 241 II, 242 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag). Es können aber auch tarifvertraglich geregelte Fürsorgepflichten bestehen. Der Umfang einer solchen Fürsorgepflicht ist im Einzelfall nach §§ 133, 157 BGB auszulegen. Speziell gesetzlich geregelte Fürsorgepflichten gibt es darüber hinaus beispielsweise nach § 3 EFZG – die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall des Arbeitnehmers. § 618 BGB regelt ausdrücklich die Pflicht zu Schutzmaßnahmen für Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers, soweit die Natur der Dienstleistung es gestattet. Nach § 619 BGB ist diese Fürsorgepflicht sogar unabdingbar. § 618 BGB tritt allerdings hinter sondergesetzlichen Regelungen wie dem ArbSchG zurück.
Jura Individuell-Tipp: Im Falle des § 618 BGB sind Nebenpflichten speziell geregelt. Für die Klausur gilt daher, dass bei der Verletzung einer Schutzpflicht ein Schadensersatzanspruch aus Vertrag und nicht nur aus unerlaubter Handlung besteht.
Nach § 104 SGB VII besteht für den Unternehmer (Arbeitgeber) bei Personenschäden allerdings eine Haftungsbeschränkung. Er haftet in einem solchen Fall nur, wenn er bezüglich des Personenschadens vorsätzlich gehandelt hat oder sich der Arbeitsunfall nach § 8 II Nr. 1 bis 4 SGB VII auf einem versicherten Weg ereignet hat.
Jura Individuell-Hinweis: Bei der Anspruchsprüfung wegen eines Personenschadens gegen den Arbeitgeber muss in der Klausur demnach am Ende zudem geprüft werden, ob die Haftung nach § 104 SGB VII beschränkt ist (siehe hierzu: Jura Individuell Arbeitsrecht Fälle zur Haftung 1).
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Bei Amazon kaufen2. Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers
Das durch Art. 1 und 2 GG gewährleistete Persönlichkeitsrecht findet selbstverständlich auch im Arbeitsrecht Anwendung. Der Persönlichkeitsschutz beinhaltet unter anderem einen Schutz vor einer Offenlegung der persönlichen Daten des Arbeitnehmers oder einer zu weitgehenden Kontrolle, z.B. bei ärztlichen Gutachten durch den Arbeitgeber. Jedoch müssen auch hier die grundrechtstypische Interessensabwägung und die Verhältnismäßigkeit beachtet werden.
3. Freizeit zur Stellensuche und Pflicht zur Zeugniserteilung
Die §§ 629, 630 BGB beinhalten weitere Nebenpflichten des Arbeitgebers. Im Falle einer Kündigung hat der Arbeitgeber nach § 629 BGB dem Arbeitnehmer eine angemessene Zeit zur Stellensuche zu gewähren. Nach § 630 BGB kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein schriftliches Zeugnis über das Arbeitsverhältnis und dessen Dauer fordern. Dieses sog. einfache Zeugnis nach § 630 S. 1 BGB umfasst den Mindestinhalt. Ein qualifiziertes Zeugnis über die Leistung und Führung im Arbeitsverhältnis kann nach § 630 S. 2 BGB verlangt werden. Dabei hat der Arbeitgeber eine objektive Beurteilung zugrunde zu legen.
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