Prokura, §§ 48 ff. HGB

Artikel über die Prokura gem. §§ 48 ff. HGB. Der Artikel stellt die handelsrechtliche Prokura vor und erläutert verschiedene Szenarien.

Datum
Rechtsgebiet Handelsrecht
Ø Lesezeit 6 Minuten
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In der Klausur sind Kenntnisse des Handelsrechts von enormer Bedeutung. Denn auch, wenn es nur ein Nebengebiet ist, kommen handelsrechtliche Vollmachten, wie die Prokura, regelmäßig in zivilrechtlichen Klausuren vor. Im Folgenden sollen die wichtigsten Eckpunkte und Probleme zur Erteilung, zum Umfang und zum Erlöschen der Prokura näher erläutert werden.

Rechtliche Einordnung

Die Prokura ist eine spezielle Art der Vollmacht im Handelsrecht. Die §§ 48 ff. HGB ergänzen dabei das Stellvertretungsrecht des BGB nach den §§ 164 ff. BGB. Damit gelten die Vorschriften des HGB vorrangig, sofern diese eine Sondervorschrift enthalten. Ist dies nicht der Fall, sind die allgemeinen Stellvertretungsregelungen des BGB einschlägig.

A. Erteilung der Prokura

Man unterscheidet drei Arten der Prokura. Durch die Einzelprokura wird einer einzelnen Person Vollmacht erteilt. Sie ist damit auch alleine vertretungsbefugt. Bei der Filialprokura ist die Prokura nach § 50 III HGB auf eine einzelne Filiale oder Geschäftstelle beschränkt. Bei der Gesamtprokura sind mehrere Prokuristen nach § 48 II HGB zum gemeinschaftlichen Handeln befugt und können demnach auch nur gemeinsam handeln.

Grundsätzlich ist die Erteilung einer Vollmacht in den §§ 167 ff. BGB geregelt. Aufgrund der Vorschriften der §§ 48 ff. HGB, die diesbezüglich Sonderregelungen enthalten, ist hier jedoch § 48 I HGB einschlägig.

Danach kann die Prokura nur von dem Inhaber des Handelsgeschäftes, d.h. einem Kaufmann oder seinem gesetzlichen Vertreter erteilt werden.

Außerdem erfolgt die Erteilung der Prokura nur durch eine einseitige, ausdrückliche, empfangsbedürftige Willenserklärung. Das bedeutet, dass eine Erteilung durch konkludentes oder schlüssiges Handeln ausscheidet. Ebenso eine Prokura auf Grundlage der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht scheidet demnach aus.

Wirkung der Eintragung

Nach § 53 I HGB muss die Prokura zur Eintragung im Handelsregister angemeldet werden. Während die Eintragung zwingend ist, ist ihre Wirkung lediglich deklaratorisch. Das bedeutet, die Eintragung in das Handelsregister ist keine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Prokura.

B. Umfang der Prokura

Aus Rechtssicherheitsgründen ist der Umfang der Prokura in § 49 I HGB gesetzlich festgelegt.

I. Was ist von der Prokura umfasst?

Nach § 49 I HGB ermächtigt die Prokura zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt. Bereits der Wortlaut zeigt, dass es sich hierbei nicht um das Handelsgewerbe des Geschäftsinhabers handeln muss. Es genügt, wenn die Handlungen generell mit einem Handelsgewerbe in Verbindung stehen. Der Prokurist darf somit beispielsweise Personal einstellen, Mietverträge abschließen, eine Handlungsvollmacht erteilen, eine Klage erheben oder ein Darlehen aufnehmen.

II. Was ist von der Prokura nicht umfasst?

Nicht von der Prokura umfasst sind, wie es sich aus dem Wortlaut ergibt, alle Handlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes nicht mit sich bringt.

Dazu gehören in erster Linie natürlich alle Privatgeschäfte. Ausgeschlossen sind außerdem alle Grundlagengeschäfte. Grundlagengeschäfte sind solche Geschäfte, die grundlegenden Einfluss auf den Betrieb des Handelsgewerbes haben (z.B. Firmenänderung, Veräußerung des Geschäftes, Änderung der Geschäftsanschrift). Ein weiterer Ausschluss gilt für Inhabergeschäfte. Das sind solche Geschäfte, die dem Kaufmann höchstpersönlich vorbehalten sind (z.B. Handelsregisteranmeldung nach § 49 I HGB, Erteilung einer Prokura nach § 48 I HGB, Unterzeichnung des Jahresabschlusses nach § 245 HGB).

III. Ausnahme nach § 49 II HGB

Eine weitere Ausnahme ist in § 49 II HGB verankert. Danach ist der Prokurist grundsätzlich nicht dazu berechtigt, Grundstücke zu veräußern oder zu belasten, außer der Inhaber des Handelsgeschäftes hat ihm explizit die Befugnis dazu erteilt. Es ist umstritten, ob § 49 II HGB auch analog auf Verpflichtungsgeschäfte anwendbar ist, denn der Wortlaut spricht hier lediglich von „Veräußerung“, was dafür sprechen könnte, dass nur Verfügungsgeschäfte erfasst sein sollen. Dennoch sind nach dem Sinn und Zweck dieser Norm nach auch Verpflichtungsgeschäfte umfasst. Wäre das nämlich nicht so, könnte der Prokurist den Geschäftsinhaber wirksam verpflichten und dieser müsste Verträge erfüllen, die der Prokurist abgeschlossen hat. Ein solches Szenario soll durch § 49 II HGB aber gerade verhindert werden.

IV. Wirksamkeit im Außenverhältnis und im Innenverhältnis

Nach § 50 I HGB ist aus Gründen der Rechtssicherheit eine Beschränkung des gesetzlich festgelegten Umfanges der Prokura Dritten gegenüber, also im Außenverhältnis, unwirksam. Im Innenverhältnis dagegen ist eine Beschränkung durchaus möglich. Hier kann es wegen Verstoßes gegen den Arbeitsvertrag zu einer Schadensersatzpflicht gegenüber dem Geschäftsherrn kommen.

Wird der Prokurist außerhalb seines festgelegten Aufgabenbereiches tätig, sind diese Geschäfte Dritten gegenüber, also im Außenverhältnis, wirksam. Eine Ausnahme besteht lediglich dann, wenn der Dritte und der Prokurist gemeinsam zum Nachteil des Geschäftsherrn handeln (Kollusion) oder der Dritte zumindest erkennt, dass der Prokurist ohne Vertretungsmacht handelt (Evidenz). Dann nämlich ist das Geschäft schwebend unwirksam und hängt von der Genehmigung des Geschäftsherrn ab. Da der Prokurist hier als Vertreter ohne Vertretungsmacht handelt, sind die §§ 177 – 179 BGB analog anwendbar. Genehmigt der Geschäftsherr das Geschäft nicht, haftet der Prokurist nach § 179 I BGB analog gegenüber dem Dritten, wenn der Dritte den Missbrauch nach § 179 III BGB analog nicht kannte oder kennen musste.

C. Erlöschen der Prokura

Nach § 53 II HGB ist nicht nur die Erteilung der Prokura, sondern auch das Erlöschen zur Eintragung im Handelsregister anzumelden. Diese Eintragung ist ebenfalls deklaratorisch, sie ist also verpflichtend, jedoch keine Voraussetzung für die Wirksamkeit des Erlöschens. Wird die Eintragung nicht vorgenommen, ist ein gutgläubiger Dritter nach § 15 I HGB über die negative Publizitätswirkung geschützt. Das bedeutet, dass die Prokura dem gutgläubigen  Dritten gegenüber so lange als weiter bestehen gilt, bis das Erlöschen eingetragen und bekanntgemacht wird. Der Grund ist hier der besondere Vertrauensschutz im Handelsverkehr, in dem man sich auf die Sorgfalt der Kaufleute verlassen können muss.

I. Keine Eintragung nach § 53 I HGB

Ist bereits keine Eintragung nach § 53 I HGB erfolgt, ist es strittig, ob das Erlöschen nach § 53 II HGB trotzdem eingetragen werden muss. Nach einer Ansicht bedarf es keiner Eintragung des Erlöschens der Prokura nach § 53 II HGB, wenn bereits die Erteilung der Prokura nach § 53 I HGB nicht eingetragen wurde. Denn in diesem Fall kann man sich schon gar nicht auf einen Rechtsschein aus dem Handelsregister berufen. Nach anderer vorzuziehender Ansicht kann man allerdings auch anderweitig von der Erteilung der Prokura erfahren. Der Rechtsschein bezüglich der Prokura kann daher auch aus anderen Gründen entstehen. Eine Eintragung des Erlöschens nach § 53 II HGB ist damit notwendig.

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II. Wie erlischt die Prokura wieder?

Nach § 52 I HGB kann die Prokura jederzeit durch den Geschäftsherrn widerrufen werden.

Nach § 52 II HGB erlischt sie außerdem mit dem Tod des Prokuristen, denn die Prokura ist nicht übertragbar. Bei Tod des Geschäftsherrn nach § 52 III HGB erlischt die Prokura dagegen nicht.

Die Prokura erlischt nach § 168 S.1 BGB automatisch bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses, da hier das zugrunde liegende Rechtsverhältnis nicht mehr fortbesteht.

Nach §§ 117 I, II, 115 I InsO erlischt die Prokura mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft.

Wenn der Geschäftsinhaber seine Kaufmannseigenschaft i.S.d. § 1 I, II HGB verliert, erlischt die Prokura ebenfalls.

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