Staatshaftung Fälle – Abschleppen

Ansprüche zwischen Bürger und Staat durch Abschleppen aufgrund Staatshaftung

Datum
Rechtsgebiet Gesetzliche Schuldverhältnisse
Ø Lesezeit 7 Minuten
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Im Folgenden werden die wichtigsten Fall-Varianten aufgeführt, welche im Rahmen einer Klausur zu den Abschleppfällen vorkommen können. Zu jeder Fallvariante werden die gängigsten Anspruchsgrundlagen, welche dabei zwischen Bürger und Staat entstehen können, aufgeführt.

I. Ansprüche des Bürgers gegen den Staat

Fall 1: Fahrzeug wird beim Abschleppvorgang beschädigt.

Anspruchsgrundlagen

a) Folgenbeseitigungsanspruch aus Art. 20 III GG i.V.m. Gewohnheitsrecht (Wiederherstellung)

Voraussetzungen sind:

  1. Rechtswidriger Zustand (Erfolgsunrecht)
  2. hoheitlicher Eingriff in subjektiv-öffentliches Recht
  3. Andauern des rechtswidrigen Zustandes
  4. Kein Anspruchsausschluss
  5. Mitverschulden § 254 BGB analog

In den Abschleppfällen wird der Anspruch aber in der Regel an der Unzumutbarkeit der Wiederherstellung scheitern. In diesen Fällen ist auf die Ansprüche auf Geldentschädigung zurückzugreifen.

Ausnahme: Hat die Polizei oder das Abschleppunternehmen eine eigene Werkstatt, in der die Reparatur erfolgen kann, so ist die Wiederherstellung zumutbar und der FBA damit gegeben.

b) Anspruch aus Amtshaftung gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG (Schadensersatz)

Voraussetzungen sind:

  1. Beamter im funktionalen Sinn bzw. „Jemand“
  2. in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes (hoheitlich)

P: Private, die nicht Beliehene sind, führen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung aus.

Grundsätzlich wird die Rechtsnatur des Handelns mithilfe der Subjektstheorie ermittelt. In diesem Fall ist jedoch die Werkzeugtheorie zur Abgrenzung heranzuziehen. Je nach Grad und Intensität der Weisungsgebundenheit erfolgt die Zuordnung des Handelns zum Privatrecht oder öffentlichen Recht.

a.) Argumente gegen das Vorliegen einer Amtsausübung:

aa.) Das hoheitliche Ziel der Maßnahme lässt noch keinen Rückschluss darauf zu, dass auch das zur Zielerreichung eingesetzte Mittel hoheitlichen Charakter haben muss.

bb.) Entscheidend ist die von der Behörde gewählte Rechtsform. Der Abschluss eines Werkvertrages ist keine Übertragung von Hoheitsbefugnissen auf eine außerhalb der Behörde stehende Privatperson i.S.d. Art. 34 GG

cc.) Nur wenn die Behörde in einem besonders hohen Grad auf die Durchführung der Arbeiten des Abschleppunternehmers Einfluss nehmen kann, dass dieser nur das Werkzeug der Behörde ist, kommt ein Amtshaftungsanspruch in Betracht.

b.) Argumente für das Vorliegen einer Amtsausübung:

aa.) Bei der Anwendung hoheitlicher Zwangsmaßnahmen soll die Haftung nicht durch eine Flucht ins Privatrecht ausgeschlossen werden. Wenn der Staat die Vorteile der Arbeitsteilung in Anspruch nimmt, muss er auch die daraus resultierenden Nachteile tragen (schuldhafte Verletzung rechtlich geschützter Interessen des Bürgers durch Abschleppunternehmen)

bb.) Für Bürger macht es keinen Unterschied, wer die Zwangsmaßnahme durchführt. Rein interne Beziehungen können nicht über das Vorliegen eines öffentlichen Amtes entscheiden. Entscheidend ist wie sich das Handeln nach außen darstellt – Abschleppunternehmer ist Erfüllungsgehilfe.

cc.) Nach Art. 9 I PAG handelt die Polizei selbst oder durch einen Beauftragten. Handelndes Subjekt ist aber in jedem Fall die Polizei selbst. Beauftragter ist lediglich Werkzeug.

c.) Fazit: Es ist immer auf den jeweiligen Einzelfall abzustellen. Abzugrenzen ist nach dem Grad der Weisungsabhängigkeit. Daraus kann dann geschlossen werden, ob das Handeln des Abschleppers öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ist.

  1. Verletzung einer Amtspflicht (Pflicht der Verwaltung zu rechtmäßigem Verhalten aus Art. 20 III GG – hier Verletzung der Pflicht aus § 823 BGB auf Achtung des Eigentums Dritter)
  2. Drittgerichtetheit der Amtspflicht (Die Norm, die die Amtspflicht begründet, muss gerade dem Schutz und Interesse des Anspruchsstellers dienen)
  3. Verschulden
  4. kausaler Schaden
  5. Ausschlußztatbestände des § 839 III BGB
  6. Mitverschulden gem. § 254 BGB analog

c) Anspruch aus §§ 677, 678 BGB analog i.V.m. § 280 I BGB analog (Schadensersatz)

Voraussetzungen sind:

  1. Anwendbarkeit
  2. öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis (GoA, BerR oder Vertrag)

Voraussetzungen der GoA:

a) Anwendbarkeit

b) Öffentlich-rechtliche Geschäftsbesorgung, § 677 BGB analog (siehe Rechtsweg)

c) fremdes Geschäft, § 677 BGB analog

d) Fremdgeschäftsführungswille

e) Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung

f) Handeln im Interesse und im Willen der Behörde („berechtigte GoA“), § 683 S.1 BGB analog.

  1. Pflichtverletzung
  2. Verschulden
  3. Kein Haftungsausschluss durch Satzung, ör Vertrag, VA etc.

d) Enteignender und enteignungsgleicher Eingriff gem. §§ 74, 75 EinlPrALR (Entschädigung)

aa) Enteignender Eingriff gem. §§ 74, 75 EinlPrALR

Voraussetzungen sind:

  1. rechtmäßiger unmittelbarer Eingriff in das Eigentum

Die Unmittelbarkeit ergibt sich aus einer wertenden Betrachtung. Der Schaden muss kausal auf dem Handeln des Staates beruhen und innerhalb des Risikos liegen, das durch das staatliche Handeln geschaffen wurde.

  1. durch hoheitlichen Realakt
  2. unmittelbare nachteilige Wirkungen für den Betroffenen (rechtswidrige Folge)
  3. Sonderopfer

Wenn es sich um keine formale Enteignung handelt, aber dennoch ein Eingriff in Eigentumspositionen vorliegt, muss geprüft werden, ob der Eingriff ein Sonderopfer für den Betroffenen darstellt. Ein Sonderopfer ist die Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte ohne einen sachlichen Grund, bzw. ein Verstoß gegen Art. 3 GG.

bb) Enteignungsgleicher Eingriff gem. §§ 74, 75 EinlPrALR

Voraussetzungen sind:

  1. rechtswidriger unmittelbarer Eingriff in das Eigentum
  2. durch öffentlich-rechtliches Handeln
  3. unmittelbarer Schadenseintritt (kein Hinzutreten weiterer Umstände – Kausalität zwischen Handeln und Schaden)
  4. Sonderopfer (s.o.)
  5. Ausschöpfung des Primärrechtsschutzes

Achtung: Sowohl enteignender als auch enteignungsgleicher Eingriff werden durch Art. 70 PAG verdrängt!

e) Art. 70 PAG

Voraussetzungen sind:

  1. Entschädigungsberechtigter ist der Nichtstörer
  2. Schaden
  3. unmittelbar durch die polizeiliche Maßnahme verursacht (kein Verschulden erforderlich)
  4. Ausschluss des Anspruchs aus Art. 70 I PAG, wenn anderweitiger Ersatzanspruch (gesetzliche oder vertragliche Versicherungsleistung)
  5. Ausschluss des Anspruchs nach Art. 70 IV PAG (wirklich erreichter Schutz maßgeblich)
  6. Anspruchsumfang Art. 70 VII PAG

 

Fall 2: Fahrzeug wird während der Verwahrung auf dem Verwahrplatz beschädigt.

Anspruchsgrundlagen a) Anspruch aus § 280 I BGB analog i.V.m. §§ 688 ff. BGB analog (Schadensersatz)

Voraussetzungen sind:

  1. Anwendbarkeit
  2. öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis (öffentlich-rechtliche Verwahrung)
  3. Pflichtverletzung (Verletzung der Pflicht aus Art. 26 III 1 PAG)
  4. Verschulden
  5. Kein Haftungsausschluss durch Satzung, ör Vertrag, VA etc. b) Anspruch aus Amtshaftung gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG (Schadensersatz)

Ein Amtshaftungsanspruch setzt rechtswidriges, schuldhaftes Handeln voraus.

Voraussetzungen sind:

  1. Beamter im funktionalen Sinn bzw. „Jemand“
  2. in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes (hoheitlich)

P: Private, die nicht Beliehene sind, führen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung aus.

Grundsätzlich wird die Rechtsnatur des Handelns mithilfe der Subjektstheorie ermittelt. In diesem Fall ist jedoch die Werkzeugtheorie zur Abgrenzung heranzuziehen. Je nach Grad und Intensität der Weisungsgebundenheit erfolgt die Zuordnung des Handelns zum Privatrecht oder öffentlichen Recht.

  1. Verletzung einer Amtspflicht (Pflicht der Verwaltung zu rechtmäßigem Verhalten aus Art. 20 III GG – hier Verletzung der Pflicht aus Art. 26 III 1 PAG)
  2. Drittgerichtetheit der Amtspflicht (Die Norm, die die Amtspflicht begründet, muss gerade dem Schutz und Interesse des Anspruchsstellers dienen)
  3. Verschulden
  4. Kausaler Schaden
  5. Ausschlusstatbestände § 839 III BGB
  6. Mitverschulden § 254 BGB analog c) Anspruch aus enteignendem und enteignungsgleichem Eingriff (Entschädigung)

Hier ergibt sich nichts anderes als in Fall 1 (Punkte e) und d)) schließlich werden diese allgemeinen Staatshaftungansprüche auch hier wieder durch den speziellen Entschädigungsanspruch aus Art. 70 PAG verdrängt.

 

Fall 3: Fahrzeug wird nach Zahlung der Abschleppkosten nicht herausgegeben.

Anspruchsgrundlage

a) Anspruch gem. § 985 BGB (Herausgabe)

b) Anspruch aus Amtshaftung gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG (Schadensersatz)

c) Anspruch aus enteignendem und enteignungsgleichem Eingriff (Entschädigung)

Verdrängt durch Art. 70 PAG

d) Anspruch gem. §§ 688, 695 BGB analog i.V.m. §§ 280 I, II, 286 (Ersatz des Verzugsschadens)

 

Fall 4: Betroffener zahlt Abschleppkosten, jedoch war die Abschleppmaßnahme rechtswidrig oder Betroffener überweist zu viel.

Anspruchsgrundlage a) Anspruch aus öffentlich-rechtlichem Erstattungsanspruch §§ 812 ff. BGB analog (Herausgabe)

Voraussetzungen sind:

  1. Rechtsgrundlage
  2. Anwendbarkeit
  3. Öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehung (s. Rechtsweg)
  4. Vermögensvorteil
  5. Vermögensverschiebung durch Leistung/auf sonstige Weise
  6. Ohne Rechtsgrund (Wegfall, wenn zugrundeliegendes RV nichtig oder wenn VA rechtswidrig ist)
  7. Erstattungsumfang/Wegfall der Bereicherung (Behörden kann sich wegen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung aus Art. 20 III GG nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen). II. Ansprüche der Polizei- und Sicherheitsbehörden gegen den Bürger

Anspruchsgrundlagen a) Anspruch auf Kostenersatz (siehe oben RGL für Kostenbescheide) b) Ansprüche aus öffentlich-rechtlicher GoA scheiden aus, da die gesetzlichen Regelungen der Kostentragung abschließend sind und eine Geltendmachung der Ansprüche aus GoA eine Umgehung dieser Vorschriften wäre.

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III. Anspruch des Abschleppunternehmens gegen den Bürger

Nur wenn Tätigwerden des Abschleppunternehmens privatrechtlich eingestuft wird. Anspruch aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB

(entgegenstehender Wille gem. § 679 unbeachtlich)

 

 

IV. Ansprüche des Bürgers gegen den Abschleppunternehmer

Nur wenn Tätigwerden des Abschleppunternehmens privatrechtlich eingestuft wird. a) Anspruch aus § 280 I i.V.m. § 677 BGB (Schadensersatz) b) Anspruch aus § 823 I BGB (Schadensersatz) c) Anspruch aus § 812 ff. BGB (Herausgabe)

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