Revision Teil 1 – Zulässigkeit
Zulässigkeit und Begründetheit der Revision, Revisionsfrist, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Rechtsmittelverzicht
Im ersten Staatsexamen spielt oft die Zulässigkeit einer Revision im StPO-Teil der Strafrechtsklausur eine Rolle und ist gutachterlich zu prüfen. Im zweiten Staatsexamen bedarf es einer Zulässigkeitsprüfung bei der Klausurkonstellation einer eingelegten, jedoch noch nicht begründeten Revision oder wenn nach den Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels gefragt wird. Besondere Zulässigkeitsprobleme bestehen meist nicht und eine knappe Darstellung ist sinnvoll.
Weitere Artikel zur Revision sind unter Verfahrenshindernisse (Revision Teil 2), absolute Revisionsgründe (Revision Teil 3) zu finden.
A. Einführung
Die Revision ist ein Rechtsmittel, um ein gerichtliches Urteil zu überprüfen. Gem. § 337 Abs. 1 StPO werden bei der Revision reine Gesetzesverletzungen geprüft, es wird also kein Beweis mehr über Tatsachen erhoben. Das Gesetz ist dann verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist, vgl. § 337 Abs. 2 StPO.
Das Revisionsgericht entscheidet dabei meist nicht selbst abschließend über den Fall, sondern verweist an eine andere Abteilung (Amtsgericht) oder Strafkammer (Landgericht) des Gerichts, dessen Urteil aufgehoben wird, zurück (vgl. § 354 Abs. 2 StPO).
B. Zulässigkeit der Revision
I. Statthaftigkeit
Die Revision ist gem. § 333 StPO gegen alle erstinstanzlichen Urteile der Landgerichte sowie der Oberlandesgerichte und Berufungsurteile der Landgerichte statthaft. Gegen erstinstanzliche Urteile des Amtsgerichts ist nach § 312 StPO die Berufung zulässig, wahlweise kann man aber auch die Revision als Sprungrevision nach § 335 Abs. 1 StPO einlegen. Über die Revision entscheidet das Gericht, welches zur Entscheidung berufen wäre, wenn die Revision nach durchgeführter Berufung eingelegt worden wäre, vgl. § 335 Abs.2 StPO. Dies bedeutet also, dass über die Sprungrevision stets das Oberlandesgericht des jeweiligen Landes entscheidet.
Klausurproblem – Berufung oder Revision: Da neben einer Berufung auch eine Revision in Betracht kommen kann, kann in der Klausur auch eine Abwägung und eine Entscheidung für ein Rechtsmittel gefordert sein. Eine Berufung stellt eine zweite Tatsacheninstanz dar und ermöglicht daher eine umfassende Überprüfung des Urteils . Gegen das Berufungsurteil ist dann noch immer die Revision möglich.
Für die Einlegung einer Revision spricht es, wenn das Urteil offensichtlich rechtsfehlerhaft ist.
Gem. § 335 Abs. 3 StPO genießt die Berufung Vorrang vor der Revision: Legt ein Verfahrensbeteiligter Revision und ein anderer Berufung ein, so behandelt man die Revision zunächst als Berufung, solange die Berufung nicht zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird. In diesen Fällen lebt die Revision wieder auf, vorausgesetzt, sie genügt zu diesem Zeitpunkt den revisionsrechtlichen Anforderungen.
II. Rechtsmittelbefugnis/-berechtigung
Gem. § 296 Abs. 1 StPO sind die Staatsanwaltschaft und der Beschuldigte rechtsmittelberechtigt. Die Staatsanwaltschaft kann auch zugunsten des Beschuldigten Rechtsmittel einlegen, vgl. § 296 Abs. 2 StPO. Dies geschieht in der Praxis allerdings nicht oft. Nach § 297 StPO kann der Verteidiger des Angeklagten Rechtsmittel einlegen, solange nicht dessen ausdrücklicher Wille entgegensteht. Etwaige Beschränkungen der Verteidigervollmacht müssen aber ausdrücklich erklärt werden. Ist der Angeklagte minderjährig, so gilt § 55 JGG. Bei Privatklägern finden sodann §§ 375 Abs. 2, 390 Abs. 1 StPO Anwendung und bei Nebenklägern gilt § 401 Abs. 1 Satz 1 StPO.
III. Beschwer des Rechtsmittelführers
Allgemein liegt die Beschwer vor, wenn der Betroffene in irgendeiner Weise durch den Entscheidungstenor in seinen Rechten und schutzwürdigen Interessen unmittelbar beeinträchtigt wird. Der Beschuldigte ist dabei regelmäßig durch den Urteilstenor beschwert, wenn er zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe verurteilt wurde (kurz: bei einer Verurteilung immer, selbst wenn wegen § 59 StGB keine Sanktion verhängt wurde). Bloße nachteilige Ausführungen in den Urteilsgründen reichen nicht aus, um beschwert zu sein.
Die Revision der Staatsanwaltschaft setzt keine eigene Beschwer voraus. Sie ist die „objektivste Behörde der Welt“, sodass sie, wie oben bereits beschrieben, auch zugunsten des Beschuldigten Rechtsmittel einlegen kann.
Privatkläger (§ 375 Abs. 2 StPO) und Nebenkläger (§ 400 Abs. 1 StPO) können nur zuungunsten des Angeklagten Revision einlegen. Der Nebenkläger kann keine Revision einlegen, wenn er damit bloß eine Strafschärfung oder eine anderweitige Verurteilung herbeiführen will.
IV. Form der Einlegung
Nach § 341 Abs.1 StPO ist die Revision zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich beim Ausgangsgericht (iudex a quo) einzulegen. Eine Frist ist nicht gewahrt, wenn das Rechtsmittel beim Revisionsgericht (iudex ad quem) oder bei der Staatsanwaltschaft eingelegt wird. Allerdings ist hier bei Formversäumnis an die Wiedereinsetzung wie bei einem Fristversäumnis zu denken (siehe unten). Ist der Beschuldigte in Haft, so gilt § 299 StPO.
Es genügt bei der Einlegung nach § 341 StPO die Bezeichnung „Rechtsmittel“ (Klausurproblem – „unbenanntes Rechtsmittel“). Die Erklärung muss den Anfechtungswillen erkennen lassen. Erst wenn die Urteilsgründe vorliegen, kann eine sinnvolle Entscheidung getroffen werden, ob Revision oder Berufung eingelegt werden soll. Dabei kann man bei einem bereits bezeichneten Rechtsmittel noch auf ein anderes Rechtsmittel innerhalb der Frist übergehen. Nach § 300 StPO schadet ferner eine irrtümliche Falschbezeichnung des Rechtsmittels nicht. Wird keine Wahl getroffen, so ist im Zweifel von einer Berufung auszugehen, da diese zu einer umfassenderen Überprüfung des Urteils führt.
V. Einlegungsfrist
Nach § 341 Abs.1 StPO gilt für die Frist eine Woche nach Verkündung des Urteils. War der Angeklagte bei der Urteilsverkündung nicht anwesend oder verhandlungsunfähig, so beginnt nach § 341 Abs. 2 StPO die Frist mit Zustellung. Ist der Angeklagte nur teilweise anwesend, findet ebenfalls eine Verkündung in Abwesenheit statt, weil das Urteil durch Verlesung der Urteilsformel und Eröffnung der Urteilsgründe verkündet wird (vgl. § 268 Abs. 2 S. 1 StPO). Für die Fristberechnung gelten dabei §§ 42, 43 StPO. (Fällt das Fristende auf einen Feiertag oder ein Wochenende, so gilt § 43 II StPO.) Bei Inhaftierten findet § 299 Abs. 2 StPO Anwendung.
Bei Fristversäumnis ist in Klausuren an §§ 44 ff. StPO, der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu denken. (Zu prüfen ist dann gem. § 45 StPO die Zulässigkeit und Begründetheit des Antrags.) Abzustellen ist auf ein Verschulden des Angeklagten und nicht wie im Zivilprozess auf ein Verschulden des Verteidigers, da anders als in der ZPO in der StPO keine Zurechnungsnorm existiert. Bei einem Mitverschulden des Angeklagten findet dabei nach der Rechtsprechung im Interesse der materiellen Gerechtigkeit § 44 StPO großzügig Anwendung. Über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entscheidet nach § 46 Abs. 1 StPO das Revisionsgericht. Gegen die verwerfende Entscheidung über die Wiedereinsetzung (§ 346 StPO) ist sodann die sofortige Beschwerde gem. § 46 Abs. 3 StPO statthaft.
Liegt in der Klausur kein Antrag auf Wiedereinsetzung vor, ist § 45 Abs. 2 S. 3 StPO zu beachten: Danach besteht auch ohne Antrag die Möglichkeit eine Wiedereinsetzung zu gewähren.
VI. Form der Begründung
Die Revision ist (anders als die Berufung) gem. § 344 Abs. 1 StPO zu begründen. Nach § 345 Abs. 2 StPO kann die Revisionsbegründung des Beschuldigten dabei nur in einer von dem Verteidiger oder Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift erfolgen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Ausgangsgericht erklärt werden.
VII. Begründungsfrist
Nach § 345 Abs. 1 S. 1 StPO beträgt die Frist zur Begründung einen Monat nach Ablauf der Einlegungsfrist. Ist das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung, § 345 Abs.1 2 StPO. Die Zustellung muss dabei ordnungsgemäß nach §§ 37ff. StPO erfolgt sein, sprich durch den Vorsitzenden mit Bezeichnung seiner Person verfügt worden sein. Die Zustellung bei dem Angeklagten ist für diesen maßgeblich (auch bei einem fremdsprachigen Angeklagten kommt es allein auf die deutsche Urteilsschrift an). Das Sitzungsprotokoll muss fertig gestellt sein (§§ 271 Abs. 1 S. 2, 273 Abs. 4 StPO), andernfalls ist die Urteilszustellung unwirksam. Die Zustellung ist hingegen wirksam, wenn die Urteilsurkunde Fehler aufweist, ebenso wenn die Urteilsgründe fehlen (vgl. § 338 Nr. 7 StPO).
Mängel in der Zustellung können nach §§ 371 StPO, 189 ZPO geheilt werden. Für die Fristberechnung gelten wiederum §§ 42, 43 StPO (bei Inhaftierten: § 299 Abs. 2 StPO). Eine Fristverlängerung ist dabei nicht und eine Wiedereinsetzung nur ausnahmsweise möglich, wenn beispielsweise der einzige Verteidiger erkrankt ist oder der Vorsitzende entgegen § 345 StPO die Verlängerung der Frist bewilligt hat.
Klausur-Tipp:In Klausuren spielen an dieser Stelle oftmals Zustellungsprobleme oder fehlerhafte Zustellungen eine Rolle und die Frist ist dann meist gewahrt. In diesem Zusammenhang ist § 145a StPO zu beachten, der eine besondere Zustellungsermächtigung für den Verteidiger regelt!
Ist die Frist doch einmal abgelaufen, kommt auch hier § 44 StPO, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, in Betracht.
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Bei Amazon kaufenVIII. Keine Zurücknahme oder Rechtsmittelverzicht
Nach § 302 StPO ist die Rücknahme oder der Verzicht auf ein Rechtsmittel möglich.
In der Klausur kann die Wirksamkeit einer Zurücknahme oder eines Rechtsmittelverzichts geprüft werden, was die Unzulässigkeit der Revision zur Folge hätte. Meist wird aber eine unwirksame Rücknahme oder ein unwirksamer Rechtsmittelverzicht gegeben sein, da der Schwerpunkt der Klausur in der Begründetheit liegt. Beachte aber, dass eine Anfechtung des Rechtsmittelverzichts grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Ist dem Urteil eine Verständigung im Sinne des § 257c StPO vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen, vgl. § 302 Abs. 1 S. 2 StPO.
Im ersten Staatsexamen kann jedoch auch ausschließlich eine Zulässigkeitsprüfung gefragt sein und dann eine wirksame Rücknahme oder ein wirksamer Verzicht vorliegen.
Ist die Revision unzulässig, wird sie nach § 346 Abs. 1 StPO durch Beschluss verworfen.
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