Vertretenmüssen bei der Nacherfüllung

Pflichtverletzung und Vertretenmüssen vor und nach Gefahrübergang beim Kaufvertrag

Datum
Rechtsgebiet Schuldrecht BT
Ø Lesezeit 15 Minuten
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A. Einleitung

Der Artikel zeigt anhand des Kaufvertragsrechts die verschiedenen Pflichten auf, die bei Erfüllung des Vertrags vor Gefahrübergang und im Anschluss nach Gefahrübergang bei der Nacherfüllung verletzt werden können. Im Mittelpunkt steht dabei der Bezugspunkt für das Vertretenmüssen.

Die Pflichtverletzung

Die Pflichtverletzung gemäß § 280 I S. 1 BGB ist der zentrale Begriff im Leistungsstörungsrecht. Sie bezeichnet, rein objektiv, jedes dem Schuldverhältnis widersprechende Verhalten. Sofern im Fall eines Kaufvertrags der Käufer nun auf Grund eines solchen Verhaltens des Verkäufers Ansprüche geltend machen möchte, ist zunächst eine genaue Differenzierung nach der verletzten Pflicht (Hauptleistungspflicht, leistungsbezogene Nebenpflicht und Nebenleistungspflicht gemäß § 241 II BGB) vorzunehmen. Darüber hinaus ist das jeweilige Stadium der Vertragsdurchführung entscheidend. Hierbei kommt es darauf an, ob es sich um eine Pflichtverletzung vor oder nach Gefahrübergang handelt. Denn infolge des Gefahrübergangs entsteht der Nacherfüllungsanspruch i.S.d. §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB, der den ursprünglichen Erfüllungsanspruch gemäß § 433 I S. 2 BGB in modifizierter Form fortsetzt.

Um nun im Stadium des Nacherfüllungsanspruchs die Mängelrechte geltend machen zu können, fordert § 437 BGB das Vorliegen eines Mangels, mithin eine Pflichtverletzung des § 433 I S. 2 BGB. Gleichzeitig wird jedoch durch die Verweisung des § 437 BGB auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht deutlich, dass die dort in den jeweiligen Anspruchsgrundlagen vorausgesetzten Pflichtverletzungen weiterhin maßgeblich sein sollen. Logischerweise müssen sie sich allerdings nun auf den Nacherfüllungsanspruch beziehen.

Im Unterschied zum allgemeinen Leistungsstörungsrecht kommen nach Gefahrübergang also zwei Pflichtverletzungen in Betracht:

  1. Die Verletzung der Pflicht zur Lieferung einer mangelfreien Sache gemäß § 433 I S.2 BGB.
  2. Die Verletzung der Pflicht zur ordnungs- und fristgemäßen Nacherfüllung gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB.
Bezugspunkt für das Vertretenmüssen

Während sich beim Rücktritt mangels Vertretenmüssens insoweit nur die Frage stellt, auf welche Pflichtverletzung im Einzelfall abzustellen ist, ergibt sich für die Schadensersatzansprüche des Gläubigers nach Gefahrübergang vor allem die Problematik, auf welche der beiden nun in Frage kommenden Pflichtverletzungen sich das Vertretenmüssen des Schuldners gemäß § 280 I S.2 BGB überhaupt beziehen muss.

B. Der Anspruch auf Schadensersatz vor Gefahrübergang und nach Gefahrübergang im Stadium der Nacherfüllung

Das BGB unterscheidet im wesentlichen vier Arten von Pflichtverletzungen, die in der Regel mit unterschiedlichen Schadensersatzansprüchen korrespondieren. Zu nennen sind hier die Unmöglichkeit der Leistung (sogleich unter I.), die Schlechtleistung (II.), die Verletzung einer nichtleistungsbezogenen Nebenpflicht (IV.) und der Verzug (V.). Diese Pflichtverletzungen sind in den verschiedenen Stadien der Vertragsdurchführung denkbar, verändern sich jedoch im Hinblick auf ihren Anknüpfungspunkt. Dies wirkt sich wiederum auf das Vertretenmüssen aus.

I. Die Unmöglichkeit

1. Anfängliche Unmöglichkeit

a. Anfängliche Unmöglichkeit vor Gefahrübergang gem. § 311a II S. 1 BGB

§ 311 a II S. 1 BGB, der eine eigene Anspruchsgrundlage darstellt, erfasst den Fall der Leistungsbefreiung des Schuldners gemäß § 275 I-III BGB vor Vertragsschluss. D.h. dem Schulder ist es von Anfang nicht möglich, die nach dem Vertrag geschuldete Leistung zu erbringen.

Das Vertretenmüssen, welches gemäß § 311a II S. 2 BGB vermutet wird, bezieht sich hierbei auf die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis des Leistungshindernisses.

b. Anfängliche Unmöglichkeit nach Gefahrübergang im Stadium der Nacherfüllung gem. §§ 437 Nr. 3, 311a II S. 1 BGB

Sofern nun der Gefahrübergang stattgefunden hat und ein Mangel vorliegt, verweist § 437 BGB auf die Vorschrift des § 311 a II S. 1 BGB. Wie bereits erläutert, kommen in diesem Fall nun zwei Pflichtverletzungen in Betracht: zum einen die mangelhafte Leistung, die eine Verletzung der Pflicht aus § 433 I S. 2 BGB darstellt und zum anderen die anfängliche Unmöglichkeit. Da der ursprüngliche Erfüllungsanspruch mittlerweile zum Nacherfüllungsanspruch geworden ist, kann sich diese Pflichtverletzung nur auf eben diesen beziehen, so dass ein anfänglich unbehebbarer Mangel vorliegen muss. Dann nämlich scheidet eine Nacherfüllung von Anfang an aus.

Bezugspunkt des Vertretenmüssens

Fraglich ist aber nun, ob sich das Vertretenmüssen des Schuldners auf die Verletzung der Pflicht aus § 433 I S. 2 BGB oder auf die aus § 439 I BGB beziehen muss.

Insofern wäre es auf Grund der Tatsache, dass § 311a II S. 1 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gibt, denkbar, das Vertretenmüssen auf den Umstand zu beziehen, der zum Entfallen der Leistungspflicht geführt hat. Da nach Gefahrübergang nun der ursprüngliche Erfüllungsanspruch in Form des Nacherfüllungsanspruch vorliegt, wäre der Bezugspunkt also immer die Nichtnacherfüllung wegen anfänglicher Unbehebbarkeit des Mangels. Problematisch ist dies dann, wenn der Schuldner zwar die Verletzung der Pflicht aus § 433 I S. 2 BGB, nicht aber die Nichtnacherfüllung zu vertreten hat. So ist es nach diesem Lösungsansatz denkbar, dass der Schuldner zwar u.U. sogar vorsätzlich die Pflicht aus § 433 I S. 2 BGB verletzt hat, die Nichtnacherfüllung aber nicht zu vertreten hat und dem Käufer daher die Mängelrechte versagt bleiben.

Da die Nacherfüllung dem Schuldner nur eine zweite Chance zur Behebung seiner bereits begangenen Pflichtverletzung geben soll, ist es daher vorzugswürdig das Vertretenmüssen entweder auf die Verletzung des § 433 I S. 2 BGB oder auf die Verletzung des §§ 437 Nr.1, 439 I BGB zu beziehen. Der Schuldner ist hier nämlich weniger schutzwürdig, da er bereits einmal eine Pflichtverletzung begangen hat.

2. Nachträgliche Unmöglichkeit

a. Nachträgliche Unmöglichkeit vor Gefahrübergang gem. §§ 280 I, III, 283 S. 1 BGB

§§ 280 I, III, 283 S. 1 BGB erfassen den Fall der Unmöglichkeit der Leistungserbringung gemäß § 275 I-III BGB nach Vertragsschluss. Das Vertretenmüssen, welches gemäß § 280 I S. 2 BGB vermutet wird, bezieht sich hierbei auf den Umstand, der zur Unmöglichkeit der Leistungserbringung geführt hat.

b. Nachträgliche Unmöglichkeit nach Gefahrübergang gem. §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 283 S. 1 BGB

Nach Gefahrübergang kommen wieder sowohl die Verletzung der Pflicht aus § 433 I S. 2 BGB als auch die Verletzung der Pflicht aus §§ 437 I Nr. 1, 439 I BGB in Betracht.

Zwar handelt es sich auch hier um einen Schadensersatz statt der Leistung wegen Unmöglichkeit der Leistungserbringung, sodass es naheliegend wäre bzgl. des Vertretenmüssens wie bei §§ 437 Nr. 3, 311a II S. 1 BGB zu entscheiden. Dann würde also ein Vertretenmüssen entweder der einen oder der anderen Pflichtverletzung genügen. Die Konstellationen unterscheiden sich aber insofern, als beim nachträglich unbehebbaren Mangel die Leistung allein auf Grund des Unmöglichwerdens ausbleibt. Da also allein die Lieferung eines mangelhaften Kaufgegenstands nicht zur Leistungsbefreiung gemäß §§ 275 I-III BGB führt, ist das entscheidende Ereignis für diesen Schadensersatzanspruch der Eintritt des Umstands, der zur Unmöglichkeit führt. Nur darauf muss sich folglich das Vertretenmüssen beziehen.

II. Schlechtleistung oder Verzögerung

1. Schadensersatz statt der Leistung vor Gefahrübergang gem. §§ 280 I, III, 281 I S. 1 BGB

§§ 280 I, III, 281 I S. 1 BGB ersetzt den sogenannten Mangelschaden und erfasst in Absatz 1 zwei Alternativen, nämlich die Nichtleistung (Alt.1) und die Schlechtleistung (Alt.2). Das Vertretenmüssen des Schuldners muss sich somit im Einzelfall auf die jeweils vorliegende Pflichtverletzung beziehen.

2. Schadensersatz statt der Leistung nach Gefahrübergang gem. §§ 437 Nr. 3, 440, 280 I, III, 281 I S. 1 BGB

Nach Gefahrübergang greift dieser Schadensersatzanspruch bei Vorliegen eines behebbaren Mangels ein. Die Pflichtverletzung kann hier wieder in der Lieferung einer mangelhaften Sache sowie in der Verletzung der Pflicht aus §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB bestehen. Auf Grund der Tatsache, dass der Nacherfüllungsanspruch jedoch nur eine modifizierte Fortsetzung des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs ist, muss auch auf der Ebene der Nacherfüllung zwischen den beiden Alternativen des § 281 I S. 1 BGB unterschieden werden. Folglich ist einmal auf die Nichtnacherfüllung als Pflichtverletzung abzustellen (Alt. 1), während bei Alt. 2 die mangelhafte Nacherfüllung maßgeblich ist.

Bezugspunkt des Vertretenmüssens

Bezüglich des Anküpfungspunkts für das Vertretenmüssen sind jedoch bei beiden Alternativen die gleichen Überlegungen anzustellen. So kommen hier, ähnlich wie bei §§ 437 Nr. 3, 311a II S.1 BGB, drei Ansatzpunkte in Betracht:

  • Es könnte nur auf das Vertretenmüssen bzgl. der Nichtnacherfüllung (Alt. 1) bzw. Schlechtnacherfüllung (Alt. 2) ankommen.
  • Denkbar wäre es auch, ein Vertretenmüssen kumulativ für die Verletzung der Pfllicht aus § 433 I S. 2 BGB bzw. §§ 437 Nr. 3, 439 I BGB zu fordern.
  • Wie im Rahmen des §§ 437 Nr. 3, 311a II S. 1 BGB könnte ferner entweder das Vertretenmüssen der Pflichtverletzung gemäß § 433 I S. 2 BGB oder das Vertretenmüssen der Verletzung der Nacherfüllungspflicht ausreichen.

Eine Entscheidung bzgl. des Anknüpfungspunkts ist hier von besonderer Bedeutung, wenn etwa der Verkäufer berechtigterweise die Einrede des § 439 IV BGB erhoben hat und somit keine Pflichtverletzung im Hinblick auf die Nacherfüllung vorlag.

Streitentscheidung – Argumente

Unterschiede bzgl. der Überlegungen zu §§ 437 Nr. 3, 311a II S. 1 BGB ergeben sich hauptsächlich aus zwei Aspekten. So könnte sich einmal aus der Systematik, nämlich der Verweisung des § 280 III BGB auf § 281 I BGB ergeben, dass die für das Vertretenmüssen entscheidende Pflichtverletzung die Nicht- bzw. mangelhafte Nacherfüllung sein muss. Dies würde jedoch die Tatsache missachten, dass sich das Vertretenmüssen gemäß § 280 I S. 2 BGB auf den Begriff der Pflichtverletzung i.S.d. § 280 I S. 1 BGB bezieht. Im Fall des behebbaren Mangels nach Gefahrübergang umfasst dieser Begriff eben sowohl die Pflichtverletzung aus § 433 I S. 2 BGB als auch die Pflichtverletzung aus §§ 437 Nr.1, 439 I BGB.

Weiterhin ist zu bedenken, dass im Fall der Entbehrlichkeit der Frist gemäß § 281 II BGB die Nicht- oder Schlechtnacherfüllung als Bezugspunkt des Vertretenmüssens eigentlich nicht in Betracht kommt. Denn diese Entbehrlichkeit führt dazu, dass faktisch auf den Vorrang der Nacherfüllung verzichtet wird. Dies spricht dafür, dass zumindest auch die Verletzung der Pflicht aus § 433 I S. 2 BGB maßgeblich sein muss. Auf Grund dessen sowie des bereits erläuterten Zwecks der Nacherfüllung als „zweite Chance“ und der mangelnden Schutzwürdigkeit des Verkäufers muss wohl auch hier alternativ entweder die Pflichtverletzung aus § 433 I S. 2 BGB oder diejenige aus §§ 437 Nr. 3, 439 I BGB zu vertreten sein.

III. Sonderfall § 281 I Satz 2 oder 3 BGB – §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I S. 3 BGB bei Zuweniglieferung

Der Konflikt zwischen den einzelnen Schadensersatzansprüchen vor und nach Gefahrübergang zeigt sich vor allem auch in § 281 I S. 2 BGB, der im Fall der Teilleistung eingreift bzw. § 281 I S. 3 BGB, der für die teilweise Schlechtleistung maßgeblich ist. Vor Gefahrübergang könnte man so im Fall einer Zuweniglieferung einerseits eine Teilleistung andererseits aber auch eine teilweise Schlechtleistung annehmen. In Zusammenschau mit der Regelung nach Gefahrübergang, wonach eine Zuweniglieferung gemäß § 434 III Alt. 2 BGB einem Sachmangel gleichsteht, scheint es sich hingegen aufzudrängen auch im allgemeinen Schuldrecht im Fall der Zuweniglieferung immer auf die teilweise Schlechtleistung abzustellen. Konsequenz daraus wäre aber, dass § 281 I S. 2 BGB jegliche Bedeutung verlieren würde.

IV. §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB – Ersatz des Mangelfolgeschadens – Abgrenzung zur Verletzung einer Nebenpflicht gem. § 241 II BGB

1. Vor Gefahrübergang

Im allgemeinen Leistungsstörungsrecht findet § 280 I S. 1 BGB Anwendung im Fall der Verletzung einer Leistungspflicht bei Verträgen, bei denen kein Gewährleistungsrecht geregelt ist und bei der Verletzung von Nebenleistungspflichten im vorvertraglichen (§ 311 II BGB) oder im vertraglichen Schuldverhältnis.

2. Nach Gefahrübergang

Nach Gefahrübergang wird gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB der sogenannte Mangelfolgeschaden ersetzt. Darunter versteht man den Schaden, der an anderen Rechtsgütern als der mangelhaften Sache entsteht. Wiederum kommen sowohl die mangelhafte Leistung gemäß § 433 I S. 2 BGB als auch die Nichtnacherfüllung gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB als Anknüpfungspunkte für das Vertretenmüssen in Betracht. Letzteres mag insofern verwundern, als sich der Mangelfolgeschaden dadurch auszeichnet, dass er gerade nicht durch Nacherfüllung behoben werden kann. Allerdings entscheidet sich die Anwendbarkeit entweder der §§ 437 Nr. 3, 440, 280 I, III, 281 I BGB bzw. §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB allein danach, was für ein Schaden entstanden ist, also ein durch Nacherfüllung behebbarer oder nicht. Die Frage der Pflichtverletzung bleibt davon unberührt. Folglich muss bzgl. des Anknüpfungspunktes des Vertretenmüssens bei §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB das Gleiche gelten wie bei §§ 437 Nr. 3, 440, 280 I, III, 281 I BGB (s. B. II. 2. a.E.).

Beispiel:

V liefert einen PKW mit defekten Bremsen, wobei er schuldlos den Mangel nicht erkannt hat und ihn daher vor Gefahrübergang nicht beheben konnte. Nach Gefahrübergang weigert er sich trotz eines Hinweises des K den Mangel zu beheben. Als K ins Parkhaus fährt, reagieren die Bremsen nicht. Sein Auto rollt auf das des X, welches hierdurch beschädigt wird. Es ist auf Grund der Nichtnacherfüllung ein Mangelfolgeschaden entstanden. Das Vertretenmüssen bezieht sich vorliegend entweder auf die mangelhafte Leistung oder auf die Nichtnacherfüllung.

3. § 280 I S. 1 BGB direkt bei nichtleistungsbezogenen Nebenpflichtverletzungen

Sofern im Kaufvertragsrecht die Verletzung einer Nebenleistungspflicht in Betracht kommt, muss bei systematischer Vorgehensweise auch hier zwischen leistungs- und nichtleistungsbezogenen Pflichtverletzungen differenziert werden.

Wurde eine leistungsbezogene Nebenpflicht des Verkäufers verletzt, also vor allem eine Aufklärungs- und Informationspflicht bezüglich des Mangels, so liegt ein eindeutig kaufrechtlicher Bezug vor. Dieser rechtfertigt die Anwendung der Sondervorschriften der §§ 437 ff. BGB.

Anders verhält es sich bei der Verletzung nichtleistungsbezogener Nebenpflichten i.S.d. § 241 II BGB. Diese weisen keinen spezifischen Bezug zur mangelhaften Leistung auf, so dass es bei der direkten Anwendung des § 280 I 1 BGB bleibt.

Bedeutend ist dies vor allem für die Verjährung, die im Fall der Nichtanwendbarkeit des § 437 BGB innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren ab Schluss des Jahres, in dem Kenntnis erlangt wurde, gemäß §§ 195, 214 I BGB verjährt. Andernfalls greift hingegen § 438 BGB mit der in der Regel kürzeren und kenntnisunabhängigen Verjährungsfrist ein.

V. §§ 437 Nr. 3, 280 I, II, 286 I BGB – Verzug im Stadium der Nacherfüllung

Vor Gefahrübergang ersetzt § 286 I BGB den sogenannten Verzögerungsschaden, d.h. den Schaden, der dadurch entsteht, dass sich das Risiko eines vorliegenden Schuldnerverzugs verwirklicht hat. Nach Gefahrübergang ist die Rechtslage insofern nicht eindeutig, als § 437 BGB nicht ausdrücklich auf § 286 I BGB verweist. Allerdings hat dies nicht zur Folge, dass § 286 BGB im Rahmen der Mängelrechte keine Anwendung findet. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber den Verweis auf § 280 BGB und somit auch auf § 280 II BGB für hinreichend eindeutig hielt. Hierfür spricht schon die Tatsache, dass es keine vernünftigen Anhaltspunkte gibt, den Nacherfüllungsanspruch, der den ursprünglichen Erfüllungsanspruch nur in modifizierter Weise fortsetzt, bzgl. des Verzugs anders zu behandeln. Zumal es auch durchaus denkbar ist, dass sich der Verkäufer im Verzug mit der Nacherfüllung befindet.

C. Der Rücktritt

I. §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 346 I, 323 I, 326 V BGB

1. Vor Gefahrübergang

§ 326 V BGB gibt dem Käufer vor Gefahrübergang die Möglichkeit ohne vorherige Fristsetzung vom Vertrag zurückzutreten, wenn die Leistungserbringung dem Schuldner unmöglich ist. Dies hängt damit zusammen, dass eine Fristsetzung in diesem Fall keinen Sinn macht, da der Schuldner die Leistung tatsächlich nicht erbringen kann.

2. Nach Gefahrübergang im Stadium der Nacherfüllung

Nach Gefahrübergang ergibt sich aus § 437 BGB das Erfordernis einer Pflichtverletzung gemäß § 433 I S. 2 BGB. Daneben setzt § 326 V BGB die Unmöglichkeit des mittlerweile vorliegenden Nacherfüllungsanpruchs voraus. § 326 V BGB hat im Mängelrecht eine eigenständige Bedeutung, da das Unmöglichwerden der Nacherfüllung – anders als bei § 326 I S. 1 BGB – nicht zum Erlöschen der Gegenleistung führt, vgl. § 326 I S. 2 BGB. Der Käufer soll aber trotzdem die Möglichkeit haben, vom ganzen Vertrag ohne Fristsetzung zurücktreten zu können. Entscheidend für diesen selbstständigen Anspruch, vor allem in Abgrenzung zum Rücktrittsrecht nach §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 346 I, 440, 323 I BGB, ist vorliegend die Unmöglichkeit der Nacherfüllung. Ähnlich wie bei §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 283 BGB ist diese nämlich hier der ausschlaggebende Umstand, warum §§ 437 Nr. 2 Alt.1, 346 I, 323 I, 326 V BGB anstelle des Rücktritts wegen Nicht- bzw. Schlechtleistung Anwendung finden. Die Unmöglichkeit der Nacherfüllung stellt daher die zum Rücktritt berechtigende, maßgebliche Pflichtverletzung dar.

II. §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 346 I, 440, 323 I BGB

Das Rücktrittsrecht gemäß §§ 346 I, 323 I BGB ergibt sich vor Gefahrübergang daraus, dass der Verkäufer die geschuldete Leistung entweder überhaupt nicht oder nur mangelhaft erbringt. Was die maßgebliche Pflichtverletzung im Rahmen der §§ 437 Nr. 2 Alt.1, 346 I, 440, 323 I BGB ist, kann nur in Zusammenschau mit §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 346 I, 323 I, 326 V BGB beantwortet werden. Denn es handelt sich insoweit um alternative Rücktrittsmöglichkeiten. Demzufolge kommen §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 346 I, 440, 323 I BGB zur Anwendung, wenn eine sach- oder rechtsmängelbehaftete Leistung erbracht wurde, die Nacherfüllung jedoch gemäß § 439 I BGB noch möglich ist. Neben dieser Verletzung der Pflicht aus § 433 I S. 2 BGB ist es jedoch wiederum denkbar, dass der Verkäufer auch die Nacherfüllung nicht (§ 323 I Alt.1 BGB) oder mangelhaft (§ 323 I Alt.2 BGB) erbringt. Es bestehen also zwei Anknüpfungspunkte für die Ausübung des Rücktrittsrechts.

D. Die Minderung

Für die Minderung gemäß §§ 437 Nr. 2 Alt. 2, 441 I, III BGB gelten die Ausführungen zum Rücktritt entsprechend.

E. Fazit

Auch wenn die Schuldrechtsreform durch die Verweisung des § 437 BGB auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht die Eigenständigkeit des Gewährleistungsrechts sehr in Frage gestellt hat, ist es nach wie vor erforderlich zwischen den verschiedenen Stadien der Vertragsdurchführung zu unterscheiden. Die Tatsache, dass der ursprüngliche Erfüllungsanspruch zum Nacherfüllungsanspruch wird, muss entsprechend berücksichtigt werden. So entsteht neben der in § 437 BGB vorausgesetzten Pflichtverletzung des § 433 I S. 2 BGB ein weiterer Anknüpfungspunkt für eine Pflichtverletzung. Dies wirkt sich wiederum auf den Bezugspunkt des Vertretenmüssens aus. Eine pauschale Festlegung „der Pflichtverletzung an sich“ ist also nicht möglich.

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F. Anmerkungen

Zur Ergänzung siehe auch den Beitrag Rechtsfolgen des Rücktritts sowie die Artikel zur Nacherfüllung beim Kaufvertrag und zum Weiterfresserschaden, Klausur Forderungsabtretung.

Vertiefend siehe auch Klausur Gewährleistung beim Kaufvertrag, Schickschuld, Holschuld, relatives und absolutes Fixgeschäft, Pflichtverletzung nach § 280 I beim Kauf.

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