Zufluss-/Abflussprinzip im Steuerrecht
Ausnahmen von Zufluss- und Abflussprinzip
Im Zivilprozess herrscht der Grundsatz der Parteiherrschaft über das Verfahren. Es bestehen mehrere Möglichkeiten einen Rechtsstreit zu beenden: Klagerücknahme, Anerkenntnis, Verzicht oder Erledigungserklärung. Im folgenden Artikel wird die Erledigungserklärung dargestellt. Diese ist besonders für das Assessorexamen wichtig. Unterschieden wird zwischen der übereinstimmenden und der lediglich einseitigen Erledigungserklärung. Darüber hinaus gibt es noch die Teilerledigungserklärung.
A. Übereinstimmende Erledigungserklärung, § 91 a ZPO
1. Allgemeines:
Eine spezielle Norm der Erledigungserklärung gibt es in der ZPO nicht. Jedoch wird diese Möglichkeit in § 91 a ZPO im Rahmen der Kostenentscheidung vorausgesetzt. Da im Zivilprozess die Dispositionsmaxime gilt, haben die Parteien die Möglichkeit, den Prozess jederzeit zu beenden (im Gegensatz zum Offizialprinzip des Strafprozesses).
2. Wirkung:
Erklären beide Parteien übereinstimmend die Erledigung, so endet der Prozess allein durch diese Handlungen. Dies ist der Fall der übereinstimmenden Erledigungserklärung. Die Erledigungserklärung ist bis zur Rechtskraft des Urteils möglich. Das heißt, solange die Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels noch läuft, kann übereinstimmend für erledigt erklärt werden. Liegt z.B. bereits ein Urteil vor, welches jedoch noch nicht rechtskräftig ist und wird dann erst für erledigt erklärt, so hebt das Gericht das Urteil nicht auf (§ 269 III 1 2. HS ZPO analog), sondern stellt lediglich mit Beschluss nach § 269 IV ZPO analog fest, dass sich der Prozess erledigt hat. Es hat folglich nur noch über die Kosten zu entscheiden, vgl. § 91 a ZPO. Folge der Erledigungserklärung ist, dass die Rechtshängigkeit erlischt.
Zu beachten ist, dass wenn nur der Hauptsacheantrag für erledigt erklärt wurde, ein Hilfsantrag weiterhin rechtshängig bleibt. Eine Klagerücknahme im Ganzen kommt zwar nicht mehr in Betracht. Es besteht aber weiterhin die Möglichkeit, auch noch den Hilfsantrag für erledigt zu erklären. Mit der Erledigungserklärung ist das Verfahren beendet. Es kommt nicht mehr darauf an, ob die Klage ursprünglich zulässig und begründet war bzw. ob tatsächlich ein erledigendes Ereignis vorgefallen ist (vgl. Musielak/Voit, ZPO, 17. Auflage 2020, § 91a Rn. 17). Die Erledigungserklärung tritt an die Stelle des ursprünglichen Antrags und erledigt ihn zugleich.
3. Besonderheiten:
Gemäß § 91a I 1 ZPO i.V.m. § 78 III ZPO ist selbst vor dem Landgericht kein Anwaltszwang erforderlich, da die Erledigungserklärung auch vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden kann. Außerdem kann die Erledigung in der mündlichen Verhandlung oder durch Schriftsatz erklärt werden.
§ 91 a I 2 ZPO ermöglicht die Fiktion der Zustimmung des Beklagten: Widerspricht dieser nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen der Erledigungserklärung des Klägers, so gilt dies als Zustimmung. Voraussetzung hierfür ist, dass ihm die Erledigungserklärung mit Schriftsatz zugestellt wurde und er entsprechend belehrt wurde.
Nach BGH NJW 2002, 442 ist die Erledigungserklärung unwiderruflich, wenn sich der Gegner der Erledigungserklärung angeschlossen hat. Bei der übereinstimmenden Erledigungserklärung erlangt der Beschluss keinerlei materielle Rechtskraft, weil das Gericht nicht über den Anspruch, sondern nur über die Kosten entschieden hat. Es kann daher derselbe Streitgegenstand nochmal durch Klage geltend gemacht werden (vgl. Musielak/Voit, § 91 a Rn. 19). Zu beachten ist allerdings, dass dies nach § 242 BGB im Einzelfall wegen Rechtsmissbrauch unzulässig sein kann.
4. Prüfschema:
a. Zulässigkeit der Erledigterklärung
aa) Erledigterklärung des Klägers mündlich, durch Schriftsatz oder zu Protokoll der Geschäftsstelle bb) Zustimmung durch Beklagten bzw. Fiktion
b. Rechtsfolge
Das Gericht entscheidet durch Beschluss über die Kosten des Rechtsstreits. Dies erfolgt durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten der ursprünglichen Klage.
5. Kostenentscheidung:
Die Kostenentscheidung ergeht als Beschluss und ergibt sich aus §§ 91, 91a ZPO. Sie richtet sich nach dem Ermessen des Gerichts. Dieses prüft im Fall der Erledigungserklärung hypothetisch, wer nach Rechts- und Sachlage in der Hauptsache die Kosten hätte tragen müssen. Die Kosten werden folglich entsprechend gequotelt. Hinzugezogen werden kann dabei auch § 93 ZPO (wer Anlass zur Klage gegeben hat).
6. Behandlung im Assessorexamen (Urteil):
I. Tenor
Die übereinstimmende Erledigungserklärung wird im Tenor nicht berücksichtigt. Zwar wirkt sich der erledigte Teil auf die Kostenentscheidung aus. Doch aus der Formel muss sich nicht ergeben, zu welchem Teil die Kostenentscheidung auf § 91a ZPO beruht. Der Tenor kann beispielsweise so lauten: „Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Beklagte ¼ und der Kläger ¾.“
II. Gründe
Während bei einem Urteil grundsätzlich zwischen Tatbestand und Entscheidungsgründen unterschieden wird, folgen dem Tenor bei einer reinen Kostenentscheidung lediglich die „Gründe“. Diese werden wiederum in Sachverhaltsdarstellung und Kostenentscheidung gegliedert. Die Aufteilung erfolgt jedoch ohne Überschriften. aa) In der Schilderung des Sachverhalts ist die Erledigungserklärung im Rahmen der Prozessgeschichte, am besten vor Benennung der zuletzt gestellten Anträge, zu erwähnen. bb) In der Kostenentscheidung folgt die rechtliche Begründung der Kostenverteilung anhand der Hauptsache nach billigem Ermessen. cc) Nicht vergessen: Unterschrift des/der Richter(s/in)
B. Einseitige Erledigungserklärung des Klägers
1. Allgemeines
Im Gegensatz zur übereinstimmenden Erledigungserklärung stellt die einseitige Erledigungserklärung des Klägers keine Beendigung des Verfahrens dar. Denn der Beklagte schließt sich der Erledigungserklärung nicht an. Die einseitige Erledigungserklärung bewirkt vielmehr nach h.M. eine Klageänderung in eine Feststellungsklage. Damit bleibt die Rechtshängigkeit der Hauptsache bestehen. Das Gericht entscheidet durch Urteil, da § 91 a ZPO nicht anwendbar ist. Es wird eben nicht nur über die Kosten entschieden.
2. Voraussetzungen und Wirkung
Die einseitige Erledigungserklärung kommt in Betracht, wenn ein Klageantrag nach Rechtshängigkeit gegenstandslos wird. Es wird beispielsweise eine fällige Geldforderung nach Klageerhebung bezahlt. Somit ist ein erledigendes Ereignis eingetreten, welches die Klage im Nachhinein unbegründet werden lässt.
a. Voraussetzungen und Taktik im Prozess
Ist die ursprünglich zulässige und begründete Klage durch ein nach Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis unzulässig und/oder unbegründet geworden, bestehen mehrere Handlungsmöglichkeiten.
aa. Prozesstaktik des Klägers
(1) Hält er weiterhin unverändert an seiner Klage fest, so hätte er nach § 91 ZPO die Kostenlast zu tragen. Das Gericht würde in der Regel seinen Klageantrag aufgrund der Erledigung als unbegründet abweisen. (2) Genauso gestaltet es sich, wenn er gemäß § 306 ZPO einen Verzicht erklärt oder die Klage nach § 269 I ZPO zurücknimmt. (3) Somit stellt die einseitige Erledigungserklärung für den Kläger die beste Möglichkeit dar, die Kostenlast möglichst gering zu halten oder bestensfalls abzuwenden. (4) Der Kläger kann jedoch zusätzlich seinen alten Antrag hilfsweise aufrechterhalten, wenn er sich bzgl. der Erledigung unsicher ist.
bb. Prozesstaktik des Beklagten
(1) Der Beklagte kann der Erledigung zustimmen. Es liegt dann die oben dargestellte übereinstimmende Erledigungserklärung vor. Nach § 91 a ZPO ergeht lediglich ein Kostenbeschluss: Der Beklagte hat die Kosten zu tragen, wenn die Klage nach Erhebung unzulässig oder unbegründet geworden ist, ohne dass der Kläger dies verursacht hat. Für eine von Anfang an unzulässige oder unbegründete Klage hat der Kläger die Kosten zu tragen. (2) Der Beklagte stimmt nicht zu und hält seine Klageabweisung aufrecht. Dies ist dann der Fall der einseitigen Erledigungserklärung. Es ergeht ein Endurteil mit entsprechender Kostenverteilung.
b. Wirkung der einseitigen Erledigungserklärung
Nach § 264 Nr. 2 ZPO wandelt sich die ursprüngliche Klage in eine Feststellungsklage (Klageänderungstheorie), vgl. Musielak/Voit, § 91 a Rn. 29. Aus prozessualer Sicht liegt somit eine Beschränkung des ursprünglichen Antrags vor. Es besteht für den Kläger nach § 256 I ZPO ein Feststellungsinteresse, denn die Parteien streiten über das Bestehen oder Nicht-Bestehen eines Rechtsverhältnisses.
Es wird festgestellt, dass
- die Klage im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig und
- begründet war und
- sie nachträglich durch das erledigende Ereignis nach Rechtshängigkeit unzulässig oder unbegründet geworden ist.
Die Feststellungsklage hat demnach Erfolg, wenn die Hauptsache erledigt ist. Es muss ein besonderes Feststellungsinteresse als qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis vorliegen, vgl. § 256 ZPO. Dies ist in der Regel in dem Interesse an einer günstigen Kostenentscheidung zu sehen. Da die einseitige Erledigungserklärung von § 91 a ZPO nicht erfasst wird, ist umstritten, ob nach Schluss der mündlichen Verhandlung der Rechtsstreit noch einseitig für erledigt erklärt werden kann. Zum Teil wird vertreten, das Gericht müsse hier die Verhandlung wiedereröffnen (§ 156 ZPO), wenn sich der Beklagte der Erledigungserklärung nicht anschließt. Nach Erlass der Urteils vor Ablauf der Rechtsmittelfrist kommt eine einseitige Erledigungserklärung hingegen nur noch in Verbindung mit einem Rechtsmittel für das Rechtsmittelverfahren in Betracht.
3. Besonderheiten
Erklärt der Kläger die Hauptsache für erledigt, ändert sich der Streitwert. Das Gericht schätzt diesen dann gemäß § 3 ZPO, vgl. Musielak/Voit § 91 a Rn. 47. Maßgeblich ist hierbei das sog. Kosteninteresse des Klägers, das sich anhand der bis zur Erledigungserklärung angefallenen gerichtlichen und erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten bestimmen lässt.
4. Prüfschema der einseitigen Erledigungserklärung des Klägers
(a). Zulässigkeit der einseitigen Erledigungserklärung
a. Erledigterklärung des Klägers mündlich, durch Schriftsatz oder zu Protokoll der Geschäftsstelle b. keine Zustimmung durch den Beklagten
(b). Zulässigkeit der Feststellungsklage
a. Klageänderung, § 264 Nr. 2 ZPO
b. Feststellungsinteresse, § 256 I ZPO
c. Zuständigkeit, § 261 III Nr. 2 ZPO
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a. Zulässigkeit der ursprünglichen Klage im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses
b. Begründetheit der ursprünglichen Klage im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses
c. Eintritt des erledigenden Ereignisses
5. Rechtsfolge und Kostenentscheidung
Das Gericht entscheidet durch Urteil in der Sache. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 91 ZPO.
6. Behandlung im Assessorexamen (Tenorierung)
Der Tenor ergeht in Form eines normalen Endurteils. Er kann z.B. für den Fall, dass der Kläger obsiegt, wie folgt lauten: I. Der Rechsstreit ist in der Hauptsache erledigt. II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Für den Fall, dass der Kläger unterliegt, lautet der Tenor wie folgt: I. Die Klage wird abgewiesen. (Hinweis: Die Abweisung bezieht sich hier auf den Feststellungsantrag und nicht auf die ursprüngliche Klage.) II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits. III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
C. Teilerledigungserklärung
1. Allgemeines
Man unterscheidet zwischen übereinstimmender und einseitig klägerischer Teilerledigungserklärung. Grundsätzlich hat die Teilerledigung die gleichen Voraussetzungen und Wirkungen wie oben ausgeführt. Die Teilerledigungserklärung ist zulässig, soweit sie sich auf einen Teil des Streitgegenstandes oder auf einen von mehreren Streitgegenständen bezieht. Sie beseitigt also zum entsprechenden Teil die Rechtshängigkeit (siehe Musielak/Voit § 91a Rn. 51). Jedoch ist stets durch Urteil mit einheitlicher Verteilung aller Kosten zu entscheiden (siehe Musielak/Voit § 91a Rn. 52).
2. Abgrenzung übereinstimmende Teilerledigung und einseitige Teilerledigung
Bei der übereinstimmenden Teilerledigung muss der Beklagte ausdrücklich oder wenigstens stillschweigend der teilweisen Erledigungserklärung des Klägers zustimmen. Andernfalls handelt es sich um eine einseitige Teilerledigungserklärung des Klägers. Der Beklagte hält also an seinem Klageabweisungsantrag fest. § 91a ZPO kommt nur hinsichtlich der übereinstimmenden Teilerledigung zur Anwendung. Die Kosten verteilen sich im Übrigen nach § 91 ZPO. Folglich entscheidet das Gericht zum einen über den Rest der ursprünglichen Klage (Kosten nach § 91 ZPO) und zum anderen über die Kosten nach § 91 a ZPO.
3. Prüfschema
a. Übereinstimmende Teilerledigungserklärung
(a). Zulässigkeit der Erledigtererklärung
aa) Erledigterklärung des Klägers mündlich, durch Schriftsatz oder zu Protokoll der Geschäftsstelle bb) Zustimmung durch den Beklagten bzw. Fiktion
(b). Begründetheit der Klage
a) Für den für erledigt erklärten Teil entfällt die Begründetheitsprüfung, da die Rechtshängigkeit erloschen ist. b) Der Rest (nicht für erledigt erklärter Teil) wird ganz normal geprüft.
(c). Kostenentscheidung
a) Die Kostenentscheidung ergibt sich hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils aus § 91 a ZPO. b) Für den Rest gilt § 91 ZPO.
b. Einseitige Teilerledigungserklärung
(a). Zulässigkeit der einseitigen Erledigung
a. Erledigungserklärung des Klägers mündlich, durch Schriftsatz oder zu Protokoll der Geschäftsstelle b. keine Zustimmung durch den Beklagten
(b). Zulässigkeit der Feststellungsklage
a. Klageänderung, § 264 Nr. 2 ZPO
b. Feststellungsinteresse, § 256 I ZPO
c. Zuständigkeit, § 261 III Nr. 2 ZPO
(c). Begründetheit der Feststellungsklage
a. Ursprüngliche Zulässigkeit und Begründetheit des Klagantrags sowie Eintritt eines diesen Teil des Rechtsstreits erledigenden Ereignisses
b. Der Rest wird ganz normal geprüft.
(d). Kostenentscheidung
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
4. Behandlung im Assessorexamen (Tenorierung)
a. Übereinstimmende Teilerledigungserklärung
I. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger … zu zahlen. II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits (§§ 91, 91 a ZPO). III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
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