Ergänzungsstudium: Verwaltungsstation Speyer-Semester
Informativer Bericht zur Referendarstation an der Uni Speyer mit vielen Tipps und interessanten Erfahrungswerten zum Speyer-Semester.
Wer sich mit den Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen des Rechtsreferendariats auseinandersetzt, stößt dabei auf eine interessante Option, die derzeit von nur wenigen Referendaren wahrgenommen wird: Das dreimonatige Ergänzungsstudium an der Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. Dieser Beitrag gibt einen Überblick für diejenigen, die mit dem Gedanken spielen, das Referendariat um eine interessante und prägende Erfahrung zu bereichern. Ich selbst habe die Universität im Wintersemester 2014/2015 besucht und war im Vorfeld gespannt, was mich erwarten würde. Bringt es was? Wie sind die Kurse? Kann ich mich noch gut auf das Zweite Examen vorbereiten? Die Antworten gibts hier:
1. Was ist das Speyer-Semester genau?
Einen guten Überblick gibt die neu gestaltete Internetseite der Fakultät (http://www.uni-speyer.de/de/studium/ergaenzungsstudium-im-referendariat/profil.php). Speziell für Rechtsreferendare bietet sich die Möglichkeit, sich entweder im Rahmen der Verwaltungspflicht- und/oder Wahlstation bzw. der Anwaltsstation an die Uni entsenden zu lassen.
a) Verwaltungswissenschaftliches Ergänzungsstudium
Für alle Referendare, die sich später eine Tätigkeit in der öffentlichen Verwaltung vorstellen können, eignet sich das dreimonatige Ergänzungsstudium in Speyer hervorragend. Es handelt sich dabei um eine Art Referendarstudium mit Schwerpunkt auf dem Öffentlichen Recht, das aber angereichert ist mit weiteren Fächern. Dabei soll das vorhandene Wissen vertieft und erweitert werden. Es findet eine intensive Betreuung in Kleingruppen statt, dazu gibt es Pflichtklausuren, Seminare, Übungen und Arbeitsgemeinschaften.
Die Uni kann einen in der relativ kurzen Zeit zwar nicht zum „Generalisten“ ausbilden, man ist aber ziemlich frei in der Auswahl von sehr vielen Veranstaltungen, die einem im Öffentlichen Recht einen weiteren „Schliff“ geben und zudem durch den interdisziplinären Ansatz einen Blick über den Tellerrand ermöglichen. Hier sollte man einmal einen Blick in das Vorlesungsverzeichnis auf der Webseite der Universität werfen. Die Universität steht Hörern aus der ganzen Bundesrepublik offen, die die entsprechenden Zulassungsvoraussetzungen mitbringen. Dadurch ist das Publikum sehr heterogen, hat aber ähnliche Interessenschwerpunkte, was zu einem positiven und spannendem Arbeitsklima führt.
b) Stadt
Speyer ist eine der ältesten deutschen Städte und befindet sich ganz in der Nähe von Mannheim, Hockenheim und Heidelberg in Rheinland-Pfalz. Sie zählt etwa 50.000 Einwohner und liegt direkt am Rhein. Hauptattraktion ist natürlich der Dom zu Speyer, aber auch das Technik-Museum und das Historische Museum der Pfalz. Die Stadt hat eine ungewöhnlich hohe Dichte an Cafés und verfügt über eine wunderschöne Altstadt.
c) Universität
Die Uni ist eine Besonderheit in der Bundesrepublik. Sie wurde nach dem Krieg von der französischen Besatzungsmacht gegründet und sollte eine demokratisch gesinnte Beamtenschaft ausbilden. Heute versteht die Universität auch ihre Aufgabe darin, den Führungsnachwuchs der öffentlichen Verwaltung heranzubilden. Die Uni wird von allen Bundesländern getragen. Sie ist eine „post-universitäre“ Universität, bildet also nur bereits Graduierten weiter. Etwa die Hälfte der Studierenden sind Rechtsreferendare aus allen Bundesländern. Dort studieren aber auch andere Absolventen, insbesondere Ökonomen, Politikwissenschaftler und Sozialwissenschaftler und vereinzelt auch Erasmusstudenten. Außerdem bietet sie regelmäßig Fortbildungen und Tagungen für die Praxis an.
d) Termine
Das Sommersemester geht vom 1. Mai bis 31. Juli. Das Wintersemester umfasst den Zeitraum 1. November bis 31. Januar.
2. Besteht die Gefahr, dass die Examensvorbereitung hierunter leidet?
Das kommt drauf an, wie man das Semester nutzt. Bei guter Organisation, sinnvoller Kursbelegung und nicht allzu exzessivem Partykonsum besteht eine gute Möglichkeit, sich optimal vorzubereiten. Die Landes-AGs haben einen staats- und verwaltungsrechtlichen Schwerpunkt und bereiten zusammen mit der exzellenten Vorlesung zur Klausur im Öffentlichen Recht bei Richter am Verwaltungsgericht Roland Kintz gut auf den öffentlich-rechtlichen Teil der Staatsprüfung vor. So wurden in der Bayern AG insgesamt acht repräsentative Originalexamensklausuren (inklusive der gestellten Klausuren) besprochen. Als besonders hilfreich empfand ich auch das Angebot der Universität, steuerrechtliche Originalexamensklausuren aus Bayern zu besprechen und dies mit einer AG zum Thema „anwaltliche Beratung im Steuerrecht“ abzurunden. Eine bessere Vorbereitung hätte ich mir hier nicht wünschen können.
Im Übrigen besteht das Angebot, einen kurzweiligen Kurs zum Zwangsvollstreckungsrecht zu besuchen, welches in vielen Bundesländern Dauergast in der Prüfung ist. Zudem bietet die Uni eine gut besuchte Veranstaltung mit Fallbesprechungen zum Zivil- und Strafrecht an. Dort werden Originalklausuren aus dem ganzen Bundesgebiet besprochen, zum Beispiel aus Bayern, Rheinland-Pfalz und Sachsen. Sie decken ein breites Themenspektrum ab und werden von einem motivierten Richter vorgestellt. Alle Kursmaterialien sind über ein Passwort auf der Lernplattform OLAT abrufbar. Dennoch empfiehlt es sich, seinen eigenen Lernplan bis zum Examen nicht völlig aus den Augen zu verlieren, denn in der Zeit, die man in Speyer verbringt, läuft das „Programm“ im Heimatbundesland ja auch weiter. Man sollte daher neben den genannten Kursen noch eigenständig an anderen Rechtsgebieten arbeiten, um nicht aus dem Tritt zu kommen. Vor allem im Strafrecht ist das Kursangebot sehr dünn.
3. Was muss ich belegen?
Die Uni schreibt zunächst vor, dass man aus der Fülle des Programms mindestens 20 Semesterwochenstunden (SWS) belegen muss. In der Auswahl ist man grundsätzlich frei – es lohnt insofern einen gründlichen Blick in das Vorlesungsverzeichnis mit über 100 Lehrveranstaltungen zu werfen. Leider schränken die Bundesländer diese Auswahl aber etwas ein und machen Vorgaben, bestimmte Veranstaltungsgruppen zu (in der Regel) 10 SWS zu belegen. Für Bayern bedeutet das beispielsweise, die Landes-AG (3 SWS) und eine Reihe rechtsberatender und rechtsgestaltender Veranstaltungen zu besuchen, da das Semester dort nur in der Anwaltspflichtstation besucht werden kann.
Überdies ist der Besuch einer Arbeitsgemeinschaft verpflichtend, in der in der Regel ein Referat gehalten werden muss, oft auch Arbeiten geringeren schriftlichen Umfangs.
Zudem muss ein Seminar besucht werden. Keine Angst: Hier findet jeder, der sich rechtzeitig anmeldet, etwas Interessantes. Mich lockte damals das Seminar zur Untersuchung der Ursachen und Konsequenzen der Eurokrise. Hier schreibt man eine Seminararbeit, wobei der Umfang dieser Arbeit vom Seminar zu Seminar variiert. Man sollte früh anfangen, seine schriftlichen Pflichtarbeiten zu erledigen, um gegen Ende des Semesters mehr Raum zum Lernen zu haben.
Wer weiß, dass er später noch einen draufsetzen wird, kann seine Kurse so legen, dass er sie sich für ein weiteres Semester zum „Mag.rer.publ.“ bzw. zum LL.M.-Studiengang „Staat und Verwaltung in Europa“ anrechnen lassen kann.
4. Stimmt es, dass dort nur Party gemacht wird?
Ja. Das Gerücht ist wahr. Ich füge aber ein großes „aber“ hinzu: Man muss nicht feiern, wenn man nicht feiern will. Niemand wird gezwungen. Es gehört aber zum Ausgleich nach anstrengenden Lern- und Arbeitstagen dazu und ist ein Teil des viel gerühmten „Spirit of Speyer“, mit den Leuten in Kontakt zu kommen und gemeinsam etwas Spaß zu haben. Jedes Bundesland organisiert beispielsweise allein oder im Verbund mit anderen eine eigene Länderparty und kann dabei auf einen hergebrachten Leitfaden zugreifen. So gab es etwa eine Ost-Party, eine Bayern-Party, eine Nord-Party, eine Schwaben-Party und eine Luftbrückenparty. Zudem wird ein festlicher Abschlussball inklusive Tanzkursen organisiert. Im Sommer (manchmal sogar im Winter) wird auf der Terrasse vor dem Wohnheim gegrillt. Unter der Woche lockt dienstags die Bierbar im Wohnheimkeller. Was es damit genau auf sich hat, will ich aber nicht verraten, das muss man schon mal selbst erlebt haben ;). Es werden aber auch viele Exkursionen angeboten und die Hörerschaft organisiert sich in etlichen Sportkursen, wozu auch die Speyerer Turnhallen genutzt werden.
5. Wie sieht es mit Unterkünften und Essen aus?
Es gibt zwei Wohnheime („Freiherr vom Stein“ und „Gästehaus Otto Mayer“). Das erste Wohnheim ist etwas älter und kleiner, wurde aber saniert und beherbergt im Keller Bierbar und Kickertische, im Erdgeschoss Gemeinschaftsräume und Hörerschaftssekretariat. Es verfügt über 52 Doppelzimmer. Hier wird es abends und nachts öfter mal laut. Das Otto Mayer Wohnheim ist ruhiger, moderner und größer, teilweise findet dort auch Unterricht statt. Hier gibt es 56 Einzelzimmer. Die Unterbringung ist möglich für Hörer, die eine weite Anfahrt haben. Die monatlichen Kosten bewegen sich um die 130 €. Wer, genau wie ich, das „Pech“ hatte, kein Zimmer in einem Wohnheim zu erhalten (es erfolgt hier eine Auslosung bei Bewerberüberhang), der kann auf eine von der Uni geführte Zimmerdatenbank für Privatvermieter zugreifen. Ich hatte das Glück, dadurch für ca. 330 € im Monat in einer recht komfortablen und geräumigen Altbauwohnung zu wohnen. Von den anderen Hörern, die ebenfalls Privatzimmer anmieteten, habe ich kaum Klagen gehört.
Auf dem Campusgelände befindet sich auch eine kleine Taberna, in der man frühstücken und mittagessen kann. Die Meinungen zur Qualität des Essens dort sind gespalten, es ist aber für Hörer möglich, sehr preiswert zu speisen.
6. Hat es was gebracht?
Am Anfang hatte ich da so meine Zweifel, da die AGs zuhause ja ohne mich weiterliefen und ich aus meinem gewohnten Lernrhythmus anfangs etwas herausgerissen wurde. Aber im Nachhinein kann ich nur sagen: Auf jeden Fall! Das Speyersemester war die wohl intensivste Zeit meiner Ausbildung und hat meinen Horizont erweitert. Durch zwei schlimme Tragödien in der Hörerschaft ist unser Jahrgang besonders zusammengewachsen und hat sich gegenseitig gestützt. Ich habe Kontakte in ganz Deutschland aufgebaut und denke gerne an diese Phase zurück. Auch die Examensvorbereitung war soweit in Ordnung. Unterm Strich würde ich es jederzeit wiederholen und weiterempfehlen. Man muss einfach etwas aus den drei Monaten machen, auch wenn es einen gewissen organisatorischen und finanziellen Aufwand bedeutet.
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Bei Amazon kaufen7. Sonstige Hinweise und Tipps
Im Sommersemester kann es sehr schwül in der Stadt werden, weil sie direkt im Rheingraben liegt und die Gegend zu den heißesten in ganz Deutschland zählt. Es hat sich sehr bezahlt gemacht, den Hinweisen anderer Erfahrungsberichte zu folgen und ein Fahrrad mitzunehmen, denn auf Dauer verliert man zu Fuß zu viel Zeit. Wer nicht nur lernen will, kann sich auch für Posten in der Hörerschaft zur Wahl stellen lassen und interessante Projekte mitstemmen. Man sollte unbedingt auch Ausflüge in die Region machen, die sehr viele Sehenswürdigkeiten bietet. Und natürlich ist die Gegend bekannt für den pfälzischen Wein und das gutes Essen. Übrigens findet man direkt am Dom eine sehr gute Gaststätte, in der schon Helmut Kohl gespeist hat. Man sollte sich in seinem Heimatbundesland bei Interesse genau informieren, wie die Entsendungsmodalitäten ablaufen und inwieweit es Trennungsgeld gibt.
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