Remonstration gegen Hausarbeit
Beispiel einer Remonstration gegen die Benotung einer Hausarbeit als Muster. Struktur der Einwendungen gegen die Bemerkungen des Korrektors.
An dieser Stelle veröffentlichen wir als Beispiel für eine Remonstration gegen eine Hausarbeit eine erfolgreich eingereichte Original-Remonstration gegen eine Hausarbeit im Öffentlichen Recht. Diese kann – unabhängig vom Inhalt – zumindest formal mit als Muster und Formulierungshilfe für die Erstellung einer eigenen Remonstration genutzt werden. Diese Vorlage will weiterhin zeigen, wie die Entscheidung BVerfGE 84, 34 (Bewertungsspielraum der Prüfer bei Prüfungsentscheidungen) in den Text einer Remonstration mit eingebaut werden kann. An anderer Stelle haben wir eine Klausur-Remonstration als Formulierungshilfe vorgestellt. Fragen zu Remonstrationen beantworten wir gerne. In eiligen Fällen können Sie sich direkt mit Herrn Rellensmann unter (0173) 20 56 303 (Jura Individuell- Notfall- Telefon) in Verbindung setzen. Zur Ergänzung siehe auch die in den Kategorien Juristische Ausbildung und Examensvorbereitung veröffentlichten Beiträge.
Remonstration zur Hausarbeit:
Übungen im öffentlichen Recht für Fortgeschrittene SS 2010
vom: 18.04.2010
korrigiert am: 22.05.2010
erstellt von:
Herrn
Wilfried Meyer
Am Boxberg 7
80000 München
am: 28.05.2010
Matrikelnummer: 111111
für Lehrstuhl:
Prof.Dr. Gerno x.
Am Graben 05
80000 München
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Hausarbeit des Unterzeichners wurde mit 03 Punkten bewertet. Unter Berücksichtigung der folgenden Darlegungen und Einwendungen beantragt der Verfasser eine Benotung mit mindestens 04 Punkten vorzunehmen.
1.) Einwendungen gegen die Korrektur der Ausführungen zur Anwendbarkeit der §§ 32 ff BNatSchG auf potentielle FFH-Gebiete auf den Seiten 4, 6-8 der Hausarbeit.
Der Korrektor bemerkt auf den Seiten 4 und 6 der Hausarbeit, dass sich aus der Regelungssystematik der §§ 32 ff BNatSchG ergebe, dass diese Normen nur anwendbar seien, wenn es sich um ein bereits festgesetztes FFH-Gebiet handele. Auf nicht festgesetzte, potentielle Gebiete sei die Richtlinie unmittelbar anzuwenden. Diesen Ausführungen des Korrektors möchte der Verfasser folgende Einwendungen entgegenhalten:
a.) Die Richtlinie ist gemäß Art. 249 EG ein an die Mitgliedstaaten gerichteter Rechtsakt, der zwar hinsichtlich des zu erreichenden Ziels Verbindlichkeit beansprucht, jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel der Umsetzung überläßt.
aa.) Das Umsetzungserfordernis kann allerdings zu Gefährdungen der Einheitlichkeit des Gemeinschaftsrechts führen. Sofern der Mitgliedstaat nämlich schlicht untätig bleibt und eine Umsetzung verweigert oder aber Regelungen erlässt, die der Richtlinie widersprechen, begründet dies zwar eine Vertragsverletzung des jeweiligen Mitgliedsstaates, allerdings hat der Einzelne in einem solchen Fall prinzipiell keine Möglichkeit, sich auf mögliche Rechte die ihm durch die Richtlinie gewährt werden sollten, zu berufen. Der effetutile-Gedanke erfordert es daher, dem Einzelnen die Möglichkeit zu eröffnen, sich unter bestimmten Voraussetzungen auch auf nicht oder falsch umgesetzte Richtlinienbestimmungen zu berufen. Hinzu kommt die Überlegung, dass der säumige Mitgliedstaat dem Einzelnen nicht seine eigenen Umsetzungsversäumnisse entgegenhalten kann, weshalb er unter diesen Voraussetzungen bestimmte Richtlinienregelungen gegen sich gelten lassen muss. Die Anforderungen, die der EuGH dabei an eine solche unmittelbare Wirkung stellt, sind die folgenden:
- die Umsetzungsfrist der Richtlinie muss abgelaufen sein, ohne dass sie richtig oder vollständig in nationales Recht umgesetzt wurde;
- die Bestimmungen der Richtlinie müssen inhaltlich unbedingt und hinreichend genau bestimmt sein.
bb.) Im vorliegenden Fall wurde die FFH-Richtlinie durch die §§ 32 ff BNatSchG iVm § 38 I NatSchG BaWü wortgenau umgesetzt. Damit wurde die Richtlinie vollständig in nationales Recht transformiert. Insofern liegt kein anerkannter Fall einer unmittelbaren Wirkung der Richtlinie vor. Der Rückgriff auf die unmittelbare Wirkung der Richtlinie für den der Hausarbeit zugrundeliegenden Fall eines faktischen FFH-Gebietes ist insofern nicht notwendig, da die §§ 32 ff BNatschG iVm § 38 I NaSchG BaWü mit der Richtlinie wortgleich sind. In diesem Fall unterliegt das faktische FFH-Gebiet den Schutznormen der bestehenden nationalen Gesetzgebung, wie es das BVerwG im 107. Band auf den Seiten 1ff, Kernseite 17, entschieden hat. Ein Rückgriff auf die FFH-Richtlinie iVm. Art. 10 EGV wäre unter den oben aufgezeigten Bedingungen für eine unmittelbare Wirkung einer Richtlinie nur dann zulässig, wenn die bereits umgesetzte Richtlinie nicht richtig oder unvollständig in nationales Recht umgesetzt worden wäre. Nur dann läge ein vom EuGH anerkannter Fall der unmittelbaren Wirkung einer Richtlinie vor.
cc.) Insofern wurde von dem Verfasser richtig gesehen, dass kein von der Rechtsprechung anerkannter Fall einer mittelbaren Wirkung der FFH-Richtlinie vorliegt, sondern mit der Rechtsprechung das faktische FFH-Gebiet unter den Schutz des nationalen Rechts zu stellen ist. Mithin kann die Gesetzessystematik der §§ 32 ff BNatchG keine von den oben aufgezeigten Grundsätzen abweichende Auslegung zulassen.
b.) Zu den allgemein anerkannten und überprüfbaren Bewertungsgrundsätzen gehört es, dass die Prüfungsleistungen der Bearbeiter in angemessener Weise Eingang in die Bewertung finden.
aa.) Dabei ist bei der Bewertung einer Klausur/Hausarbeit nicht lediglich eine punktemäßige Addition positiver Aspekte vorzunehmen, sondern die Arbeit in ihrer Gesamtheit zu betrachten und zwar unter besonderer Berücksichtigung von Aufbau, Gedankenführung, Problembewusstsein, juristischem Verständnis, Sachverhaltsauswertung, richtiger Lösungsansätze, sprachlicher Fassung, Argumentationsfähigkeit, praxisorientierter Denkweise und auch aus dem Gesichtspunkt der praktischen Verwertbarkeit.
bb.) Weiterhin muß nach der Entscheidung des BVerfG (BVerfG, Beschluß vom 17.04.991 = BVerfGE 84, 34) dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum eingeräumt werden, soweit die Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfragen nicht eindeutig bestimmbar sind.
Ob bei der vorliegenden Fallkonstellation wirklich ein Fall der unmittelbaren Wirkung der FFH-Richtlinie vorliegt, ist nach den oben dargelegten Ausführungen fraglich. Insoweit liegt hier ein Fall vor, in welchem die Angemessenheit bestimmter Lösungen wegen der Eigenart der verlangten Problemdiskussion nicht eindeutig bestimmbar sind. Insoweit hätte dem Bearbeiter vorliegend ein angemessener Antwortspielraum eingeräumt werden müssen. Dies war aber gerade nicht der Fall. Der Korrektor legte den Schwerpunkt des von ihm erwarteten Lösungsweges auf die Thematisierung der unmittelbaren Richtlinienwirkung, sowie der Bedeutung des Art.10 EGV. Insoweit hat er den Ausführungen des Verfassers zur direkten Anwendung der §§ 32 ff BNatSchG keinen angemessenen Antwortspielraum eingeräumt.
c.) Damit liegt schon aus diesem Grunde ein Verstoß gegen einen anerkannten Bewertungsgrundsatz vor. Somit sind die Ausführungen des Verfassers zur Unterschutzstellung des potentiellen FFH-Gebietes einer erneuten Bewertung zuzuführen.
2.) Einwendungen gegen die Korrektur der Ausführungen des Bearbeiters zur Antragsbefugnis des Umweltschutzvereins auf den Seiten 13 – 14 der Hausarbeit.
Der Korrektor bemerkt auf der Seite 13, daß das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (URG) im vorliegenden Fall nicht einschlägig sei. Diesen Ausführungen möchte der Unterzeichner folgende Einwendungen entgegenhalten:
a.) Das URG erweitert nicht nur den Kreis der Anfechtungsberechtigten, sondern auch die Gründe für einen erfolgreichen Rechtsbehelf gegen eine behördliche Entscheidung. Insbesondere die Klagemöglichkeiten von Umweltverbänden werden über das schon bisher bestehende Verbandsklagerecht im Naturschutz hinaus auf behördliche Entscheidungen, denen eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorangegangen ist bzw. auf die Zulässigkeit von Vorhaben, für die nach dem UVP-Gesetz eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen kann, ausgeweitet.
aa.) Für die kommunale Planungspraxis relevant sind die in Anhang 1 des UVPG genannten bauplanungsrechtlichen Vorhaben, die über §§ 1 VI Ziff. 7, 2. Abs. 4 BauGB, § 17 UVPG iVm. Ziff. 18.1 – 18.9 Anhang 1 UVPG im Rahmen der Aufstellung, Änderung oder Ergänzung eines Bebauungsplanes UVP-pflichtig sind.
bb.) Dazu zählen u.a. Vorhaben, für die nach Landesrecht eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, soweit deren Zulässigkeit durch einen Bebauungsplan begründet wird oder durch einen Bebauungsplan ein Planfeststellungsbeschluss ersetzt wird. In Baden-Württemberg finden sich diese in der Aufzählung in Anlage 1 zum Landesgesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (LUVPG), die zahlreiche Fälle kommunalrelevanter Vorhaben enthält.
cc.) So ist nach den §§ 1, 2 I, Nr .4 und II des LUVPG iVm. der Anlage 1 Nr. 1 bis 1.1.2.2 LUVPG das Erstellen und Betreiben einer Abwasseraufbereitungsanlage UVP-pflichtig.
dd.) Somit ergibt sich aus § 2 I iVm. § 1 I, Nr. 1 c URG iVm. §§ 1, 2 I, Nr. 4 und II des LUVPG iVm. der Anlage 1 Nr. 1 bis 1.1.2.2 zum LUVPG eine Antragsbefugnis des Umweltvereins.
b.) Insofern wurde von dem Verfasser die Rechtslage richtig erkannt. Nach einem Beschluß des BVerfG gibt es den anerkannten Bewertungsmaßstab, dass eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung nicht als falsch bewertet werden darf (BVerfG, Beschluß vom 17.04.1991 = BVerfGE 84, 34).
Dieser Bewertungsmaßstab wurde bei der Korrektur insofern verletzt, als davon ausgegangen wurde, daß das URG vorliegend nicht einschlägig sei.
Aus diesem Grunde ist eine Neubewertung der Ausführungen des Verfassers zur Antragsbefugnis auf Seite 13 der Bearbeitung angebracht.
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a.) Den Ausführungen des Verfassers zur Unterschuztstellung des potentiellen FFH-Gebietes wurde kein angemessener Antwortspielraum eingeräumt und verstößt somit gegen einen vom BVerfG aufgestellten und anerkannten Bewertungsgrundsatz. Die Ausführungen sind aus diesem Grunde einer erneuten Bewertung zuzuführen.
b.) Die Ausführungen des Verfassers zur Antragsbefugnis des Umweltvereins wurden bei der Bewertung nicht positiv gewürdigt, da der Korrektor das URG für nicht einschlägig hielt.
Insoweit hat der Korrektor gegen den vom BVerfG aufgestellten Bewertungsgrundsatz verstoßen, dass eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung nicht als falsch bewertet werden darf. Die Ausführungen des Verfassers zur Antragsbefugnis sind aus diesem Grunde ebenfalls erneut zu bewerten.
Aus den genannten Gründen sind die von der Remonstration umfaßten Bereiche der Bearbeitung der Hausarbeit einer erneuten Bewertung zuzuführen, sowie eine höhere Benotung der gesamten Hausarbeit mit mindestens 04 Punkten vorzunehmen.
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