Arbeitsrecht- Fälle zur Haftung 2

Arbeitnehmerhaftung; Schadensersatzansprüche nach § 823 I BGB; Ersatzanspruch nach § 670 BGB analog; Freistellungsanspruch nach § 257 BGB,

Datum
Rechtsgebiet Arbeitsrecht
Ø Lesezeit 5 Minuten
Foto: PPstudio/Shutterstock.com

Fall 1:

Dr. C ist Chemiker bei der V-GmbH. Bei einem chemischen Versuch verschüttet er aus Unachtsamkeit ein wenig Säure und beschädigt dadurch seine Jeanshose, die er unter seinem Laborkittel trägt. Die V- GmbH stellt dem Dr. C als Arbeitskleidung grundsätzlich nur einen Kittel und keine weitere Kleidung zur Verfügung.

Wie ist die Rechtslage?

1. Anspruch aus § 670 BGB analog

Dr. C könnte einen Anspruch gegen die V-GmbH auf Ersatz der Jeans gemäß § 670 BGB haben.

a. Analoge Anwendung

Fraglich ist jedoch, ob der § 670 BGB tatsächlich direkt angewandt werden kann. § 670 BGB bezieht sich grundsätzlich auf freiwillige Vermögenseinbußen und damit auf Aufwendungen. Die Beschädigung der Jeans des Dr. C ist jedoch eine unfreiwillige Vermögenseinbuße und damit nicht als Aufwendung, sondern vielmehr als Schaden einzustufen. Außerdem handelt es sich bei Dr. C um einen Arbeitnehmer der V-GmbH und nicht lediglich um einen Beauftragten. Aufgrund der Nähe des Auftragsrechts zum Dienstvertragsrecht und aufgrund der fehlenden Normierung innerhalb des Arbeitsvertragsrechts wendet das BAG den § 670 BGB regelmäßig analog auf Arbeitsverhältnisse an. Vorrausetzung hierfür ist aber, dass der Schaden bei Erbringung der Arbeitsleistung entstanden ist und den Arbeitgeber kein Verschulden trifft. Im Fall ereignete sich die Beschädigung während Dr. C für die V-GmbH zur Erbringung seiner Arbeitsleistung tätig war. Auch ist die Bekleidung bei seiner Tätigkeit notwendig. Ein Verschulden der V- GmbH ist nicht gegeben. § 670 BGB könnte daher auch im vorliegenden Fall doppelt analog angewendet werden.

b. Kein arbeitsadäquater Schaden

Bei einer analogen Anwendung ist jedoch eine weitere Besonderheit des Arbeitsrechts zu beachten: Während beim Auftragsrecht Dienste ohne Entgelt verrichtet werden, bekommt der Arbeitnehmer für seine Arbeitsleistung eine Vergütung. Bei einem Arbeitsverhältnis sind arbeitsadäquate Schäden, d.h. solche, die mit der Arbeit regelmäßig einhergehen von der Vergütung mit umfasst. § 670 BGB analog ist daher nur auf außergewöhnliche, arbeitsinadäquate Schäden anwendbar.

Bei dem Schaden an der Jeans des Dr. C handelt es sich um keinen außergewöhnlichen, sondern um einen arbeitsadäquaten Schaden, da der Schaden bei der gewöhnlichen Arbeit des Dr. C entstanden ist. Bei chemischen Versuchen ist es nicht ungewöhnlich, dass z.B. durch Spritzer die Kleidung beschädigt werden kann. Solche Schäden sind daher regelmäßig von der Vergütung mit umfasst.

Ergebnis: Vorliegend handelt es sich um einen adäquaten Schaden, welcher nicht nach § 670 BGB analog ersetzt werden kann. Die V-GmbH hat daher den Schaden an der Jeans nicht zu tragen.

Fall 2:

Dr. C soll das Reagenzglas in eine Nachbarfiliale bringen und fährt mit dem Reagenzglas in der Hand auf seinem Fahrrad dorthin. Dabei übersieht er eine Oma (O) mit ihrem Rollator, gerät ins Torkeln und verschüttet die ätzende Säure über die Handtasche der Oma. Dabei wird die Ledertasche der Oma (Wert: 180 €) vollständig zerstört.

Wie ist die Rechtslage?

1. Anspruch aus § 823 I BGB

O könnte gegen Dr. C einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 180 € wegen Zerstörung der Ledertasche gem. § 823 I BGB haben.

Dr. C hat das Eigentum der O durch das fahrlässige Verschütten der Säure verletzt. Das Fahren auf dem Fahrrad mit dem Reagenzglas in der Hand war auch kausal für den eingetretenen Schaden.

Zwischenergebnis: Damit besteht ein Anspruch der O gegen Dr. C aus § 823 I BGB.

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2. Freistellungsanspruch gem. § 670 analog i.V.m. § 257 BGB

Fraglich ist, ob Dr. C einen Freistellungsanspruch gegenüber der V-GmbH wegen dem Schaden an der Ledertasche hat.

Eine analoge Anwendung des § 670 BGB ist gegeben (Prüfung siehe Fall 1). Vorliegend handelt es sich nicht um einen arbeitsadäquaten Schaden, da der Zusammenstoß mit der O nicht mit der regelmäßigen Arbeit des Dr. C einhergeht, vielmehr ist es ein außergewöhnlicher Schaden.

Zwischenergebnis: Dr. C hat daher grundsätzlich einen Anspruch auf Freistellung nach § 257 BGB

3. Innerbetrieblicher Schadensausgleich

Es sind jedoch die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs anzuwenden. Nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs haftet der Arbeitnehmer bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit voll, bei mittlerer Fahrlässigkeit ist die Haftung zu quoteln, bei leichter Fahrlässigkeit haftet er nicht. Dabei ist zu beachten, dass der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber Ausgleich für einen Schaden, den er einem Dritten zu ersetzen hat, nur soweit verlangen kann, wie er gegenüber dem Arbeitgeber – wäre dieser der Geschädigte – nicht haften müsste.

Die Anwendung des innerbetrieblichen Schadensausgleichs auf § 670 BGB analog scheint gerechtfertigt, da der Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses Aufwendungen für die Firma macht und dabei ein Schaden entsteht. Wenn dieser Schaden aber vorsätzlich durch den Arbeitnehmer verursacht wird oder aufgrund mittlerer Fahrlässigkeit, so muss auch der Arbeitnehmer wenigstens teilweise dafür einstehen. Im Wege einer doppelt analogen Anwendung des § 670 BGB und den Grundsätzen über den innerbetrieblichen Schadensausgleich, kann der Arbeitnehmer einen Schaden, der sich während der Arbeitszeit ereignet hat, bei mittlerer teilweise und bei leichter Fahrlässigkeit voll ersetzt verlangen.

Vorliegend handelt Dr. C mit mittlerer Fahrlässigkeit, da er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verletzt hat. Er hat die O im Straßenverkehr übersehen, dabei wäre eine besondere Achtsamkeit erforderlich gewesen. Darüber hinaus hat Dr. C die erforderliche Sorgfalt verletzt, indem er das Reagenzglas mit der Säure in der Hand transportiert hat, anstatt es sicher zu verpacken. Der Schaden ist folglich zwischen der V-GmbH und Dr. C zu quoteln, wobei eine Verteilung von 1/3 der Haftung zu Lasten der V-GmbH und 2/3 der Haftung zu Lasten des Dr. C angemessen erscheint.

Ergebnis: Dr. C hat daher einen Befreiungsanspruch in Höhe von 60 Euro gegenüber der V-GmbH aus § 670 analog i.V.m. § 257 BGB.

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