Konkretisierung der Schickschuld
Prüfschema und Aufbau für die BGB-Klausur.
Im Folgenden ein kurzer Fall zur Schickschuld sowie der Aufbau in der Lösung eines Falles.Fall
Steuerberater A bestellt bei Weinhändler B 10 Flaschen Wein vom Typ „Riesling“ für seine Kanzlei. B bringt die Flaschen im Paket zu DHL. Das DHL-Fahrzeug baut aufgrund des Verschuldens des DHL-Fahrers einen Unfall. Dabei werden die Flaschen zerstört.
Frage 1: Hat B einen Anspruch gegen A auf Zahlung von 200 Euro ?
Frage 2: Hat A einen Anspruch gegen B auf erneute Lieferung von 10 Flaschen „Riesling“ ?
Lösung
Frage 1:
B könnte einen Anspruch gegen A auf Zahlung von 200 Euro aus § 433 II BGB haben. Ein wirksamer Kaufvertrag zwischen A und B ist zustande gekommen. Der Anspruch aus § 433 II BGB könnte nach § 326 I 1 BGB untergegangen sein. Dann müsste die Leistungserbringung nach § 275 I BGB unmöglich geworden sein. Dies hängt davon ab, ob eine Gattungsschuld oder eine Stückschuld Gegenstand der Leistungspflicht des Schuldners ist. Hier sind 10 Flaschen Wein, Typ „Riesling“ geschuldet. Es handelt sich um eine typenmäßig bestimmte Leistung und damit um eine Gattungsschuld. Damit würde eine Unmöglichkeit nur dann vorliegen, wenn sich die Pflicht des B auf die zerstörten 10 Flaschen bezog. Dazu müsste der B nach § 243 II BGB das seinerseits Erforderliche getan haben. Vorliegend handelt es sich um eine Schickschuld, da der B die Weinflaschen an den A versendet. Eine Bringschuld würde nur bei einer ausdrücklichen Vereinbarung zwischen A und B vorliegen. Bei einer Schickschuld hat der Schuldner das seinerseits Erforderliche getan, wenn er die geschuldete Sache einer Transportperson übergibt. B hat die 10 Flaschen bei DHL aufgegeben. Damit liegt eine Konkretisierung nach § 243 II BGB vor und die Pflicht des B bezog sich nur auf die Lieferung der 10 zerstörten Flaschen. Damit liegt eine Unmöglichkeit nach § 275 I BGB vor und der Kaufpreisanspruch des B gegen A ist nach § 326 I 1 BGB untergegangen.
Der Anspruch könnte nach § 447 BGB weiter bestehen bleiben. Ein Ausschluss des § 447 BGB aufgrund § 474 II BGB liegt nicht vor, da der A die Flaschen nicht als Verbraucher bestellt, sondern als Unternehmer im Sinne des § 14 BGB. Die Voraussetzungen des § 447 BGB liegen vor, da der B die Flaschen dem zur Versendung bestimmten Unternehmen DHL übergeben hat.
Damit geht die Preisgefahr, d.h. die Gefahr, den Kaufpreis trotz Unmöglichkeit der Leistung zahlen zu müssen, auf A über.
Jura-Individuell Tipp: Anders wäre es, wenn A Verbraucher i.S.d. § 13 BGB wäre. Die §§ 474-479 BGB ergänzen gem. § 474 II 1 BGB die allgemeinen kaufrechtlichen Regelungen (§§ 433-453 BGB) im Falle eines Verbrauchsgüterkaufs nach § 474 I BGB. § 447 I BGB ist dann nur unter den sehr engen Voraussetzungen des § 474 IV BGB anwendbar, ansonsten gar nicht! Dies ergibt sich aus der Formulierung in Abs. IV („… nur…“). § 447 II BGB ist generell unanwendbar, § 474 V 2 BGB. Im Fall des § 474 I BGB geht die Gefahr also erst über, wenn der Verbraucher den Besitz der gekauften Sache erlangt ( § 446 S.1 BGB) oder in Annahmeverzug (§§ 293ff. BGB) gerät.
B hat weiterhin einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises nach §§ 433 II, 447 BGB.
Frage 2:
A könnte einen Anspruch gegen B auf erneute Lieferung von 10 Flaschen Riesling nach § 433 I 1 BGB haben. Wie die Prüfung oben gezeigt hat, ist dieser Anspruch nach § 275 I BGB untergegangen. Damit hat A keinen Anspruch mehr gegen B auf eine erneute Lieferung von 0 Flaschen Riesling.
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Zu dieser Problematik siehe auch: Gefahrübergang, Gefahrübergang bei Annahmeverzug, Holschuld, relatives und absolutes Fixgeschäft, Schuldrecht AT – Leistungsstörungen, beiderseitige Unmöglichkeit,
Zur Problematik Schuldrecht BT siehe: Vertretenmüssen bei Nacherfüllung, Nacherfüllung gemäß § 439 I BGB, Ansprüche Gewährleistungsrecht Kaufvertrag, Klausur Mangelfolgeschaden und Weiterfresserschaden, Klausur Rücktritt vom Kaufvertrag, Artikel zum Weiterfresserschaden
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