Der Verwaltungsakt gemäß § 35 VwVfG
Der Verwaltungsakt gem. § 35 VwVfG; Regelung; Außenwirkung; mehrstufiger VA; schlichtes Verwaltungshandeln; Realakt
In öffentlich-rechtlichen Klausuren tritt häufig die Situation ein, dass man die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes überprüfen muss. Es kann jedoch das Problem auftreten, dass der Verwaltungsakt als solcher zunächst bestimmt werden muss. Die Legaldefinition des Verwaltungsaktes findet sich in § 35 VwVfG.
Danach ist ein Verwaltungsakt „jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.“
Hier nach ergeben sich 7 zu überprüfende Punkte um einen Verwaltungsakt zu definieren:
I. Maßnahme
II. Behörde
III. Auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts
IV. Hoheitlich
V. Regelung
VI. Einzelfall
VII. Rechtswirkung nach außen
Im Folgenden werden die einzelnen Punkte genauer erläutert und etwaige Problemschwerpunkte dargelegt.
I. Maßnahme
Definition: Eine Maßnahme ist laut Definition jedes Verhalten mit Erklärungsgehalt.
Dieser Begriff ist sehr weit gefasst und stellt in Klausuren keinen Problemschwerpunkt dar, da die Maßnahme als solche nochmals unter dem Prüfungspunkt der Regelung aufgefasst wird. Wichtig ist hier allerdings konkret dazulegen, an welches Verhalten die folgende Prüfung anknüpft.
Beispiel: Ein klassisches Beispiel für eine Maßnahme ist die erhobene Hand eines Polizisten.
II. Behörde
Definition: Gemäß § 1 IV VwVfG (Bund) wird der verwaltungsverfahrensrechtliche Behördenbegriff bestimmt. Danach ist eine Behörde jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.
Wesentlich enger gefasst ist der organisatorische Behördenbegriff. Hiernach ist eine Behörde jede Stelle, die aufgrund Gesetzes eingerichtet, im Bestand vom Personenwechsel unabhängig ist und im eigenen Namen nach außen auftritt.
Beispiele: Beispiele für Behörden sind zunächst Behörden i.e.S. (also klassische Verwaltungsträger). Aber auch Beliehene können den Behördenbegriff erfüllen (so zum Beispiel Sachverständige des TÜV).
Legislativ- und Judikativorgane werden dann als Behörde angesehen, wenn diese Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, nicht jedoch bei der Wahrnehmung ihrer Legislativ- bzw. Judikativfunktionen.
III. Auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts
Definition: Hier ist das öffentliche Recht im Sinne des Verwaltungsrechts gemeint.
Beachtet werden sollte, dass nur die Rechtsgrundlage öffentlich-rechtlicher Natur sein muss, nicht aber die Rechtsfolge.
IV. Hoheitlich
Definition: Hoheitlich ist die Maßnahme, wenn sie in einem Über-/ Unterordnungsverhältnis ergeht.
Dieser Prüfungspunkt ist dann nicht zu bejahen, wenn ein Gleichordnungsverhältnis vorliegt. Dies ist zum Beispiel bei einem öffentlich-rechtlichen Vertrag gegeben.
V. Regelung
Die Regelung umfasst mehrere Probleme.
Definition: Eine Regelung ist gegeben, wenn die Maßnahme final auf eine Rechtsfolge gerichtet ist. Der Maßnahme muss also rechtsgestaltende Wirkung zukommen.
Beispiele: Zunächst sind die typischen Regelungen aufzuzählen. Diese sind:
1. Gebote/Verbote
2. Leistungsverweigerung/ Leistungsbewilligung
3. Rechtsgestaltende, dingliche und feststellende Regelungen
Abzugrenzen ist die Regelung von dem schlichten Verwaltungshandeln (z.B. bloße Hinweise oder schlichte Vorbereitungshandlungen).
Wird man beispielsweise zur Zahlung eines gewissen Betrages aufgefordert, so stellt dies eine Regelung dar. Die Regelung liegt hier in der Begründung der Verpflichtung. Eine bloße Zahlungserinnerung hingegen stellt keine Regelung dar, sondern einen bloßen Hinweis.
Problem: Duldungsverfügung / Realakt mit konkludenter Regelung
Realakte stellen normalerweise keine Regelung dar. Verwaltungsakte können jedoch auch konkludent erlassen werden. Ein klassisches Beispiel hierfür ist der Polizist, der einen Demonstranten mit einem Schlagstock schlägt. Hierbei wird in dem schlichten Realakt (das Schlagen mit dem Schlagstock) zugleich eine Duldungsverfügung (seitens des Demonstranten) gesehen.
Ob unmittelbarer Zwang jedoch wirklich eine konkludente Duldungsverfügung enthält, ist umstritten.
Die Gegenseite führt hierzu an, dass eine solche Duldungsverfügung aufgrund der Tatsache erschaffen wurde, dass in der Vergangenheit Rechtsschutz nur gegen Verwaltungsakte bestand. Heutzutage muss aber gegen jede staatliche Handlung Rechtsschutz gegeben sein (Art. 19 IV GG). So könnte sich der Demonstrant mittels einer Feststellungsklage gegen den Realakt seitens des Polizisten wehren.
Problem: Wissenserklärung mit vorgeschalteter Regelung
Reine Wissenserklärungen (beispielsweise Auskünfte über einen Bebauungsplan) stellen keine Regelung dar. Anders ist der Fall, wenn der Wissenserklärung eine konkludente Regelung vorgeschaltet wird. Dies ist der Fall, wenn der Prüfungsschwerpunkt darin liegt, ob überhaupt eine Auskunft erteilt werden kann.
Beispiel: S beantragt eine Auskunft beim Bundesamt für Verfassungsschutz hinsichtlich der Daten, die über ihn gespeichert sind.
Problem: Feststellender Verwaltungsakt
Ein solcher ist gegeben, wenn bereits ein Gesetz mit entsprechenden Rechtsfolgen existiert, dieses jedoch für Einzelfälle konkretisiert wird (die Maßnahme ist dann final auf eine Rechtsfolge gerichtet).
Ein typisches Beispiel ist hierfür die Baugenehmigung. Aber auch Beamte, die in Pension gehen, erhalten einen solchen feststellenden VA. Durch das Beamtenversorgungsgesetz lässt sich genau herausfinden, in welcher Höhe dem jeweiligen Beamten ein Pensionsanspruch zusteht. Die genaue Höhe wird dem Beamten jedoch per Bescheid mitgeteilt und konkretisiert damit das Gesetz. Ein feststellender Verwaltungsakt ist damit gegeben.
ACHTUNG: Die Beamtenernennung gehört zu der Gruppe der rechtsgestaltenden Verwaltungsakte.
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Ein Einzelfall liegt vor, wenn die Maßnahme konkret-individueller Natur ist. Somit teilt sich hier die Prüfung in 2 Teile. Zum einen muss die Maßnahme konkret (sachliche Prüfung) und zum anderen individuell (persönliche Prüfung) sein.
Konkret ist die Maßnahme, wenn diese sich auf einen bestimmten Fall bezieht, also nicht eine abstrakte Anordnung darstellt.
Individuell ist die Maßnahme, wenn der Adressat genau bestimmt ist und sie nicht an eine generelle Gruppe gerichtet ist.
Kein Einzelfall, sondern abstrakt-generelle Maßnahmen sind beispielsweise Rechtsverordnungen und Satzungen.
VII. Rechtswirkung nach außen
Definition: Die Maßnahme hat Außenwirkung, wenn sie final darauf gerichtet ist Rechtsfolgen gegenüber einem Rechtssubjekt herbeizuführen, das außerhalb des handelnden Verwaltungsträgers steht.
Dieser Prüfungspunkt dient dazu Verwaltungsakte von innerbehördlichen Maßnahmen abzugrenzen.
Bekommt ein Beamter beispielsweise Anordnungen bezogen auf seinen Arbeitsablauf, so hat diese Anordnung keine Außenwirkung, sondern stellt eine innerbehördliche Maßnahme dar.
Problem: Verwaltungsrechtliches Sonderrechtsverhältnis
Bezogen auf das verwaltungsrechtliche Sonderrechtsverhältnis können Maßnahmen zum Beispiel gegen Beamte, Schüler, Gefangene und Soldaten Außenwirkung entfalten, wenn die betreffende Person nicht verwaltungsintern angesprochen wird. Dies ist der Fall, wenn Maßnahmen im sogenannten Grundverhältnis ergehen. Wird der jeweilige Adressat als Träger persönlicher Rechte und Pflichten angesprochen, so entfaltet die Maßnahme Außenwirkung (zum Beispiel eine Ernennng).
Problem: Mehrstufiger Verwaltungsakt
Die Mitwirkungshandlung einer Behörde hat nur ausnahmsweise Außenwirkung. Hierfür müssen 2 Voraussetzungen erfüllt werden:
Zum einen muss eine gesetzliche Regelung zwingend verlangen, dass die Erlassbehörde die Mitwirkung einholt.
Zum anderen muss die mitwirkende Behörde eigene und ausschließliche Entscheidungen übertragen bekommen.
Problem: Die Kommunalaufsicht
Im Bereich der Selbstverwaltung haben kommunalaufsichtliche Maßnahmen nach einhelliger Meinung Außenwirkung.
In Bezug auf den Bereich der Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung ist die Außenwirkung der kommunalaufsichtlichen Maßnahme jedoch streitig.
Eine Meinung ordnet die Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung gemäß ihrer Rechtsnatur der Selbstverwaltung zu. Danach hätten diese – wie oben bereits erwähnt – Außenwirkung. Diese Meinung stellt auf die Rechtsnatur der Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung ab.
Einer anderen Meinung folgend soll jedoch nicht auf die Rechtsnatur abgestellt werden, sondern hinterfragt werden, ob nach dem anzuwendenden Recht die Selbstverwaltung betroffen ist. Auch dann sollen die Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung Außenwirkung haben.
Eine letzte Meinung lehnt die Außenwirkung ab und nimmt in diesem Fall Innenwirkung an (BVerwG NJW 78, 1820)
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